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Bordeaux Neuer Weinstil

Bordeaux kennt keine Grenzen mehr

Bordeaux Weinfest Bordeaux Weinfest
Arbeiter errichten eine Kulisse für die "Fete du vin", das Weinfest in Bordeaux, das alljährlich im Sommer stattfindet. Innenstadt und umliegende Weingüter verwandeln sich dann für... vier Tage in ein Paradies für Weinfreunde
Frisch, lebendig, leicht und freundlich: Weine aus dem Bordelais zeigen neuerdings eine bislang unbekannte Seite. Abseits der weltberühmten Châteaux brechen neue Winzer mit der Tradition.

Immer wenn Osamu Uchida die Garage verlässt, in der er seinen Wein macht, fällt sein Blick auf das weltberühmte Château Mouton-Rothschild in Pauillac. Dort, nördlich von Bordeaux, steht die Bankerdynastie der Rothschilds seit Mitte des 19. Jahrhunderts für Luxus pur. Zehn Kilometer entfernt in Cissac lebt der weinbegeisterte Japaner in einer Weinarbeitersiedlung. „Ich liebe das Médoc“, sagt Uchida, „aber ich versuche, nicht das Gleiche zu machen wie die anderen. Einen Médoc-Wein, aber japanisch präzise und minutiös gearbeitet.“

Uchida steht symbolisch für die neue Kreativität, die das Bordelais erfasst hat. Gewiss verbringt die Mehrheit der roten Bordeaux’ weiterhin zwölf Monate und mehr in kleinen, 225 Liter fassenden Barriquefässern aus Eichenholz. Während dieser Zeit rundet ein minimaler Luftkontakt durch die Dauben der Fässer die Weine ab und gibt ihnen Gewürz- und Röstnoten mit auf den Weg.

Dieses aromatische Profil begeistert zwar seit jeher viele Weintrinker, doch geht bei seiner Entstehung oft das ursprüngliche Fruchtaroma der Trauben verloren. Gegen dieses Phänomen sträuben sich insbesondere junge Winzer. Sie möchten im Gegenteil die Frucht hervorkehren, als das Ergebnis ihrer Arbeit im Weinberg. Und sie schwärmen von Weinen, die man bedenkenlos, mit Spaß und ohne besonderen Anlass genießen kann. Das neue Credo lautet: Ohne Holz, ohne Chemie, ohne Pomp.

Ein Credo, das der Japaner Uchida teilt. Seit er vor 18 Jahren seine Leidenschaft entdeckte, hat er über 300 Châteaux besucht, auf vielen ein Praktikum absolviert und Önologie studiert. Seine Cabernet-Sauvignon-Rebstöcke pflegt er akribisch wie ein Gärtner. Eine Arbeitsweise, die ihre Wurzeln durchaus in seiner Heimat haben kann. Auch dort werden die klassischen französischen Rebsorten Merlot, Chardonnay und Cabernet Sauvignon angebaut.

Lange Tradition in Japan

Doch der Aufwand, um sie in dem klimatisch komplexen Land vor Fäulnis zu schützen, ist weit größer als im Bordelais. So wurde in Japan im 17. Jahrhundert die Anbauform „Tanazukuri“ entwickelt, bei der die Reben quasi waagerecht wie auf einer Pergola wachsen und die Trauben daran herabbaumeln. Schon das allein mag manchem Mitteleuropäer mehr als Kunsthandwerk denn als Weinbau erscheinen.

Nicolas Pons
Nicolas Pons, Winzer auf Sentout in Lignan-de-Bordeaux, wo er auch ein Rock-Festival veranstaltet, bei dem er regelmäßig selbst auftritt

Als ‚vigneron artisan’ sehen sich auch Nicolas und Karina Pons. Sie haben sich auf ihrem 15 Hektar großen Gut Sentout in Lignan-de-Bordeaux am rechten Ufer der Garonne und im direkten Einzugsgebiet der Metropole diesem Leben als ‚Winzer-Handwerker’ verschrieben. „Wir versuchen, mittels einfacher Schritte Emotionen auszulösen“, definiert Nicolas den Begriff. „Und wir versuchen, andersartige Weine anzubieten und uns dadurch zu profilieren.“

2007 hat er das Gut von seinem Vater übernommen und wenig später vor Ort auch das Musikfestival „Rock in Sentout“ ins Leben gerufen. Immer Anfang Juli steht der Winzer und „Musik-Handwerker“ als Gitarrist und Sänger auf der Bühne in Sentout. Mancher vergleicht denn auch den Wein des Hauses mit vitalisierender Rockmusik.

Ein paar Kilometer Richtung Osten führen die Schwestern Marie und Sylvie Courselle ebenfalls das väterliche Weingut fort. Allerdings kreieren sie auf Château Thieuley als eingespieltes Duo unter dem Namen „Les Deux Sœurs“ („Die zwei Schwestern“) ihre eigene Weinlinie.

So schafften Kork-Hersteller das Comeback

Jahrelang wurden immer weniger Weinflaschen mit Korken verschlossen - andere Materialien waren billiger und weniger geschmacksintensiv. Jetzt erlebt der Natur-Kork aber ein Comeback.

