Gefühlt zwei Stockwerke führen die restaurierten Stufen hinauf auf die mittelalterliche Stadtmauer von Alcúdia. Erst hier oben wird deutlich, wie massiv das Bauwerk ist, das die Stadt im Nordosten Mallorcas im Laufe der Jahrhunderte vor Piratenangriffen und Aufständischen schützte.
In rund sechs Metern Höhe führt der Weg an Zinnen und Wehrtürmen vorbei, rechter Hand der Blick auf die Bucht von Alcúdia und die Ausläufer des Tramuntana-Gebirges. Links die Dächer der Altstadt, Terrassen und Gärten mit Orangenbäumen.
Zwar gelangten Besucher auch schon früher auf die Stadtmauer aus dem 14. Jahrhundert, die besterhaltene Mallorcas. Aber erst seit den Restaurierungsarbeiten von 2019 lässt sich praktisch ununterbrochen auf dem historischen Bauwerk flanieren, fehlende Teilstücke wurden durch hölzerne Stege überbrückt. Was vor 2019 eher links liegen gelassen wurde, hat sich inzwischen zur Attraktion entwickelt – immer mehr Besucher erklimmen das historische Bauwerk und machen beständig Erinnerungsfotos.
Die wenigsten Urlauber wissen allerdings, dass sie die Renovierung der Stadtmauer zum Teil mitfinanziert haben: über die Touristensteuer, die die Balearen seit 2016 von jedem Gast erheben. Bis Ende 2023 sind knapp 700 Millionen Euro zusammengekommen.
Die Abgabe fördert nachhaltigen Tourismus
Immerhin haben die Touristen einen konkreten Vorteil von der Zwangsabgabe – sie ist zweckgebunden. Und das heißt: Sie wird für Projekte verwendet, die einem nachhaltigen Tourismus dienen. Das kann ein konkretes Umweltschutzvorhaben sein, aber auch die Förderung touristischer Aktivitäten in der Nebensaison oder das Bewahren des historischen und kulturellen Erbes der Balearen.
Unterm Strich ist die Steuer also keine bloße Abzocke, sondern eine Art Gegengeschäft, von dem Urlauber zumindest indirekt profitieren. Allerdings läuft nicht alles rund, einige Vorhaben hängen seit Jahren im bürokratischen Gestrüpp fest.
In die Kategorie „Bewahren des historischen Erbes“ fällt die Aufmöbelung der Stadtmauer in Alcúdia. Immerhin 440.000 Euro sind aus der Steuer in dieses Projekt geflossen. Einziger Hinweis darauf vor Ort ist eine Plakette neben einer der Treppen. „Projecte finançat amb fons de l’impost del turisme sostenible“ steht dort auf Mallorquinisch, „Projekt finanziert mit Mitteln der Steuer für nachhaltigen Tourismus“.
Die anfängliche Kritik von Hoteliers und Konservativen an dem Projekt der damaligen Linksregierung ist verstummt – angesichts immer neuer Besucherrekorde wirkt die Steuer offensichtlich nicht als Wettbewerbsnachteil, und natürlich sind auch die Einnahmen willkommen. Die seit 2023 regierende konservative Volkspartei (PP) behält die Abgabe nicht nur bei, sondern nutzt sie inzwischen für grünes Marketing.
Eine Herberge für Wanderer im Südwesten von Mallorca
Man werde rund 350 Millionen Euro aus der Steuer in die Wasserwirtschaft, Verbesserungen der Infrastruktur, Ausbildung, Kultur und Sport investieren, verkündete Marga Prohens, neue Ministerpräsidentin der Balearen, Anfang März auf der weltgrößten Tourismusmesse ITB in Berlin. 74 Millionen dieser Summe stammen noch aus dem vorigen Jahr. Die Inselregierung rechnet weiter mit sprudelnden Einnahmen aus der Steuer: Für 2024 sind 140 Millionen Euro prognostiziert, weitere 140 Millionen im Jahr darauf.
Ein Prestigeobjekt, das allein mit 1,4 Millionen Euro unterstützt wurde, ist der Neubau einer Wanderherberge auf dem öffentlichen Landgut Galatzó im Südwesten Mallorcas. Ende 2022 wurde das modern eingerichtete Refugi offiziell eingeweiht. Es ist die inzwischen sechste vom Inselrat bewirtschaftete Herberge – mit 50 Schlafplätzen in zwölf Zimmern auf gut 1100 Quadratmetern zudem die größte.
Auf gut 1000 Übernachtungen kam die Herberge im vergangenen Jahr; allmählich spricht sich das neue Angebot unter Wanderern herum, gerade unter Deutschen, die knapp ein Viertel aller Gäste in den Inselratsherbergen ausmachen. Vom neuen Refugi aus steuern sie gern den Fernwanderweg GR 221 an, der sich durch die Tramuntana zieht, oder besteigen die Gipfel von Galatzó (1026 Meter) und s’Esclop (925 Meter).
Urlauber verbrauchen viel Wasser
Auch die unmittelbare Umgebung ist sehenswert, etwa das ehemalige Herrenhaus Galatzó mit seinen Orangen- und Olivenhainen, die wieder bewirtschaftet werden. Zum Einsatz kommt Wasser aus einem traditionellen Speicherbecken – restauriert wurde es mitsamt dem dazugehörigen Leitungssystem für knapp 800.000 Euro aus der Touristensteuer.
