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  3. Hamburger SV: Vorsicht im Abstiegskampf - der HSV hat himmlische Hilfe

Meinung Abstiegskampf

Vorsicht! Der HSV hat Beistand vom Fußballgott

Im Bundesliga-Abstiegskampf tobt mal wieder der Wahnsinn. Auch 2017 werden in der Schlacht um den Klassenerhalt viele Gesetzmäßigkeiten außer Kraft gesetzt. Weshalb der HSV kühne Hoffnungen haben darf.

Seit Menschengedenken schlagen sich die Gelehrten die Köpfe ein bei der Frage, welcher Nationalität der Fußballgott angehört. „Gott ist Brasilianer“, ahnt Pele, während Maradona, der durch die Hand Gottes Weltmeister wurde, eisern schwört: „Er ist Argentinier.“

Alles Blabla: Gott ist Hamburger.

Der HSV geht einfach nicht unter, selbst auf wogender See und bei wildestem Wellenschlag wird er vom Glück verfolgt wie früher Kolumbus: Der wollte nach Indien, verfuhr sich – und entdeckte aus Versehen Amerika. Auch der HSV entkommt jedem Schiffbruch und ist aus Versehen immer noch in der Bundesliga. Dabei waren die Hamburger vor zwei Jahren in der Relegation gegen den KSC schon abgestiegen, es war bereits fünf nach zwölf, aber der Schiedsrichter verschlief irgendwie den Abpfiff, schenkte dem HSV zum Abschied und Abstieg noch einen Gnadenfreistoß – und Marcelo Diaz traf.

Sepp Herbergers infame Lügen

Diesen Samstag hat man daran wieder denken müssen. „So ein Drehbuch kann man nicht schreiben“, sagt Manuel Baum – hinter diesem verrückten vorletzten Spieltag, ahnt der Trainer des FC Augsburg, können nur Himmel oder Hölle stecken, also der Allmächtige oder der Teufel, sonst wäre der HSV jetzt im Eimer.

Wie damals in Karlsruhe war das Spiel eigentlich aus. 0:1 lagen die Hamburger auf Schalke hinten, die Mainzer und Augsburger waren aller Sorgen ledig, und weit weg in Freiburg holten die Ingolstädter lachend den Rechenschieber raus und dachten: Das passt – am nächsten Samstag gewinnen wir und ziehen am HSV vorbei. Aber der Schiedsrichter auf Schalke zog nicht mit, und spätestens jetzt ist klar, dass unser deutscher Altvater Sepp Herberger die zwei infamsten Lügen der Fußballgeschichte ausstieß, als er sagte: Der Ball ist rund, und ein Spiel dauert 90 Minuten.

Im Abstiegskampf ist der Ball beim Anpfiff oval, er wird dann im Laufe des Spiels achteckig und in der Nachspielzeit vollends zu einer so krummen Gurke, dass ihn sogar Pierre-Michel Lasogga wieder trifft: Der HSV-Sturmtank war 13 Monate lang ein erfolgloser Stolperer, aber jetzt hat er sich das Ding mit dem linken Fuß gegen den rechten gestochert, und irgendwie trudelte der Ball ins Schalker Tor.

FC Schalke 04 v Hamburger SV - Bundesliga
Vom Heiland gelenkt: Pierre-Michel Lasogga trifft zum 1:1 auf Schalke
Quelle: Bongarts/Getty Images

Die Ingolstädter fielen nach dieser Willkür des Wahnsinns und ihrem Last-Minute-K.-o. fernab in Freiburg tot um, aber der HSV-Herrgott war noch nicht fertig mit ihnen, ihre emotionale Achterbahnfahrt begann erst. „2:1 für Schalke!“ brüllte plötzlich einer, die Bayern waren wieder gerettet, bejubelten das Wunder – und stürzten im nächsten Moment noch tiefer: Der Linienrichter in Schalke hatte die schärfsten Augen der Welt und sah den Eckball auf dem Flug vors Tor in der Luft im Aus.

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„Zu einer solchen Entscheidung in der letzten Minute gehört Mut“, riss sich Schalkes Trainer Markus Weinzierl später am Riemen, denn eigentlich wollte er eher sagen, dass so ein Linienrichter an der Torlatte aufgehängt gehört. Weinzierl sah so zornig aus wie Schalkes unvergesslicher Manager Rudi Assauer anno 2001, als der FC Bayern den Königsblauen in der 93. Minute noch die Meisterschaft entriss und Assauer nach dem späten Sekundentod fluchte: „Der Fußballgott ist für mich erledigt.“

Vor allem im Abstiegskampf konvertieren inzwischen viele zum Atheismus, denn der Allmächtige des Fußballs braucht diesen finalen Thrill offenbar wie ein Süchtiger, ändert in der letzten Sekunde die Flugbahn eines Flatterballs und lässt die Kicker tanzen wie Marionetten im Puppentheater – mithilfe der Schiedsrichter, die als seine Stellvertreter in der Basisstation der Stadien jedes Jahr dafür sorgen, dass so ein Abstieg nicht ohne Schmerzen und Tränen abgeht.

So kämpft Streich nach dem Spiel gegen die Tränen an

Quelle: N24

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Freiburgs Trainer Christian Streich hatte für die Ingolstädter Lob und Mitleid parat: „Die haben gebissen und gekratzt. Die haben alles reingenagelt, was man reinnageln kann, im wahrsten Sinne des Mordes.“ Er hat wirklich Mord gesagt, aber selbst wenn er Wort sagen wollte, ist so ein Abstieg ein schrecklicher Tod. Selbst für die, die ihm gerade noch von der Schippe springen.