Quelle: N24/ Lukas Axiopoulos

Beide sind diplomierte Profis, haben jahrelang die weite Weinwelt bereist, Erfahrungen und Ideen gesammelt. „Mit ‚Les Deux Sœurs‘ wollen wir einen viel moderneren Roten anbieten“, hebt Sylvie hervor. „Wir wollen in jedem Jahr zeigen, dass man in Bordeaux sehr fruchtige, saftige, interessante Weine mit schöner Komplexität machen kann, ohne sie in Barriques auszubauen“.

Weit entfernt von Billigware

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Auch der Japaner Uchida verzichtet auf die 225 Liter kleinen Barriques. „Ich mache meinen Wein in 500-Liter-Fässern, von denen ich den Deckel entferne“, sagt der 36-Jährige. Die Fässer stehen in der Garage, die ersten 2200 Flaschen wurden 2015 gefüllt. „Miracle“ (Wunder) steht auf dem Etikett: ein frischer Roter mit Finesse und nur 11,6% Alkohol. Eine Flasche vom kleinen Wunder kostet 30 Euro. Neugierige ordern per Mail direkt beim japanischen Bordeaux-Winzer (osamuuchida@live.fr).

Billigware muss es also noch lange nicht sein, nur weil ein Japaner den Bordeaux herstellt. Übrigens nichts Ungewöhnliches. In Japan wird der Markt von fünf großen Herstellern beherrscht. Einer davon ist Suntory, das nicht nur das einheimische Weingut Tomi-no-Oka Winery betreibt. Suntory hat auch das Sagen auf den beiden Châteaux Lagrange und Beychevelle, beides hochklassifizierte Weingüter im Bordelais.

Die japanische Faszination für französische Weine kommt nicht von ungefähr. Über Jahrhunderte galt Wein in Japan als gesund und wurde als Träger von Medizin eingesetzt. Mit der ersten Weltausstellung auf asiatischem Boden, die 1970 nahe der japanischen Stadt Osaka stattfand, setzte ein kleiner Boom des französischen Weins ein. Als Anfang der 1990er Jahre der Herzspezialist Serge Renaud von der Universität Bordeaux das ‚Französische Paradox’ formulierte, war es um die gesundheitsbewussten Japaner geschehen.

Terroir, das Frische und Mineralität schenkt

Renaud hatte beobachtet, dass Franzosen trotz ihres Hangs zu fetten Speisen und roten Weinen eine deutlich höhere Lebenserwartung hätten als etwa Deutsche oder Amerikaner- Letztere erlitten dreimal so viele Herzinfarkte wie Franzosen. Der Forscher schloss daraus, dass insbesondere Rotwein die koronalen Gefäße schütze. So bekam der französische Rotwein in Japan den Nimbus des überaus Wertvollen, ja geradezu Verehrungswürdigen, Heiligen.

Ludovic Martial bei der Arbeit auf Château Peyrat im Grave-Gebiet. Er arbeitete lange als Weinhändler, bevor er mit seinem Bruder und vielen Freunden unter die Winzer ging
Ludovic Martial bei der Arbeit auf Château Peyrat im Grave-Gebiet. Er arbeitete lange als Weinhändler, bevor er mit seinem Bruder und vielen Freunden unter die Winzer ging

Solch Pathos irritiert Asiaten deutlich weniger als Europäer. „Lasst die Pflanzen gedeihen, ihren Ausdruck finden und so eine Symbiose zwischen den Elementen schaffen.“ Der Satz statt allerdings nicht von einem Japaner, sondern von den Brüdern Ludovic und Damien Martial auf Château Peyrat in Cérons im Grave-Gebiet. Der eine hat seinen Weingeschmack über 15 Jahre als Fachhändler in Bordeaux geschärft. Der andere war parallel als Weinmacher auf verschiedenen Grand Crus-Weingütern, also jenen mit den besten Lagen, tätig.

„Wir hatten schon lange den Traum, uns zusammen als Winzer niederzulassen“, erzählt Ludovic. Heute sind sie gemeinsam mit dem Weinwirtschaftsexperten Aurélien Dulor und mit 27 Freunden und Bekannten als Grundbesitzergemeinschaft Herren über 17 Hektar Rebstöcke auf besten Kalkböden. „Wir haben ein Terroir, das Weine von unglaublicher Frische schenkt“, freut sich Ludovic. Mineralische weiße Cuveés aus Sémillion und Sauvignon sowie peppige Rote aus Merlot und Cabernet, ausgebaut im zunehmend beliebten Betontank.

Die neuen Winzer des Bordelais – welcher Nationalität sie auch immer entspringen –  suchen sich ihren eigenen, individuellen Weg zum Wein, vom biodynamischen Anbau bis zum unorthodoxen Ausbau. So entstehen jenseits der starren Dogmen der Tradition Weine, die das aromatische Potenzial der alteingesessenen Rebsorten neu ausreizen. Es sind Weine, die man öffnet, wenn überraschend Freunde vorbeikommen. Sie zeichnen sich durch zugängliche Lebendigkeit und Leichtigkeit aus. Und nicht zuletzt durch meist sehr moderate Preise.

Das sind die besten Weinhändler im Internet

Wein im Internet zu bestellen ist bequem und mitunter sogar günstiger als im stationären Handel. Gemeinsam mit N24 hat die DtGV getestet, wo Lieferung und Preis am besten sind.

Quelle: N24/ Dietmar Deffner

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