WELTGo!
Ihr KI-Assistent für alle Fragen
Ihr KI-Assistentfür alle Fragen und Lebenslagen
Talk-Kritik „Maybrit Illner“

„Wir sind hier ja nicht bei Jugend forscht“, sagt Karl Lauterbach

Von Kristoffer Fillies
Veröffentlicht am 26.03.2021Lesedauer: 4 Minuten
SP210325-2226_6015_
Karl Lauterbach bei Maybrit IllnerQuelle: ZDF/Svea Pietschmann

Die dritte Welle droht mit 50.000 Neuinfektionen am Tag, meint Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Er fordert einen Lockdown und Ausgangssperren. Rostocks Bürgermeister ist für mehr Vertrauen in die Bürger und Angebote statt Verbote.

Anzeige

Die Corona-Notbremse ab einem Inzidenzwert von 100 Neuerkrankten pro 100.000 Einwohner gilt seit Anfang dieser Woche. Städte wie Tübingen und Rostock probieren Lockerungen bei vermehrten Tests und gelten als Modellstädte. SPD-Gesundheitsexperte und Corona-Dauermahner Karl Lauterbach fordert hingegen einen bundesweiten Lockdown.

Bei Maybrit Illner diskutierten Bundestagsabgeordneter Lauterbach, Rostocks Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen, die Journalistin Düzen Tekkal und Berlins Bürgermeister Michael Müller über Strategien aus der Corona-Pandemie. Zugeschaltet wurden die Theologin Margot Käßmann und der Sänger und Luca-App-Mitgründer Michael „Smudo“ Schmidt von den Fantastischen Vier.

Anzeige

Vertrauensverlust ins Corona-Pandemie-Management

Zwei Tage nach der Ministerpräsidentenkonferenz mit der Bundeskanzlerin wurde die geplante Osterruhe zurückgenommen. Für Michael Müller (SPD) trage Angela Merkel nicht die alleinige Schuld, auch wenn sie diese auf sich genommen habe. „Wir haben das schließlich gemeinsam beschlossen“, sagte Müller. Auch er habe gedacht, Ruhetage über Ostern seien ein „gehbarer Weg in dieser weltweiten Gesundheitskrise“. Doch habe er eingesehen, dass dies für viele Menschen und Unternehmen nicht zumutbar sei.

Für Journalistin Tekkal hat die Ministerpräsidentenkonferenz etwas Weltfremdes gehabt. „Die Corona-Politik ist gescheitert“, schimpfte sie. Die Menschen verlieren das Vertrauen in das Regierungshandeln. Das zeigt auch eine Studie, die Moderatorin Illner vorlegt. Aktuell stimmen nur noch 30 Prozent dem Handeln der Regierung zu, 62 Prozent sind dagegen.

Anzeige

Die beschlossene Notbremse soll in Regionen mit einem dreitägigen Inzidenzwert über 100 greifen. Dann sollen Lockerungen zurückgenommen werden, die seit dem 7. März gelten. Auch eine nächtliche Ausgangssperre ist dann eine Option.

Bis zu 50.000 Neuinfektionen am Tag in der dritten Welle?

Epidemiologe Karl Lauterbach forderte eine zweiwöchige Ausgangssperre. „Es hat mir leidgetan, dass wir keine besseren Beschlüsse hinbekommen haben“, sagte er bezogen auf die Konferenz am vergangenen Dienstag. „Ausgangssperren haben einen extrem schlechten Ruf, aber sie wirken“, sagte er mit Blick auf Portugal, Großbritannien und mehrere Regionen in Frankreich. „Jetzt sind wir am Anfang einer fulminanten dritten Welle.“

In den nächsten Monaten werden wir mit der britischen Corona-Variante die 40- bis 70-Jährigen haben, die schwer erkranken. Zudem werde die dritte Welle härter als die erste und die zweite. Virologe Christian Drosten rechnet mit 100.000 neuen Fällen pro Tag. „Ich glaube das nicht. Aber es könnten bis zu 50.000 neue Infektionen am Tag kommen“, prognostizierte Lauterbach. Die Regierung handele nach der Maxime: etwas machen, was dem Bürger nicht wehtut, aber auch keinen Erfolg haben wird.

Rostocks Oberbürgermeister Madsen stimmte Lauterbach in diesem Punkt zu: „Die Menschen brauchen einen Fahrplan.“ Allerdings müsse dieser mit Angeboten statt Verboten gestaltet werden. „Wir waren das Land der Dichter und Denker und handeln jetzt wie die Schließer und Henker“, reimte Madsen. In Rostock wird beispielsweise gelockert und vermehrt getestet. Jeder Fußballfan wird getestet, bevor er ins Stadion darf. „Wir müssen den Menschen mehr vertrauen und zutrauen“, meinte Madsen. Es sei zu einseitig, einen Lockdown als Antwort zu nehmen.

Lockdown und Ausgangssperren für zwei Wochen

Diesen aber fordert Lauterbach mit seiner Strategie: „Zwei Wochen lang die Lockerungen weglassen, auch keine Projekte wie in Berlin und Rostock“, sagte der Epidemiologe. „Wir sind hier ja nicht bei Jugend forscht.“ Sobald das exponentielle Wachstum der Corona-Neuinfektionen gestoppt ist, könnten die Projektversuche starten.

Madsen kritisierte diese Idee: „Die Leute machen schon Witze. Nur noch drei Lockdowns, dann ist Weihnachten.“ Lauterbach konterte mit Zahlen: „500.000 Menschenleben wurden durch die Lockdowns gerettet.“ Journalistin Tekkal sieht das Problem woanders: „Hier reden wir über Lockdowns, in anderen Ländern wird durchgeimpft. Darauf sollten wir uns konzentrieren“, forderte sie. Die dritte Welle stehe besonders wegen des Impfdebakels bevor.

Zwei Corona-Apps für jedes Smartphone

„Wir werden einen Weg mit Corona finden müssen“, meinte Madsen. Dazu müsse nun die Kontaktnachverfolgung verbessert werden, so wie es derzeit mit der Luca-App geschehe. Neben der Corona-Warn-App der Bundesregierung gibt es seit einigen Monaten die Luca-Software als Download fürs Smartphone. Mehrere Städte arbeiten bereits mit der Anwendung zusammen. „Bisher sind 100 Gesundheitsämter und 42.000 Betriebe eingebunden. 2,3 Millionen Mal wurde die App gedownloaded“, sagte Mitgründer Smudo. Der Quellcode der App werde am 31. März veröffentlicht, damit können Datenschützer beispielsweise die App-Sicherheit prüfen.

Für Karl Lauterbach ist die Corona-Warn-App damit aber nicht obsolet. „Auch die Corona-Warn-App schickt täglich Warnungen raus. Man darf beide Apps nicht gegeneinander ausspielen.“ Stattdessen sollten die Anwendungen besser zusammenarbeiten. „Jeder sollte beide Apps haben“, schlägt er vor.