Die Wasserwirtschaft ist einer der Schwerpunkte bei den Ausgaben – es sind Investitionen, die Gäste selten zu sehen bekommen, die aber unmittelbar mit dem Tourismus zu tun haben. Schließlich verbrauchen Mallorca-Urlauber viel Wasser (im Schnitt über 400 Liter pro Kopf und Tag), und das vor allem dann, wenn es auf der Insel besonders heiß und trocken ist.
Nach Dürreperioden in der Vergangenheit wurde bereits kräftig in die Infrastruktur investiert, unter anderem in Entsalzungsanlagen. Nun geht es vor allem darum, Wasser effizienter zu nutzen und die vielen Lecks zu flicken.
Gestopft wurde mit der Abgabe, entgegen den ursprünglichen Plänen, aber auch das eine oder andere Haushaltsloch. So verwendete die frühere Linksregierung die Gelder auch für sozialen Wohnungsbau. Schließlich seien illegale Ferienvermietung und Gentrifizierung mit schuld an der sich verschärfenden Wohnungsnot, lautete das Argument.
Kampf gegen Sauftouristen auf der Insel
Für die neue Landesregierung kommen solche indirekten Förderprojekte nicht mehr infrage. Sie hat den Verwendungszweck der Steuer wieder eingeengt und unliebsame Vorhaben wie beispielsweise eine Zugneubaustrecke im Inselosten aussortiert.
Uneinigkeit herrscht aber nicht nur über den Verwendungszweck, auch die Transparenz ist mittlerweile ein Streitpunkt. Eine Website, die eigentlich alle Projekte aufschlüsselt (illessostenibles.travel), wurde seit 2019 nicht mehr aktualisiert. „Urlauber wie Einheimische müssen mit einem Klick sehen können, wohin die Gelder fließen“, kritisiert der heutige Tourismusminister Jaume Bauzà – und steht nun in der Pflicht, Ordnung in das unübersichtlich gewordene Dickicht aus beantragten, ausgeführten, zurückgestellten und abgelehnten Projekten zu bringen.
Manches Vorhaben, das groß angekündigt wurde, harrt noch immer der Umsetzung. 6,7 Millionen Euro flossen etwa 2018 in den Kauf des weitläufigen Landguts Es Canons im Nordosten Mallorcas. Ein riesiges Schild an der Landstraße zwischen Colònia de Sant Pere und Betlem weist zwar die Finca aus. Wer aber die wenigen hundert Meter bis zum ehemaligen Gutshaus geht, steht vor verschlossenen Türen und Ruinen.
Zeltplatz, Info-Zentrum, Herberge? Fehlanzeige, passiert ist hier seit Jahren nichts. Immerhin: Die Route des Fernwanderwegs GR222 von Artà nach Lluc, die quer über das Landgut führt, ist hier inzwischen bestens ausgeschildert.
Die Tourismussteuer sollte ursprünglich auch für den Kampf gegen Krawalltourismus verwendet werden. Unter anderem sollte die Beleuchtung an der Playa de Palma modernisiert werden, um mit hellerem Licht nächtliche Partymacher zu vertreiben. Weil sich die Umsetzung seit Jahren immer wieder verzögert hat, finanziert die Regierung die Maßnahmen nun mit gerade sprudelnden EU-Subventionen. Härter bestraft werden künftig Trinkgelage, Vandalismus, Verwendung von Lautsprechern und Urinieren im öffentlichen Raum. Wer erwischt wird, zahlt bis zu 3000 Euro Strafe.
Da dürfte einiges Geld zusammenkommen, mit dem zum Beispiel die Gehälter der 300 zusätzlichen Ortspolizisten in Palma bezahlt werden können, die feiernde Übeltäter aufspüren sollen. Noch so eine Art Gegengeschäft, von dem Mallorca-Urlauber – von den Sauftouristen abgesehen – zumindest indirekt profitieren werden.
Weitere Informationen zur Balearen-Touristensteuer:
Mallorca-Urlauber zahlen die Touristensteuer (Impost del Turisme Sostenible) in der Regel an der Hotelrezeption – die Hoteliers ziehen sie im Auftrag der Balearischen Landesregierung ein. Der seit 2018 unveränderte Tarif hängt von der Art der Unterkunft ab: Während in Luxushotels vier Euro Bettensteuer anfallen, wird in Wanderhütten nur ein Euro verlangt, jeweils pro Nacht und Person.
Die Abgabe wird fällig in Urlauberunterkünften aller Art, auch für – offiziell genehmigte – Ferienwohnungen sowie für alle Kreuzfahrtschiffe, sofern diese nicht ihren Basishafen in Palma haben. Neben einem Rabatt von 50 Prozent für die Nebensaison (November bis April) wird ab der neunten Übernachtung in derselben Unterkunft ebenfalls ein Nachlass von 50 Prozent gewährt. Auf diese Preise wird noch eine Mehrwertsteuer von zehn Prozent aufgeschlagen. Kinder bis einschließlich 15Jahren bleiben von der Abgabe befreit.
Dieser Artikel ist im Rahmen der BETTER FUTURE EARTH WEEK von WELT erschienen.
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