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Das beste und das schlechteste Hotel Deutschlands

Stimmen die Bewertungen und Kommentare im Internet? Die „Welt“ testet das am besten und das am schlechtesten bewertete Hotel Deutschlands. Zwei denkwürdige Nächte auf Usedom und in Hamburg.
Wer in Deutschland Urlaub machen möchte, hat die Qual der Wahl zwischen mehr als 45.000 Hotels, Gasthöfen und Pensionen. Dank Gästebewertungen lassen sich die schicken von den schäbigen Etablissements unterscheiden. Oder? Wer in Deutschland Urlaub machen möchte, hat die Qual der Wahl zwischen mehr als 45.000 Hotels, Gasthöfen und Pensionen. Dank Gästebewertungen lassen sich die schicken von den schäbigen Etablissements unterscheiden. Oder?
Wer in Deutschland Urlaub machen möchte, hat die Qual der Wahl zwischen mehr als 45.000 Hotels, Gasthöfen und Pensionen. Dank Gästebewertungen lassen sich die schicken von den schä...bigen Etablissements unterscheiden. Oder?
Quelle: Getty Images

Der erste Eindruck, die erste Begegnung in der Lobby, der erste Blick ins Zimmer. Wird alles so sein wie gedacht? So einladend, so idyllisch, so sauber? Allein in Deutschland gibt es mehr als 45.000 Hotels, Gasthöfe und Pensionen. Wer nach Berlin oder Hamburg, nach Sylt oder Usedom reist, sieht sich schnell mit einer drei- bis vierstelligen Zahl von Unterkunftsmöglichkeiten konfrontiert. Preise und Sterne sagen oft nur bedingt etwas über die tatsächliche Qualität aus. Bleiben die Erfahrungswerte, die Gäste nach ihrem Aufenthalt auf diversen Buchungs- und Bewertungsportalen veröffentlichen.

Beim Marktführer in Deutschland, dem Bewertungsportal holidaycheck.de, haben wir das am schlechtesten und das am besten bewertete Hotel in Deutschland herausgefunden, also das Haus mit den meisten Bestnoten und das mit den meisten Negativbewertungen. Während das „Hotel Kaliebe“ auf der Ostseeinsel Usedom mit positiven Beurteilungen „viel Leistung für wenig Geld“ und „sehr sauber“ bedacht wurde und bundesweit am besten abschnitt, muss sich das in Hamburg gelegene „Hotel Zollhof“ das Fazit „Hotel Saustall“ gefallen lassen. Doch wie viel ist dran an Lob und Lamento? Die „Welt am Sonntag“ hat getestet, ob die Häuser wirklich den Gästebewertungen entsprechen – und wurden überrascht.

Der Empfang

„Hotel Zollhof“: Selbst das schlechteste Hotel Deutschlands empfängt seine Gäste mit einem Lächeln: Aus dem ersten „O“ des „Zollhof“ strahlt ein Smiley. Wäre die Beleuchtung des gelben Schriftzuges auf dem Dach der Herberge im Arbeiterstadtteil Hamburg-Wandsbek intakt, würde man ihn sogar im Dunkeln sehen. Durch den Frühstücksraum gelangt man über eine Komposition pseudoorientalischer Teppiche zur Rezeption – eine stilistische Zumutung in Furnier-Schwarz-Weiß. Die Unterlagen hat der nette Rezeptionist bereits zurechtgelegt: vierter Stock, Nichtraucher. Daran, dass die Rechnung beglichen werden muss, bevor man das Zimmer gesehen hat, kann er leider nichts ändern. Vertrauensvoll verrät er hingegen, dass er die 260 Euro, die das Zimmer während großer Messen in Hamburg kostet, selbst nie zu zahlen bereit wäre. Als das vermeintliche Nichtraucherzimmer nach Qualm stinkt, bietet er sofort ein Zimmer im fünf Kilometer entfernten Partnerhotel an. Man scheint erfahren im Umgang mit Beschwerden.

