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Talkshow „Maybrit Illner“

„Wie die Auszahlung dieser Hilfsgelder läuft, das ist unverzeihlich“

Von Markus Hehn
Veröffentlicht am 19.02.2021Lesedauer: 5 Minuten
WELT-Chefredakteurin Dagmar Rosenfeld bei Maybrit Illner
WELT-Chefredakteurin Dagmar Rosenfeld bei Maybrit IllnerQuelle: ZDF/Svea Pietschmann

Weder schnell noch unbürokratisch: Bei Maybrit Illner muss Wirtschaftsminister Peter Altmaier scharfe Kritik am Management der Hilfszahlungen einstecken. WELT-Chefredakteurin Dagmar Rosenfeld beklagt ein Versagen aller politischen Verantwortlichen.

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„Zahlen sinken, Ungeduld wächst – wie lange bleibt der Laden noch dicht?“, fragte am Donnerstagabend Maybrit Illner eine wirtschaftlich fokussierte Diskussionsrunde.

Es ging also um Öffnungsperspektiven für den Einzelhandel, um de facto Berufsverbote und vor allen Dingen um die stockende Auszahlung der versprochenen Hilfsgelder. Der Versprechensgeber, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), geriet ins Kreuzfeuer und musste sich gegen harsche Kritik wehren.

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So diskutierten also neben Altmaier WELT-Chefredakteurin Dagmar Rosenfeld, der Oberbürgermeister von Rostock, Claus Ruhe Madsen, Textilunternehmerin Sina Trinkwalder, BDI-Präsident Siegfried Russwurm und Eiskunstlauf-Legende Katarina Witt, die sich selbst auch als Unternehmerin betätigt und auf Facebook ihr Hadern mit der Corona-Politik schon vor einigen Tagen ausführlich zu Protokoll gegeben hatte.

Unverzeihliche Fehler bei Auszahlung

Nur knapp die Hälfte der Novemberhilfen ist bis heute ausgezahlt, und eine Insolvenzwelle lässt sich wohl gar nicht mehr vermeiden. Bei der Ausgangslage schien in der Sendung kein Platz mehr für abwägende Zwischentöne zu sein: „Wie die Auszahlung dieser Hilfsgelder gelaufen ist und immer noch läuft, das ist unverzeihlich“, sagte Dagmar Rosenfeld, die damit die Kritik an dem Minister eröffnete.

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Sie beklagte ein Versagen aller politischen Verantwortlichen und erinnerte Altmaier daran, dass selbst seine eigene Partei mit ihm unzufrieden sei. Der wünschte sich im Gegenzug erst einmal eine „rationale“ Diskussion und hob zur Verteidigung an. „Wir haben alleine sechs Milliarden an Hilfen ausgezahlt seit November“, gab er an und wies darauf hin, dass man eben auch Missbrauch verhindern müsse – und außerdem seien seit fünf Wochen die Länder für die Auszahlung der Novemberhilfen zuständig.

Versprechen gebrochen

Da schritt Moderatorin Illner ein: „Herr Altmaier, Sie wollten unbürokratisch und schnell helfen, und da muss man jetzt mal sagen, dieses Versprechen haben Sie gebrochen.“ Bei den Leuten komme die Hilfe nun mal nicht an. „Nein, das ist falsch, das ist einfach falsch“, widersprach Altmaier mit allem Nachdruck und berichtete von einer Begegnung mit mehreren Friseuren und Gastronomen, die alle schon Abschlagszahlungen erhalten hätten, wenn auch nicht ausreichend. Natürlich würden sich diejenigen melden, die noch nichts bekommen hätten, fügte er an. „Und das tut mir im Herzen weh, denn diese Menschen haben genauso einen Anspruch darauf“, so Altmaier.

