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  3. Jubiläum: Die peinlichste Niederlage der Fußball-Nationalmannschaft

Sport Heute vor 80 Jahren

Die peinlichste Niederlage der deutschen Nationalmannschaft

Es stand auch schon mal schlimmer um die Nationalmannschaft

„Es darf kein Zweifel darüber bestehen, dass die Luxemburger Mannschaft einen verdienten Sieg errungen hat“, schrieb der Kicker damals. Am 26. März 1939 verlor Deutschland gegen den Fußballzwerg.

Quelle: WELT / Christoph Hipp

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Vor 80 Jahren blamierte sich die deutsche Nationalelf bei einem Fußballzwerg bis auf die Knochen. Der „Kicker“ nannte einen Spieler „Versager“. Die Niederlage kam jedoch durch Umstände zustande, die heute undenkbar wären.

Jeder deutsche Fußballfan kennt sie, die Orte, die für Schmach und Schande stehen. Cordoba, Gijon, Tirana und neuerdings auch Kasan. Wenn die Nationalmannschaft aus großen Turnieren ausscheidet, ist das Wort von der Blamage schnell gesprochen. 

Ebenso, wenn sie, wie 1967 in Albanien, ausnahmsweise mal eines verpasst. Fast schon egal, wie der Gegner heißt. Doch zeugt es von Arroganz und Unkenntnis, etwa Algerien (bei der WM 1982) oder Österreich (1978) als Fußballzwerge zu bezeichnen. Gegen einen solchen hat Deutschland nur einmal verloren – am Dienstag vor 80 Jahren in Luxemburg.

FuWo Luxemburg
Die „Fußball-Woche" berichtet über die Schmach von 1939
Quelle: FuWo

Länderspiel 158 ist längst vergessen, und es gab einige mildernde Umstände, aber im Grunde ist es die peinlichste Niederlage in der Geschichte der Nationalmannschaft. „Die ganzen äußeren Umstände machen uns überhaupt etwas sprachlos, daß wir dieses Spiel, dieses überlegen geführte Spiel verloren haben“, schrieb die Berliner „Fußball-Woche“ zwei Tage danach, am 28. März 1939. In Zeiten, da sich das nationalsozialistische Deutschland anschickte, sich den Kontinent untertan zu machen – gerade erst hatte man sich das Sudetenland einverleibt–, passten Niederlagen nicht ins Weltbild der Machthaber und der gleichgeschalteten Presse.

Wobei: Ganz so gleichgeschaltet war sie auch wieder nicht, der „Kicker“ etwa attestierte den Luxemburgern streckenweise eine „ausgesprochene Überlegenheit“. Fazit des Fachblatts: „Es darf kein Zweifel darüber bestehen, daß die Luxemburger Mannschaft einen verdienten Sieg errungen hat.“

„Elf hochklingende Namen“

Wie kam es zur Blamage von Differdingen? Um der Wahrheit die Ehre zu geben, es spielte nicht Deutschlands bestes Aufgebot. Zu den Merkwürdigkeiten jener Dekade zählte es, dass der DFB (damals umbenannt in „Fachamt Fußball im Reichsbund für Leibesübungen“) die seltenen Länderspieltermine nutzte, um zuweilen zwei Spiele an einem Tag auszutragen.

So hatte ein März-Länderspiel in Luxemburg für die zweite Garde schon Tradition. Wie 1937 (3:2) und 1938 (2:1) testete man Kandidaten für die erste Garnitur, die 1939 am selben Tag in Florenz spielte. Dort war auch Reichstrainer Sepp Herberger, den in Differdingen sein Assistent Emil Melcher vertrat. Die „Fußball-Woche“ sprach trotzdem von „elf hochklingenden Namen“, was zur damaligen Zeit seine Berechtigung gehabt haben mag.

Immerhin stand in Abwehrchef Reinhold Münzenberg ein Vertreter der mythischen Breslau-Elf im Team, aber es liefen sechs Debütanten auf. Für drei war das erste auch das letzte Länderspiel, was im Falle des Ulmer Mittelläufers Alfred Picard am wenigsten verwunderte. Ihm wäre noch rückwirkend zu wünschen, dass er keine Zeitung gelesen hat nach seinem fatalen Debüt. „Ein fast vollständiger Ausfall“ nannte ihn die „Fußball-Woche“, „ein Versager“ war er für den „Kicker“.

FuWo Luxemburg 2
Starke Luxemburger Abwehr...
Quelle: FuWo

Die Ermittlung von Sündenböcken gehörte zu allen Zeiten zur obersten Journalistenpflicht, das Volk verlangte es. Wie kam es zur unerwarteten Niederlage gegen ein Land, das 1939 nur 300.000 Einwohner und 76 Fußballvereine hatte? In den Analysen finden sich Hinweise auf „fehlende Robustheit“ und „Unterschätzung des Gegners“, den Deutschland in der WM-Qualifikation 1934 noch 9:1 und bei Olympia 1936 in Berlin locker 9:0 weggefegt hatte.

Lag es an der freundlichen Aufnahme? Am Vorabend ging es ins Cabaret, am Spieltag zum Rathausempfang. Auf dem mit Schnee bedeckten Spielfeld war es mit der Freundschaft schnell vorbei. Dabei ging Deutschland nach 90 Sekunden durch einen Freistoß des Sachsen Erich Hänel vom BC Hartha in Führung. Alles lief programmgemäß für die Elf, aus der Herberger sich eine Olympiaauswahl basteln wollte. Helsinki erwartete die Völker der Welt 1940, die wegen des Kriegsausbruchs im September 1939 dann doch erst 1952 kamen.

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In Luxemburg empfahlen sich ohnehin nur wenige für höhere Aufgaben. Einer von ihnen war der Torwart von Niedersachsenmeister VfL Osnabrück – Heinz Flotho. Der Debütant machte zahlreiche Chancen der nach dem Rückstand wütend anrennenden Luxemburger zunichte und war „der größte Gewinn von diesem Spiel“ („Kicker“). Den Ausgleich nach 18 Minuten konnte er nicht verhindern, der offizielle Torschütze hieß Mart, aber den letzten Kick gab dem Ball Ludwig Männer von Meister Hannover 96.

Besonders peinlich: Luxemburg glich in Unterzahl aus, Linksaußen Kemp war verletzt und kam erst nach der Pause wieder. Auswechslungen waren damals nicht erlaubt, selbst zehn Luxemburger waren trotzdem nicht zu bezwingen – und als sie nach etwa einer Stunde wieder komplett waren, bekamen sie Oberwasser.

Grober Klotz

Zwar gingen sie ordentlich „auf die Knochen“, wie die „Fußball-Woche“ monierte, aber die rund 10.000 Zuschauer feierten sie. Die Deutschen versuchten, fast alles spielerisch zu lösen und „das Hauptgewicht auf die spielerische Überlegenheit zu legen“. Statt „auch einmal auf einen groben Klotz einen groben Keil zu setzen.“

Das durfte auch der Ulmer Picard auf sich beziehen, der sich mit allzu zaghaftem Einsatz in der 87. Minute den Ball abjagen ließ, den Mart aus 20 Metern eindrosch. Fertig war die Sensation, und „das Stadion war vor Freude toll“ („Kicker“). Das große Strafgericht blieb den Verlierern erspart, hatte doch die erste Garnitur beim amtierenden Weltmeister Italien am selben Tag ein mehr als respektables 2:3 errungen. So fiel die bis heute einzige Pleite gegen Luxemburg, der zwölf Siege gegenüberstehen, allmählich der Vergessenheit anheim.

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