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  4. Das Médoc als Geheimtipp für Spitzenweine und Urlaubsspaß am Atlantik

Weinland Frankreich Médoc

Ein Hauch von Salz im Glas

Im Château Lagrange schlummern noch Weine von 1879 im Keller Im Château Lagrange schlummern noch Weine von 1879 im Keller
Im Château Lagrange schlummern noch Weine von 1879 im Keller
Quelle: Matthias Stelzig
Zu Gast im Médoc zwischen der Gironde, der Atlantikküste und dem Becken von Arcachon mit seinen Austernbänken: Über Verkostungen auf historischen Schlossgütern, feine Weine auch für den bürgerlichen Geldbeutel und Urlaubsspaß am Atlantik.

Das Meer ist keine Viertelstunde von hier“, schwärmt Élise. „Man kann es riechen.“ Die Winzerin taucht noch mal mit der Nase in ihr Weinglas. Ihr geht es weniger um Strandurlaub als um die Aromatik ihres Weins. Das Seeklima beeinflusst den Weinbau, wenn salzige und jodige Winde über die Reben wehen und sich auf den Blättern ablagern.

„Nuancen davon finden sich später auch im Wein.“ Klingt ein bisschen abseitig, aber wenn man es einmal bewusst wahrgenommen hat, ist die salzige Note sehr deutlich. Und gerade solche Töne, die dem Einfluss von Boden und Wetter geschuldet sind, lieben Weinfreaks.

Das Médoc nördlich der Stadt Bordeaux zwischen der Gironde, der Atlantikküste und dem Becken von Arcachon mit seinen Austernbänken haben dieses Klima und sehr geeignete Böden zur wohl berühmtesten Appellation der Welt gemacht. Namen wie Lafite-Rothschild oder Château Margaux kennt fast jeder.

„Ohne großen Namen“, klagt Élise, „ist es ungleich schwerer.“ Gemäß der berühmten Klassifikation von 1855, die bis heute gilt, zählen nämlich nur 61 von damals 4000 Weingütern im Médoc zu den sogenannten Grands Crus Classés. Auf die übergroße Mehrheit färbt der Ruhm bis heute nicht ab.

Rinder mit cremeweißem Fell

Um Élises Weingut St.-Hilaire weiden ein paar großgewachsene Rinder mit cremeweißem Fell. „Die Blonde d’Aquitaine gelten als eine der besten Fleischrassen“, erzählt Élise stolz und dass die Kühe ihre Babys lange behalten dürfen. Das Fleisch ist butterzart und passt perfekt zum Cru Bourgeois mit seinen Kaffeenoten. „Ein zweites Standbein“, sagt Élise, „kann auch nicht schaden“.

Andere verkaufen ihre Trauben direkt an eine Genossenschaft. Das macht weniger Arbeit, und man bekommt wenigstens sein Geld. „In Frankreich“, sagt Jacques Tachou, „wird jede zweite Flasche Wein von einer Kooperative abgefüllt“.

Wir schlendern an modernen Maschinen und Stahltanks vorbei, die aussehen wie Raketensilos, „zwei Millionen Flaschen, stets am Lager“, sagt der Exportchef von Cave de Listrac. Die Genossenschaft füllt 17 Marken ab, für Supermärkte und Ketten, früher sogar für die 50 schicken Speisewagen der Bahn.

Was qualitativ möglich ist, erfahren wir beim Mittagessen. Zwei Crus Bourgeoises, also die Qualitätsstufe unterhalb der Grands Crus zeigen elegante Frucht, ein paar Kräuter, einen kühlen Mineralton und vor allem geschliffene Tannine. Die gehören zu den schwierigeren Übungen im Médoc, vor allem wenn die Cabernet Sauvignon-Trauben nicht ausgereift sind.

100 Kilometer Sandstrand

Auch das Café Lavinal in Bages ist gut gewählt. Der Koch hat ein ris de veau, ein Kalbsbries mit einer Weißweinsauce gezaubert. Ein typisches Bistro-Essen in Frankreich. Überhaupt wirkt das Restaurant wie aus einem Reiseführer, genauso wie der Dorfplatz davor mit Charcutérie, Feinkostgeschäft und Fahrradladen. Hier könnte Jean-Paul Belmondo mit einer Zigarette im Mundwinkel um die Ecke kommen.