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Er stellte sich aber gleichzeitig vor die Beamten, die diese Hunderttausende von Anträgen momentan eben sehr sorgfältig zu bearbeiten hätten. „Es hat niemand in der Republik sich zugetraut, dies anders und besser zu machen“, betonte der Minister. Und, geradezu angriffslustig: „Wenn man es kritisiert, dann muss man auch sagen, wie man es hätte besser machen können.“

Rosenfeld konnte das kaum glauben: „Aber Herr Altmaier, es ist doch nicht Aufgabe der Bürger und der Unternehmer zu organisieren, wie sie an die zugesagten Hilfen kommen.“ Später erläuterte Altmaier, seine Forderung beziehe sich eher auf die Kritiker aus der Politik.

Lieber nichts als etwas Falsches?

Sina Trinkwalder hielt es derweil kaum noch auf ihrem Stuhl. „Ich krieg echt fast Blutdruck“, sagte sie und warf der Politik vor, Unternehmer gegeneinander auszuspielen. Große Konzerne vermeldeten riesige Gewinne und das, obwohl sie staatliche Hilfe in Anspruch genommen hätten. „Erzählen Sie mir nicht, dass Daimler und Konsorten acht Wochen auf Kurzarbeitergeld warten, weil die haben viele Anwälte und gute Connections.“

Ganz anders sei das bei kleinen Betrieben wie Friseuren oder Nagelpflegern: „Die wissen noch nicht mal, wie das gehen soll für ihre Mitarbeiter, die müssen zum Steuerberater“, beklagte Trinkwalder. Die lasse man wahnsinnig hängen, und das dürfe nicht sein. „Also ich habe das Gefühl, nur ein Einziger ist hier richtig voll im Lockdown, und das ist das Wirtschaftsministerium – und zum Zweiten das Finanzministerium. Lieber nichts machen als das Falsche.“

Schnelle Hilfe als doppelte Hilfe

Altmaier versuchte es da noch mal mit dem Hinweis darauf, dass bei großen Konzernen viele Existenzen auf dem Spiel stünden. „Auch bei Karstadt und Kaufhof arbeiten Zehntausende, Hunderttausende Menschen mit zum Teil kleinen Löhnen und Gehältern. Und wenn es darum geht, diese Arbeitsplätze zu erhalten, dann muss ich mich dafür nicht schämen.“

Russwurm war damit einverstanden, dass größeren Unternehmen auch im größeren Umfang geholfen werde, das sei aber kein Trost für die kleineren. Er präsentierte da einen anderen Vorschlag, ganz nach dem Motto: Wer schnell hilft, hilft doppelt. „Lasst uns im Zweifelsfall den Leuten schnell Geld geben und bei der nächsten Steuererklärung dann klären, ob sie vielleicht zu viel gekriegt haben.“

Dann könne man immer noch Rückzahlung fordern. Da dazu aber eine langwierige Gesetzesänderung notwendig wäre, die die Verknüpfung mit der Steuernummer datenschutzrechtlich ermögliche, sah Altmaier darin aber eben keinen schnelleren Weg.

Offene Läden dank App und Schnelltests

Etwas anderes trieb den neuen BDI-Präsidenten aber mindestens genauso sehr um. „Wir wissen nach einem Jahr noch nicht, wo sich die Menschen anstecken“, bemängelte er. Solches Wissen wäre aber Grundlage für beispielsweise die Öffnung des Einzelhandels.

Rostocks OB Claus Ruhe Madsen wusste aus seiner Stadt immerhin zu berichten, dass er im Handel kein besonderes Problem gehabt habe. Mit effektiver Kontrolle könne man offene Läden und gute Nachverfolgung gleichzeitig haben. Neben Schnelltests gehöre dazu etwa die digitale Erfassung von Ladenbesuchern.

Die Idee: Jeder Kunde scannt – etwa mit der „luca app“ – einen Code am Eingang und registriert sich. Im Problemfall bekommt er eine Nachricht auf sein Handy und hat die Chance, alle Kontakte der letzten 14 Tage ebenfalls zu informieren, da er ein genaues Protokoll hat, wann er wo gewesen ist – Geschäfte, Restaurants, Fitnessstudios und so weiter.

Die Entscheidung, die Daten freizugeben, bleibe aber bei jedem Einzelnen, betonte Madsen. „Wir fragen Sie, weil Sie sind Herr der Daten, dürfen wir einmal überall, wo Sie waren, Bescheid sagen.“