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„Hotel Kaliebe“: Ordnung muss sein. Wer mit dem Auto auf den beschrankten Hof des „Hotel Kaliebe“ in Trassenheide auf Usedom fährt und mit dem Koffer zur Rezeption geht, wird angewiesen, erst einmal umzuparken. Restaurantbesucher stehen links, Hotelgäste mit Zimmerreservierung in der Mitte, Blockhausgäste rechts. Das steht zwar nirgends, aber es gibt keine Ausnahme. Etwas weniger genau nimmt man es mit der korrekten Hotelklassifizierung: drei Sterne oder doch vier Sterne? Das Eingangsschild führt da in die Irre. Dort grüßen vier blank geputzte Sternsymbole die Gäste. Beim näheren Betrachten zeigt sich freilich, dass nur drei davon goldfarben sind �� und der vierte ist schwarz. Das Hotel wartet auf seinen vierten Stern, die angeschraubte Hotelklassifizierung der Dehoga an der Tür hat ihm immerhin drei Sterne Superior vergeben. Das steht für ein Mehr an Service oder Dienstleistung. Das Plus hat es sich allein von der Lage her verdient: Vom Hotel aus spaziert man nur 250 Meter auf dem zum Haus gehörenden Dünenwaldweg zum Strand. Auch der wirkt so ordentlich, als ob er täglich geharkt wird.

Mit der Sterne-Klassifizierung nimmt man es im „Hotel Kaliebe“ auf Sylt nicht so genau
Mit der Sterne-Klassifizierung nimmt man es im „Hotel Kaliebe“ auf Usedom nicht so genau
Quelle: Hotel Kaliebe

Die Gäste

„Hotel Zollhof“: Grundsätzlich scheint das Publikum hier pragmatisch und unkompliziert zu sein. Wer im Zollhof absteigt, der möchte dreierlei: nicht allzu weit von der Innenstadt entfernt sein, wenig Geld ausgeben und schließlich ein wenig Schlaf finden. Wellness und Ästhetik haben da keinen Platz. Alles Schnickschnack. Es seien vor allem Messeaussteller und die Herren vom Bau, die in den hiesigen Betten nach einem langen und harten Arbeitstag spät am Abend den Schlaf der Gerechten suchen würden, sagt der Herr an der Rezeption.

„Hotel Kaliebe“: Das Haus ist auch im Winter so gut wie ausgebucht. An den Wochenenden wird es gern für Familientreffen und Silberhochzeiten genutzt. Die meisten Stammgäste in der Nebensaison sind zwischen 55 und 75 Jahren. „Wir sind schon seit 2006 jedes Jahr zweimal Gast, und wenn wir gesund bleiben, werden wir es noch einige Jahre wiederholen“, schreibt ein Pärchen als Bewertung. Deshalb sind die Zimmer auch seniorengerecht – man kann im Sitzen duschen und, wie eine ältere Dame sagt, „der Lautsprecher vom Fernseher im Bad ist top, sodass man nichts verpassen kann“.

Das Zimmer

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„Hotel Zollhof“: zweiter Versuch im siebten Stock – tatsächlich rauchfrei. Das gebuchte Einzelzimmer hat vier Betten: drei im großen Zimmer sowie ein Einzelbett in einem Kabuff mit einem Fenster aus Glasbausteinen. Was sich hinter der Tür verbirgt, die mit einer dubiosen Schraubenkonstruktion verschlossen ist? Das bleibt ein Geheimnis – ebenso wie die Herkunft der gräulichen Flecken an den Wänden des Flurs. Grau ist auch der Bodenbelag, der im Schlafzimmer die klinischen Flurfliesen ablöst. Das Polster des prähistorischen Sessels hat Gebrauchsspuren – sprich dicke Risse. Selbst die grob gold-gelb gestreiften Vorhänge und die dilettantisch angebrachte Stuckleiste an der Decke können das Möbelhaus-Arrangement nicht zum Glänzen bringen.

