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Wirtschaft Warnhinweise auf Flaschen

„Problematisch, wenn das Leben überreguliert wird“ – Alkohol-Lobby kritisiert EU

Wirtschaftskorrespondent
Noch gibt es keine Warnhinweise auf alkoholischen Getränken. Doch bis 2023 sollen Vorschläge erarbeitet werden Noch gibt es keine Warnhinweise auf alkoholischen Getränken. Doch bis 2023 sollen Vorschläge erarbeitet werden
Noch gibt es keine Warnhinweise auf alkoholischen Getränken. Doch bis 2023 sollen Vorschläge erarbeitet werden
Quelle: picture alliance / imageBROKER
Die EU-Kommission prüft, ob und welche Warnhinweise in Zukunft auf Flaschen alkoholischer Getränken gedruckt werden können. Die Branche positioniert sich gegen diese Vorgaben. Doch vor allem Junge befürworten offenbar eine strengere Alkoholpolitik.

Worum geht es

Als die Spekulationen zu wild wurden, hat Brüssel eingegriffen. „Die Europäische Kommission plant keine Schockbilder für alkoholische Getränke“, stellt die EU-Administration klar. Wein und Bier müssten in Zukunft nicht genauso gekennzeichnet werden wie Tabakprodukte. Auf eine andere Weise aber schon. So jedenfalls sieht es „Europas Plan gegen den Krebs“ vor, mit dem die Kommission gegen die seit Jahren stark steigenden Fallzahlen der vielfach tödlichen Krankheit ankämpfen will.

Wie genau, bleibt aber zumindest in Bezug auf das Thema Alkohol, das Experten zufolge zu den Risikofaktoren für Krebs gehört, weiterhin offen. „Gesundheitsbezogene Warnhinweise auf Etiketten“ werden in Kapitel 3.3 des 37-seitigen Dokuments vage angekündigt. „Wir können noch keine präziseren Angaben machen, da es einen konkreten Vorschlag noch nicht gibt“, heißt es von der Kommission auf Nachfrage.

Der soll nun bis Ende 2023 nach Diskussionen mit Mitgliedsstaaten, Interessengruppen und Bürgern vorgelegt werden. Das dürften durchaus kontroverse Gespräche werden. In Deutschland jedenfalls positionieren sich die Hersteller alkoholischer Getränke entschieden gegen neue Vorgaben aus Brüssel, wie eine WELT-Umfrage bei den Verbänden der betroffenen Branchen zeigt.

„Wir brauchen eine klare Trennlinie zwischen Alkoholmissbrauch und Alkoholkonsum“, sagt zum Beispiel Holger Eichele, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes (DBB). Gegen Missbrauch müsse entschieden angekämpft werden, der moderate Konsum der übergroßen Mehrheit der Menschen dürfe dagegen nicht verteufelt werden.

Prävention und Aufklärung

Eichele plädiert daher für Prävention und Aufklärung. „Dafür gib es bereits erfolgreiche Kampagnen, die wir seit Jahren auch unterstützen. Und das kann noch weiter ausgebaut werden.“ Die Wirkung von Bildchen, Piktogrammen und Schriftzügen auf einer Flasche hinterfragt der Vertreter der deutsche Bierhersteller indes. „Wo ist da die wissenschaftliche Evidenz?“ Ein plakativer Warnhinweis sei nicht geeignet für die notwendige Bewusstseinsänderung bei den Konsumenten, die gefährdet sind.

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Abgelehnt werden Warnhinweise auch vom Deutschen Weininstitut (DWI). „Wir halten es für problematisch, wenn das Leben überreguliert wird“, heißt es in einer Stellungnahme der hiesigen Wein-Lobby. Sogar von Eingriffen in die Freiheitsrechte ist die Rede. „Es erscheint fraglich, wenn der Konsument durch allzu plakative Regulierung und Symbolik in seinem selbstbestimmten, eigenverantwortlichen Handeln eingeschränkt wird.“

Am Ende mache immer die Dosis das Gift, sagt DWI-Vertreter Frank Schulz. „Der Alkoholgehalt ist aber auf jeder Flasche aufgeführt.“ Man müsse den Verbraucher also nicht gängeln. Auch die Spirituosenwirtschaft weist auf das Thema Selbstbestimmung hin. Deren deutscher Branchenverband BSI mahnt zugleich zur Eigenverantwortung und nimmt dabei die Verbraucher selbst in die Pflicht, allen voran Eltern.

„Informationen und Aufklärung über einen gesundheitsverträglichen, risikoarmen Konsum sind aus unserer Sicht sehr wichtig und sollten daher selbstverständlich Bestandteil der Erziehung zum verantwortungsvollen und mündigen Konsumenten sein“, sagt BSI-Geschäftsführerin Angelika Wiesgen-Pick. „Was im Elternhaus an Vorbildverhalten und suchtpräventiver Erziehung versäumt wurde, lässt sich aber nicht einfach auf das Produkt drucken.“ Insofern müsse genau überprüft werden, ob Warnhinweise das richtige Mittel zur Aufklärung der Endverbraucher sind.

Strafsteuern und Werbeverbote bislang abgelehnt

Wobei sich der BSI auch nicht nachsagen lassen möchte, Verantwortung abzuwälzen, wie Verbandsvertreterin Wiesgen-Pick betont. Die Branche unterstütze daher zahlreiche Initiativen, koordiniert vom 2005 ins Leben gerufenen „Arbeitskreis Alkohol und Verantwortung“. Unterstützt werde Präventionsarbeit zum Beispiel mit der Elternkampagne „Klartext reden“, der „Schulungsinitiative Jugendschutz“, der Verkehrssicherheitsaktion „Don’t drink and drive“, aber auch durch Hilfe und Beratung für Schwangere oder beim Thema Alkohol am Arbeitsplatz.