Bistroessen gibt es im Café Lavinal in Bages, zum Beispiel Kalbsbries mit Weißweinsauce
Bistroessen gibt es im Café Lavinal in Bages, zum Beispiel Kalbsbries mit Weißweinsauce
Quelle: Matthias Stelzig
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Das Ensemble wurde mit Sponsorengeld aufgebaut, um den Tourismus anzukurbeln. Und das scheint zu funktionieren, der Laden ist voll, und auch der Fahrradverleih ist keine Kulisse. Radtouren führen durch Weingärten, Dünen, Kiefernwälder, zu riesigen Binnenseen und den zahllosen cabanes ostréicoles, den Restaurants mit den berühmten Austern aus dem Becken von Arcachon.

Das Médoc ist aber nicht nur für eine Sorte Tourismus gut. An der Westküste mit über 100 Kilometern Sandstrand quartieren sich Urlauber in den Seebädern mit ihrer Fin de siècle-Architektur ein oder auf einem der zauberhaften Campingplätze in den Dünen.

Surfer lieben den Wind, Paraglider ziehen über die Düne von Pilat, andere klettern zumindest mal die 110 Höhenmeter rauf. Auf der Ostseite in der Gironde schweben Taucher um Schiffswracks. Noch etwas ruhiger lassen es Golfurlauber in den Ressorts angehen.

Biodynamie und ökologischer Fußabdruck

Wer möchte, kann fast jede Aktivität mit einem Weingutsbesuch verbinden, sogar auf einem der großen Châteaux. Dort staunt man nicht schlecht, welche traumhaften Profite die Schlossherren in vergangenen Jahrhunderten einfuhren. Bei allem Prunk heißt das aber nicht, dass sie heute keine Probleme haben.

Château Lagrange steht auf der Liste von 1855, muss sich aber auch damit abfinden, dass vor allem jüngere Weintrinker bitterharte Cabernet Sauvignons nicht mehr für das Maß aller Dinge halten. Moderne, zugängliche Weine sind angesagt, am besten Bio.

Vokabeln wie Biodynamie und ökologischer Fußabdruck gehören hier längst ins Repertoire. „Wir haben jeden Stein umgedreht“, versichert Direktor Mathieu Bordes. Nach Bodenanalysen unterscheidet Lagrange 103 verschiedene Bodentypen, deren Trauben alle einzeln vergoren werden. Ein enormer Aufwand.

Am Arbeitsplatz des Önologen im Weinkeller flimmern Skizzen der Gärtanks mit jeder Mengen Kennzahlen über zwei Bildschirme. Zur Kellerausstattung gehört eine Maschine, die jede einzelne geerntete Weintraube optisch erfasst. Stimmt etwas nicht, schießt ein Druckluftstrahl die Beere gezielt vom Laufband. Zwei Millionen Euro kostet der Spaß.

Ein Milliardär aus Tennessee

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Solche Unternehmen haben richtig Kapitalbedarf und können auch pleitegehen. Dann kommt oft ein Investor ins Spiel. Vor ein paar Tagen erst erwischte es Château Lascombes im nahen Margaux. Ein Milliardär aus Tennessee gönnte sich das Gut, angeblich für einen dreistelligen Millionenbetrag.

Weil konservative Bordelaiser samt ihrer treuen Kundschaft ihr teures Hobby als aktiven Beitrag zur Hochkultur sehen, rümpfen sie über Ausländer die Nase. Lagrange wurde 1983 als erstes von einem asiatischen Unternehmen, dem japanischen Konzern Suntory gekauft, das einige der besten Whiskeys der Welt herstellt. Der Konzern überwies 14 Jahre lang jedes Jahr Millionenbeträge – und verlor Geld.

„Sie wussten“, sagt Mathieu, „mit einem Weingut kann man nur langfristig Erfolg haben“. Das ist gelungen. Ein Jahrgang nach dem anderen zeigt unglaubliche Finesse und Länge, ohne jemals schwer zu sein, je älter desto komplexer. Eben so, wie Bordeaux Grand Cru sein soll. Im Keller schlummern Jahrgänge bis 1879. Der japanische Koch serviert an diesem Abend Gambas in Tempura und Rinderfilet mit Wasabi-Pesto. Ein zweites Standbein kann auch nicht schaden.

Die Recherche zu diesem Artikel wurde unterstützt vom Branchenrat für Bordeaux-Wein, CIVB. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit

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