Pragmatisch aber blitzblank: das Zimmer im „Hotel Kaliebe“
Pragmatisch aber blitzblank: das Zimmer im „Hotel Kaliebe“
Quelle: Hotel Kaliebe

„Hotel Kaliebe“: Blitzeblank sauber ist das praktisch eingerichtete Zimmer. Dunkler Teppich, lilafarbene Vorhänge, dunkle Möbel, Doppelbett, Tisch, Flachbild-TV und ein Bad mit Dusche. Wenige Handtücher. Angeleinter Föhn und einhakbare Bügel. Kein Balkon. Es ist so banal-austauschbar eingerichtet, dass man schon einen Tag später die Einrichtung vergessen hat. Das einzige Persönliche ist ein Teekerzenhalter aus Glas auf dem Badsims, mit ein paar Muscheln drin.

Die Sauberkeit

„Hotel Zollhof“: Der Schreibtisch ist ein Paradies für Detektive. Auf der gläsernen Tischplatte lassen sich dank zurückgebliebener Fingerabdrücke etwa fünf bis zehn Vorbewohner identifizieren. Auf dem Fensterbrett prangt ein tellergroßer nicht identifizierbarer Fleck – mit Bröckchen. Trotzdem sollte man nicht entsetzt auf den Balkon stürmen, um Frischluft zu schnappen – denn der ist mit grün-schwarzen Flecken übersät. Schwer zu sagen, ob die gesundheitsschädlich sind. Die Konstruktion wirkt sowieso nicht sonderlich vertrauenserweckend. Nun gut, zu dieser Jahreszeit ist es sowieso zu kalt, um draußen zu verweilen – drinnen allerdings auch. Heizung? Ist zwar vorhanden – aber aus.

„Hotel Kaliebe“: Überall stehen Schilder: „Haben Sie Reparaturhinweise?“ Auf dem Bett: „Ich habe Ihr Zimmer gereinigt“. Neben dem WC: „... keine Feuchttücher oder feuchtes Toilettenpapier herunterspülen“. Klare Anweisungen werden hier geschätzt. Und penible Sauberkeit. Wasserflecken auf den Kacheln haben hier keine Chance – und perlen ab wie in der Badreiniger-Werbung. Ein Blick unter das Bett zeigt, dass hier jeder noch so winzige Krümel in der letzten Nische gefunden und vaporisiert wird. Der Putzteufel war die gute „Peggy“, wie auf einem Schild steht.

Die Verpflegung

„Hotel Zollhof“: Nun könnte eine Minibar dem Frust Abhilfe schaffen – wenn es denn eine gäbe. Eine kleine Knabberei, ein kühles Bier im (tatsächlich vorhandenen) Kühlschrank – Fehlanzeige. Das Ding ist verdreckt und ausgeschaltet. Da es weit und breit keinen Kiosk gibt, führt kein Weg daran vorbei, auf das Snack-Angebot in der Lobby zurückzugreifen. Dort hat der Gast die Wahl zwischen Chips mit Paprika- oder Rosmaringeschmack sowie Cola, Wasser und irgendeiner undefinierbar bunten Brause. Der nette Rezeptionist bemüht sich, die Situation mit einem kostenlosen Tee zu retten, den er nicht nur eigenhändig aufbrüht, sondern ihn auch bis in den siebten Stock trägt.

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„Hotel Kaliebe“: Hotelier Helmut Kaliebe ist zugleich der Küchenchef im Restaurant. Spezialisiert auf Wild und Fisch. Heute soll es als Tagesempfehlung frisch geschossenes Reh geben. Dialog mit dem Kellner: „Ich nehme die Rehmedaillons.“ Antwort: „Die Rehleber“. „Die Rehmedaillons ...“ „Also die Rehleber“. „Nein, die Medaillons. Ich mag keine Rehleber.“ Kellner: „Es gibt nur noch Rehleber.“ Es erinnert an den alten Spruch: Gegessen wird, was auf den Tisch kommt. Am Ende hat man sich auf Fisch geeinigt ...

