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„Ich bin neidisch auf meinen Ehemann“

Autorenprofilbild von Carlotta Vorbrüggen
Von Carlotta VorbrüggenRedakteurin Nachrichten und Gesellschaft
Veröffentlicht am 21.06.2024Lesedauer: 5 Minuten
Young couple in living room (focus on young woman in foreground)
Den eigenen Mann beneiden - die Geschichte einer WELT-LeserinQuelle: Getty Images/Vincent Besnault

Neid ist der größte Gegner des Glücks – so steht es häufig geschrieben auf Kalenderblättern. Wir beneiden Menschen, die attraktiver oder erfolgreicher sind. Doch nicht immer sind es solch populäre Dinge, die in uns Neid auslösen. Vier WELT-Leser haben erzählt, wen Sie beneiden und warum.

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Dustin D., 32, Dortmund

Ich wohne alleine seitdem ich 16 Jahre alt bin. Das Verhältnis zu meiner Familie ist schon sehr früh kaputtgegangen, weil ich nicht studieren wollte. Ich bin immer weiter abgestürzt, weil ich einfach niemanden hatte. Inzwischen muss ich aber sagen, dass mich niemand gezwungen hat Mist zu bauen. Mit Anfang 20 habe ich dann einen Gottkomplex bekommen und dachte „F*** den Staat“ und dann habe ich eine Haftstrafe bekommen aufgrund eines Raubüberfalls, bei dem allerdings niemandem etwas passiert ist.

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Ich habe während der Zeit im Gefängnis eine Ausbildung zum Industriemechaniker gemacht und nach der Entlassung ein erfülltes Leben geführt. Dann kam plötzlich die Diagnose Epilepsie und seit 18 Monaten versuche ich händeringend eine Lösung zu finden, da ich nicht mehr als Schlosser arbeiten kann. Ich wollte eine Umschulung mithilfe des Arbeitsamtes Dortmund absolvieren, allerdings stehen mir die Vorstrafen und die Epilepsie im Weg.

Im Endeffekt habe ich keine Chance auf ein normales Leben. Ich bin gezwungen, von 512 Euro im Monat zu leben, wobei man das nicht Leben nennen kann. Es ist völlig egal, was ich versuche, ich werde ununterbrochen vertröstet und vorverurteilt und selbst nach mehr als 10 Jahren bricht mir die Vergangenheit das Genick. Ich habe mich an jede Institution gewendet, doch es kommt immer dasselbe. Ich bin Anfang des Monats schon wieder bankrott und ich lebe garantiert nicht im Luxus. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Ich bin im Endeffekt also auf jeden neidisch, der ein ruhiges und normales Leben führen kann.

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Victoria K., 30, Niedersachsen

Ich bin neidisch auf meinen Ehemann. Ich bin mit einer narzisstischen und alkoholkranken Mutter aufgewachsen. Danach bei meinem Vater und meiner Stiefmutter, die ebenfalls Alkoholikerin ist. Taschengeld kannte ich nicht. Meine Geschwister wuchsen getrennt von mir auf und zwischen meiner Schwester und mir besteht heute noch ein Konkurrenzkampf. Ich denke immerzu, dass ich wertlos und nicht gut genug bin.

Und dann ist da mein Mann. Er ist bei einer wundervollen großen, zusammenhaltenden Familie aufgewachsen und er und sein Bruder sind unzertrennlich. Er musste sich niemals selbst beibringen, eine Lampe anzubauen und wenn das Geld mal eng wurde, hatte er immer eine Stütze. Mein Mann ist immer glücklich und bei jedem Problem ruhig. Vielleicht auch, weil es ihm immer irgendjemand abnahm, wenn er nicht weiterkam. Er ist nie unzufrieden mit etwas. Schon gar nicht mit sich, egal ob er viel zu viel oder viel zu wenig wog.

Ich bin neidisch, dass er keine Trauer kennt. Keine Wut, keine Angst. Dass er sich keine Gedanken über alles macht und sich nicht bei jedem Satz fragt „Oje, was, wenn das blöd ausgedrückt war“. Er wird niemals Burnout bekommen, weil er nicht – so wie ich es tue – viel zu viel arbeitet, nur um allen zu beweisen, dass ich eben doch etwas wert bin. Ich bin neidisch auf seine Kindheit und ich bin neidisch auf seine Familie. Es ist aber kein Neid, bei dem ich ihm das nicht gönne. Inzwischen gehöre ich ja dazu. Es ist eher ein „Hätten wir das nicht beide haben können?“

Männlich, 26, Hannover

Bei mir ist es nicht unbedingt der Neid bei Personen, die mir nahestehen oder die ich persönlich kenne. Dennoch habe ich mit dem Thema oft zu kämpfen und bin mir dessen Absurdität bewusst. Es sind die Menschen des öffentlichen Lebens oder gar Sportler. Ich als Motorsportfan nehme mein liebstes Beispiel Max Verstappen. Es liegt vor allem auch am Alter, er ist nämlich zwei Monate jünger als ich. Ständig vergleiche ich mich mit seiner und meiner aktuellen Lage, in der ich am Schreibtisch sitze oder in der Bibliothek für eine unsinnige Klausur lerne. Er hingegen fliegt durch die Welt und verdient Millionen durch das, was ihm die meiste Freude bereitet.

Problem hierbei – wo in meinen Augen auch der Neid berechtigt ist – dass ich mir aufgrund seiner familiären monetären Lage nicht den Weg in den Motorsport finanzieren konnte, auch wenn ich mit viel Übung und Training vielleicht das Gleiche hätte erreichen können.

Ein weiteres eher näheres Beispiel wären erneut gleichaltrige aus gutem Hause, denen alles finanziell in die Wiege gelegt wird oder das Geschenk haben, wichtige Kontakte und Ressourcen zu besitzen, um an besondere oder unerreichbare Ziele zu kommen. Grade diesen Personen fehlt es oftmals an „Drive“, diese Chancen zu nutzen. Stattdessen ruhen sie sich aus und genießen das Leben durch das Geld der Eltern. Hier vergehen Chancen, die ich gerne vollkommen genutzt hätte und weiter hart arbeiten wollen würde, um etwas Eigenes mit Stolz aufbauen zu können.

Letztendlich ist es bei mir hauptsächlich das Thema Alter, der Vergleich mit gleichaltrigen und wie diese ohne eigenes Tun Jahre voraus sein können. Wohingegen ich Jahre verliere an harter Arbeit, um auf deren jetzigen Stand überhaupt erst zu kommen.

Männlich, 59, Unterfranken

Ich beneide niemanden, da wir alle eine andere Vita und jeder sein Päckchen zu tragen hat. „Unter jedem Dach ein Ach“ – so ist das. Ich bin zufrieden mit meinem Leben und mit meinem Beruf. Mit meinem privaten Leben bin ich nicht so sehr zufrieden, doch wenn ich etwas verändern möchte, muss ich das selbst wollen und tun. Es liegt an mir. Ich muss ich niemanden beneiden.