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Die Bundesregierung erkennt das Engagement offenbar an. Zumindest hat sie bislang Strafsteuern, Warnhinweise oder weitere Werbeverbote als untauglich abgelehnt, melden die Herstellerverbände. „Stattdessen wurde die Bedeutung der auf bestimmte Zielgruppen zugeschnittenen Aufklärungsarbeit hervorgehoben“, erklärt Brauereienvertreter Eichele und verweist auf Studien, die eine Wirksamkeit der Prävention auch belegen sollen. „Der Konsum bei Kindern und Jugendlichen zum Beispiel geht seit Jahren deutlich zurück und ist auf einem historisch niedrigen Stand“, so Eichele.

Das bestätigt auch Daniela Ludwig, die Drogenbeauftragte der Bundesregierung. „Gerade Jugendliche trinken heute deutlich weniger Alkohol als noch vor 20 Jahren“, sagt die CSU-Politikerin. Dennoch seien die gesundheitlichen und sozialen Schäden des Alkoholmissbrauchs nach wie vor massiv. Sie habe sich deswegen in den letzten Haushaltsverhandlungen für eine deutliche Aufstockung der Mittel eingesetzt – und am Ende auch mehr Geld für Präventionsarbeit bekommen.

Trotzdem scheint offen, welche Position Deutschland gegenüber den Warnhinweisplänen der EU einnimmt. Auf eine automatische Ablehnung läuft es trotz Verbändedruck jedenfalls nicht hinaus. „Mir ist wichtig, dass wir auch für neue Wege und Antworten offen sind“, sagt Ludwig gegenüber WELT. Ob dann am Ende kleine Warnhinweise auf Flaschen tatsächlich zu weniger Konsum führen, sei noch nicht eindeutig belegt. „Unter dem Strich wünsche ich mir aber eine unvoreingenommene Debatte über die richtigen Wege und Hebel bei der Alkoholprävention. Da darf es nicht immer gleich einen Aufschrei geben, wenn mal jemand mit einer neuen Idee um die Ecke kommt.“

Alkohol erhöht das Krebsrisiko deutlich

Nun ist es an der EU, mögliche Ideen zu entwickeln. Hinter dieser Initiative aus Brüssel steht das Ziel, alkoholbedingte Krebserkrankungen und Todesfälle zu verhindern sowie über das mit dem Alkoholkonsum verbundene Krebsrisiko aufzuklären. „Alkohol ist als Risikofaktor für Krebs kaum bekannt“, heißt es von der EU-Kommission. Dabei seien die Zahlen mittlerweile sehr hoch: Für 2016 zum Beispiel meldet sie Krebs als die häufigste Ursache alkoholbedingter Todesfälle mit einem Anteil von 29 Prozent.

Dahinter folgen mit deutlichem Abstand Leberzirrhose mit 20 Prozent und Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit 19 Prozent. Bei möglichen Warnhinweisen will es die EU daher nicht belassen. „Darüber hinaus wird die Kommission die EU-Rechtsvorschriften für die Alkoholbesteuerung und für den grenzüberschreitenden Kauf von Alkohol durch Privatpersonen überarbeiten und sicherstellen, dass sie weiterhin dazu geeignet sind, das Ziel, öffentliche Einnahmen zu generieren, mit dem Ziel des Gesundheitsschutzes zu vereinbaren“, heißt es im Strategiepapier zur Krebsbekämpfung. Noch bis Ende April laufe dazu eine öffentliche Konsultation.

Das Thema Warnhinweise indes wurde in verschiedenen Ländern schon aufgegriffen und teils evaluiert. Ein Ergebnis aus Frankreich ist, dass zumindest Schwangere die Hinweise wahrnehmen und ihnen auch Beachtung schenken, sagt die Drogenbeauftragte Ludwig.

Auch in Kanada, das bereits 2001 als erstes Land bildliche Warnhinweise auf Zigarettenpackungen hat drucken lassen, gab es bei einem später abgebrochenen Versuch Effekte. Die Universität Toronto hatte für eine Forschungsreihe Flaschen alkoholischer Getränke mit drei verschiedenen kurzen Botschaften in leuchtenden Farben etikettiert. Ein Ergebnis: Dort, wo Flaschen mit Warnhinweisen verkauft wurden, ging der Gesamtalkoholverkauf um fast sieben Prozent zurück. Zugleich habe sich das Wissen und Bewusstsein um Trinkrichtlinien und alkoholbedingte Gesundheitsrisiken wie Krebs erhöht.

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In Deutschland könnte eine mögliche Verschärfung der Alkoholpolitik nochmals zusätzlich Fahrt aufnehmen, sollten die Grünen ab Herbst in Regierungsverantwortung kommen. Zumindest fordert die Bundestagsfraktion eine nationale Alkoholpräventionsstrategie und im Zuge dessen auch eine Prüfung von Werbeverboten, Steuererhöhungen und Beschränkungen der Verfügbarkeit.

Verwiesen wird im Antrag der Fraktion auf jährlich rund 74.000 Todesopfer durch alkoholassoziierte Erkrankungen und unter dem Strich mehr als 50 Milliarden Euro direkte und indirekte Kosten für das Gesundheitssystem. Gerade bei jungen Wählergruppen verfängt der Vorstoß offenbar ganz besonders: Zumindest sprechen sich 70 Prozent für ein Werbeverbot für Tabak und Alkohol aus, zeigt die Studie „Zukunft Gesundheit 2020“ von vivida BKK und der Stiftung „Die Gesundarbeiter“, für die rund 1000 Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland zwischen 14 und 34 Jahren befragt wurden. Fast jeder Zweite befürwortet zudem auch eine Zucker- oder Fettsteuer.

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