Von außen schon wenig einladend. Wie sieht das „Hotel Zollhof“ erst von innen aus?
Von außen schon wenig einladend. Wie sieht das „Hotel Zollhof“ erst von innen aus?
Quelle: Maria Menzel

Die Atmosphäre

„Hotel Zollhof“: Das Geleit des Rezeptionisten hat noch etwas Gutes: Man fühlt sich ein wenig sicherer beim Gang in den siebten Stock. Über den dunklen Hof, in das Hinterhaus hinein, vorbei an einem kleinen Rudel von Männern in den Endzwanzigern, die gerade aus einem dunklen Raum im Erdgeschoss des Gebäudes herausgehuscht sind und eilig die Tür zusperren. Skeptisch mustern sie den Vorbeiziehenden. Ein kurzes Nicken, man bleibt wortkarg. Schnell in den Fahrstuhl, der einen in der dunklen Einsamkeit der Gänge wieder ausspuckt. Hallo, jemand hier?

„Hotel Kaliebe“: Das Restaurant schließt. Feste Zeitenfolgen, Pünktlichkeit, Regeln, Effizienz – erinnert an ein Heim. Erst nachdem man in der Broschüre zur Hotelgeschichte blättert, ahnt man die effizienten Ursprünge. Die Hoteliersfamilie Kaliebe hatte bis 1990 das Haus als Kinderferienlager der Akademie der Wissenschaft Leipzig geleitet. Anschließend erworben, aufwendig renoviert, als Pension eröffnet und mit Blockhäusern erweitert. Und noch heute kommen die Kids von damals.

Die Unterhaltung

„Hotel Zollhof“: Nun gilt es, sich abzulenken – und zwar so lange, bis man zu müde ist, um sich um den Schlaf bringen zu lassen. Zum Beispiel indem man seine Aufmerksamkeit der Zimmerdekoration widmet. Über dem Bett hängt ein kleines quadratisches Tuschkasten-Bild mit einer Vase, neben dem Spiegel das Bild einer herbstlichen Alleenstraße. Oder man surft im Internet. Diese Art der Ablenkung funktioniert immer – wenn denn das angekündigte „Welan“ auch funktionieren würde. Schon in der Lobby – verzeihen Sie: im „Business Center“ – hatte sich das mobile Endgerät geweigert, sich ins Internet einzuwählen. Bleibt der gute alte Fernseher (immerhin ein neuzeitliches Gerät aus der Kategorie Flachbild), um sich in den Schlaf säuseln zu lassen.

„Hotel Kaliebe“: Das Spa ist eine finnische Blockhaussauna im Garten. 6 Euro pro Nutzung und Person. Aber zu früh gefreut. Der gerade eincheckende Gast wird von der Rezeptionistin belehrt: „Es rentiert sich nicht, für eine Person die Sauna anzumachen. Es müssen mindestens zwei sein.“ Und selbst wenn sich jemand findet, dann wird die Zeitdauer, die man saunieren und schwitzen darf, genau festgelegt. Flexibilität sieht anders aus. Auf dem Zimmer gibt es Flachbild-TV. Und WLAN funktioniert einwandfrei.

Tiere

„Hotel Zollhof“: Im kalten Zimmer empfiehlt es sich, schnell unter die warme Bettdecke zu kriechen – wo man bereits von totem Kleinstgetier erwartet wird. Schön geht anders, sauber sowieso. Man möchte freiwillig zum „Burkjama“ greifen, um jeglichen Hautkontakt mit der Bettwäsche zu vermeiden. Es ist zu vermuten, dass sich im Grau des halbherzig gesäuberten Bodenbelags weitere Mitbewohner verschanzen – tote wie lebendige. Eigene Haustiere mitzubringen ist hingegen nicht gestattet.

