Der Sport geriet kurz vor dem Anpfiff des EM-Viertelfinales zwischen den Niederlanden und der Türkei zur Nebensache. Präsident Recep Tayyip Erdogan stand auf der Ehrentribüne, die türkischen Spieler hatten sich bereits auf dem Rasen aufgereiht, dann hallten die ersten Takte ihrer Nationalhymne durch das Berliner Olympiastadion.
In der Fankurve der Türken rund um das Marathontor und auch auf den anderen Tribünen erhoben in diesen Momenten einige Tausend Zuschauer ihre Arme zum Wolfsgruß. Teilweise wurden sie von der Uefa auf der Videoleinwand im Stadion eingeblendet.
Die Anhänger zeigten damit das Erkennungszeichen der Grauen Wölfe, wie die Anhänger der rechtsextremistischen „Ülkücü-Bewegung“ bezeichnet werden. Eine hellblaue Fahne der Grauen Wölfe wurde vor dem Spiel in der türkischen Kurve geschwenkt. Ebenso hing eine Flagge der MHP, drei Halbmonde auf rotem Grund, über dem türkischen Fanblock.
In der Türkei ist die ultranationalistische MHP ihre politische Vertretung und Bündnispartnerin der islamisch-konservativen AKP von Präsident Erdogan. Die Grauen Wölfe werden in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet, sind aber nicht verboten.
Türkische Fußball-Ultras hatten die Fans im Olympiastadion zum Zeigen des umstrittenen Wolfsgrußes aufgefordert. Alle Anhänger auf der Tribüne seien eingeladen, die Geste während der Nationalhymne zu machen, hieß es in einem Aufruf auf der Plattform X. Schon bei der Ankunft des türkischen Teambusses vor dem Hotel in Berlin am Freitagabend hatten Anhänger vereinzelt den Wolfsgruß gezeigt.
Während des türkischen Fan-Marsches vor dem Viertelfinale war dies ebenfalls der Fall. Die Polizei Berlin teilte auf X mit, man habe die Fans aufgefordert, dies zu unterlassen. „Ein Fanwalk ist keine Plattform für politische Botschaften“, schrieb die Behörde. Zwischenzeitlich stoppte die Polizei den Marsch, bevor sie ihn rund eine Stunde später ganz beendete. Grund seien „fortgesetzte politische Botschaften“ gewesen.
Debatte seit Demirals Wolfsgruß
Der Wirbel um den Wolfsgruß des türkischen Nationalspielers Merih Demiral hatte die Lage vor der EM-Partie in Berlin aufgeheizt. Demiral hatte die Geste im Achtelfinale gegen Österreich nach seinem zweiten Treffer gezeigt und war von der Uefa deshalb für zwei Spiele gesperrt worden. In der Türkei hatte die Entscheidung der Europäischen Fußball-Union teilweise Empörung ausgelöst.
Präsident Erdogan hielt die Kritik an Demirals Wolfsgruß-Geste für übertrieben. Der Spieler habe lediglich seine „Begeisterung“ gezeigt, kommentierte Erdogan laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu die Szene. Erdogan sagte weiter: „Sagt jemand etwas darüber, dass auf den Trikots der Deutschen ein Adler ist?“
Als Erdogan um 20.39 Uhr die Ehrentribüne des Olympiastadions betrat, brandete Jubel unter den türkischen Fans auf. Viele winkten dem Präsidenten zu und machten den Wolfsgruß. Der Präsident legte seine Hand auf die Brust und winkte seinen Unterstützern. Direkt hinter ihm saß während des Spiels Ex-Nationalspieler Mesut Özil.