Reiner Calmund frisst den Abstiegsfrust einfach auf

Rudi Völler, der Leverkusener Sportchef, ist auch am Samstag noch mal wie ein Zappelphilipp entnervt von der Tribüne geflüchtet, vorbei an Reiner Calmund, der ihm besorgt nachgeschaut hat. Calli war ja mal Völlers Vorgänger, und er ist mit der Abstiegspanik per Du. Als es schon vor Jahren für Bayer einmal eng wurde, ging er ohne Leibarzt gar nicht mehr zum Spiel.

Der Internist Dr. Karl-Heinz D. saß als sein Schutzengel schräg hinter ihm, und wenn Calmund nach unten in die Kabine stürzte, um die Versager zusammenzustauchen, war auch dort vorgesorgt: Der Medizinmann Trzolek stand mit dem Notfallkoffer parat, von der Kochsalzinfusion über das gefäßerweiternde Nitrospray bis zur Zungenzange – „falls“, wie eine Zeitung vermeldete, „Calmund ohnmächtig wird und die Zunge verschluckt“. Alles hat der dicke Calli in sich hineingefressen, was ihm an Schweinshaxen und Abstiegsfrust begegnete, und damals warnte ihn Völler: „Es gibt auch ein Leben vor dem Tod.“

Das ist Abstiegskampf. Und es wird immer schlimmer. In Wolfsburg dauerte das Spiel gegen Gladbach jetzt sogar schon zwanzig Minuten länger. „Wir waren am Drücker, wir hätten gewonnen“, ahnte Mario Gomez, „aber dann kommen Donner, Blitz und Hagel.“ Der Himmel öffnete die Schleusen. „Das war der Fußballgott“, sagt Gomez.

Es gibt kein Entrinnen. Auch Martin Schmidt, der Mainzer Trainer, wird sich an diesen Samstag auf ewig erinnern: „Für mein Herz war das gar nichts. Das waren die schlimmsten Minuten, die ich als Trainer erlebt habe.“

Der Abstiegskampf ist inzwischen der Höhepunkt der Bundesliga und ersetzt als Finale furioso die Langeweile an der Spitze. Sobald die Spiele im Grunde vorbei sind, beginnt der Wahnsinn, und die Ereignisse überschlagen sich. Am Samstag sind die Dinge fast so ausgeartet wie die dramatische Schaltkonferenz vom Finale der Saison 1998/99. „Tor in Rostock, Tor in Nürnberg, ich fass es nicht, ich halt das nicht mehr aus, und er müsste schießen – Tooooor, Tooooor – Hallo, hier ist Nürnberg! Wir melden uns vom Abgrund, denn das Spiel ist aus!“ So hat sich in jenem finalen Inferno Günter Koch vom Bayrischen Rundfunk, ein bekennender Cluberer, mehrmals förmlich im eigenen Herzblut ertränkt, und auf vier weiteren Plätzen sind seinen Kollegen in jenen Schlussminuten die Haare ausgefallen, Stimmen haben sich überschlagen, Stimmen haben versagt, und scharenweise wurden die Kommentatoren abends in die Klapsmühle eingeliefert.

Markus Gisdol sollte einfach nur beten

Warum fallen ständig solche Tore, jenseits der Last-Minute-Frist? Können die Schiedsrichter vor Müdigkeit die Uhr nicht mehr lesen? Sind die Kicker mit dem Kopf schon unter der Dusche? Wenn mit den Kräften die Konzentration nachlässt, werden sogar die Reporter kopflos. Als bei einem Länderspiel einmal der vierte Unparteiische am Spielfeldrand in der 90. Minute eine Tafel mit der Zahl „1“ hochhielt, schrie Gerd Rubenbauer in sein ARD-Mikrofon: „Jetzt wechselt Jamaika den Torwart aus!“ Dabei wollte der Offizielle nur eine Minute Nachspielzeit signalisieren.

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Der Stress in den letzten Schrecksekunden ist aber vor allem für die Schiedsrichter und die Spieler grausam. Sie werden gepackt von der nackten Torschlusspanik, die Zeit läuft ihnen davon und sie spüren: Wenn wir noch irgendeinen Mist bauen wollen, müssen wir es es jetzt tun, und zwar ganz schnell. Und im nächsten Moment winkt dann beispielsweise ein Linienrichter bei einem Eckball und sagt: „Der Ball war in der Luft im Aus.“

Nächsten Samstag geht es nun um alles, und zum letzten Mal in dieser Saison gelten die Gesetze des Gottesdiensts: Solange gesungen wird, ist die Kirche nicht aus.

Wen erwischt es? Wer muss in die Relegation? „Es wird im Kopf entschieden“, glaubt Mario Gomez vor dem Herzschlagfinale seiner Wolfsburger, und von allen Beteiligten hört man darüber hinaus vor dem D-Day die üblichen Durchhalteparolen und Worthülsen, die aufgepumpt sind mit heißer Luft. Wolfsburgs Trainer Joncker übt angeblich schon an der früher von Peter Neururer erfolgreich durch manche Kabine geschmetterten Sprechblase: „Ihr müsst so heiß sein, dass Ihr mit Euren Händen Hosen bügeln könnt.“

HSV-Trainer Markus Gisdol hat es leichter. Er muss nur beten. Schließlich ist der Fußballgott ein Hamburger.

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