„Hotel Kaliebe“: Mikroben und anderes Getier sind hier bei so viel Reinlichkeit quasi ausgestorben. Alles ist so picobello, dass Ungeziefer erst gar keine Nahrung finden. Verblüffend, dass die Hoteliersfamilie Hunde ausdrücklich erlaubt (8 Euro pro Tag). Sie sind willkommen, außer im Restaurant. Aber auch hier gibt es strikte Anweisungen. Auf dem Zimmer liegt die „Hundeordnung vom Ostseebad Trassenheide“. Paragraf 1 lautet: „Vierbeiner gehören nicht ins Gästebett.“

Auf den ersten Blick ganz gemütlich – aber auch noch auf den zweiten? Das Zimmer im „Hotel Zollhof“
Auf den ersten Blick ganz gemütlich – aber auch noch auf den zweiten? Das Zimmer im „Hotel Zollhof“
Quelle: Maria Menzel

Die Nacht

„Hotel Zollhof“: Wer noch immer keine Lust hat, zu später Stunde wie angeboten in das Partnerhotel umzuziehen, sollte sich wahlweise mit Hochprozentigem oder vorherigem Schlafentzug auf die Nacht vorbereitet haben. Die Chancen, aus Wonne und Wohlgefühl einzuschlafen, jedenfalls stehen eher schlecht. Aus dem Nachbarzimmer hört man das Brabbeln des Fernsehers, aus dem sechsten Stock das Geschrei von Kindern. Und irgendwann fällt man dann doch noch in den erhofften Schlaf der Gerechten.

„Hotel Kaliebe“: Nachtruhe wird hier erwartet. Die Eingangstür ist nach der Schließzeit des Restaurants gegen 22 Uhr automatisch verschlossen. Es gibt immerhin eine Chipkarte. Die meisten Gäste gehen um diese Zeit schlafen oder spielen Karten in der Lobby. Ein Gast formuliert es im Bewertungsportal euphemistisch: „Das Hotel ist nichts für jemanden, der Action liebt.“ Warum so viele ihre halb vollen Mineralwasserflaschen aus dem Restaurant mit aufs Zimmer nehmen, klärt sich spätestens dann, wenn man Durst bekommt. Es gibt keine Minibar, auch keinen Getränke- oder Snackautomaten im Haus. In der Nähe gibt es fußläufig auch keine Gastronomie. Bleibt nur Leitungswasser oder aus dem Kofferraum die Mineralwasserflasche aufs Zimmer zu schmuggeln.

Der Morgen

„Hotel Zollhof“: Die Tatsache, dass man am nächsten Morgen aufwacht, deutet darauf hin, dass man tatsächlich geschlafen hat. Nun möglichst schnell aus den schmutzigen Laken heraus und eine kalte Dusche zum Wachwerden nehmen. Dass es kein warmes Wasser gibt, erspart einem den Akt der Überwindung, den Hebel des Wasserhahns auf „kalt“ zu stellen. Immerhin hat das Zimmermädchen daran gedacht, zwei Päckchen Seife und ein Tütchen Shampoo auf den Waschbeckenrand zu legen – arrangiert und geknüllt, als hätte sie sie aus ihrer Tasche gekramt, kurz abgelegt und dort vergessen.

„Hotel Kaliebe“: Morgens um 5.30 Uhr, wenn es noch stockdunkel ist, sind die Familie Kaliebe und ihre Mitarbeiter schon bienenfleißig. Der Gartenweg wird gerade geharkt, der Müll rausgetragen, überall gewischt und geschafft, Tische fertig gedeckt, in der Küche gewerkelt. Die ersten Hotelgäste gehen mit ihren Hunden Gassi und denken: Arbeitsam!

Das Frühstück

„Hotel Zollhof“: Sind die Haare luftgetrocknet (ein Föhn ist nicht vorhanden), kann es endlich zum Frühstück gehen. Ei, Tomate-Mozzarella, Wurst, Käse, Orangensaft und schrill-bunte Cerealien. Vom Rührei und Spiegelei sind um 9.30 Uhr nur noch vertrocknete Reste zu haben. Der hausgemachte Pflaumenkuchen mit Zimt, den man mit den Händen auf den Teller hieven darf, zeugt aber durchaus vom guten Willen und hält den Gast davon ab, das Desaster persönlich zu nehmen. Und auch der Kaffee schmeckt versöhnlich – wenngleich er aus einer gigantischen Kaffeemaschine gezapft ist, die an die Heißwassertherme eines DDR-Badezimmers erinnert. Dass sich das Fleckenmuster aus dem Zimmer auch auf den Sitzpolstern im Frühstücksraum fortsetzt, kann man mit etwas gutem Willen durchaus als konsequentes Designkonzept betrachten. Und auch die Sperrholztische fügen sich in das Möbelhaus-Flair des „Hotel Zollhof“.

„Hotel Kaliebe“: Ab 7.50 Uhr warten die ersten Gäste vor dem Frühstücksraum. Mit Schlüssel in der Hand. Denn eine weitere Anweisung auf dem Zimmer lautet: „Der Zimmerschlüssel ist sichtbar auf dem Tisch zu platzieren.“ Frühstück gibt es nur zwischen 8 und 9.30 Uhr; wer zeitiger essen möchte, muss das am Abend zuvor anmelden. Wer verschläft, bekommt in der Lobby immerhin ein kleines Frühstück gereicht. Das Büfett ist großzügig und wird nachgefüllt, daneben steht immer eine Kellnerin mit verschränkten Armen wie eine Controllerin und beobachtet, was die Gäste auf die Teller laden. Auf Wunsch gibt es ein Omelett, frisch an den Tisch serviert.

Das Fazit

„Hotel Zollhof“: Nach dem Frühstück kommt Freude auf – die Abreise naht. Warum das Hotel sich – nach eigener Aussage – stetig hohem Zulauf erfreut, erklärt der Herr an der Rezeption: Zu Gast seien hauptsächlich Arbeiter, die die günstigen Mehrbettzimmerpreise schätzten. Damit wäre auch das früh geplünderte Frühstücksbüfett erklärt sowie die Tatsache, dass kurz nach neun Uhr kaum jemand anzutreffen ist. In der Kommentarspalte von Holidaycheck.de liest man hingegen wenig Schmeichelhaftes. Ein Gast rät: „Jeder der gesund bleiben will, Finger weg!“ Ein anderer kommentiert mit einem schlichten „Nie wieder“. Ein dritter rät, die Bude lieber gleich abzureißen. Beim Verlassen des Etablissements bleibt einem das „Auf Wiedersehen!“ im Hals stecken – ein solches wird es nicht geben, kein freiwilliges jedenfalls. Die Bewertung als schlechtestes Domizil in Deutschland ist höchst verdient. Im Gegensatz zum fleißigen Frühaufsteher würden die meisten Gäste eine zweite Nacht einschlägigen Foren zufolge dennoch lieber in der Bahnhofsmission verbringen. Das mag vielleicht etwas drastisch klingen, entspricht aber durchaus der Gefühlslage, die einen schließlich zur Flucht aus diesem Etablissement antreibt. Auf kein zweites Wiedersehen – kein freiwilliges jedenfalls.

„Hotel Kaliebe“: „Das Preisleistungsverhältnis stimmt“, resümiert eine Frau aus Sachsen, deren Schwester hier seit 1980 urlaubt – erst als Kind im Ferienlager der Akademie der Wisseschaft Leipzig, dann später als Urlauberin mit ihrer Familie. „Ein seit Jahren akkurat bis ins Detail und professionell geführtes Familienhotel“, heißt es in einer lobenden Bewertung. Wer Regeln und klare Anweisungen als Hotelgast schätzt, wird sich hier wohlfühlen – und braucht sich über nichts Gedanken machen. Dafür gibt es ja Schilder. Doch nicht jeder schätzt Kontrollfreak-Hotels, so schön sie auch gelegen sein mögen.

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