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Europa Hafen-City

Ein ganz neues Frühlingserwachen an der Elbe

Die Hamburger erobern sich langsam ihre Elbe zurück. Hafen-City ist Europas größtes Neubaugebiet und soll noch weiter wachsen. Der jüngste Streich: Die Elbinsel Wilhelmsburg mit großer Gartenschau.

Als das Hamburger Parlament, die Bürgerschaft, vor fast zehn Jahren einer EU-Richtlinie folgen musste und ein eigenes Seilbahn-Gesetz erließ, war der Spott über so viel Bürokratie groß – schließlich war mit dem Aufwachsen eines Gebirges in Hamburg eher nicht zu rechnen. In diesen Tagen aber wälzen gleich mehrere potenzielle Investoren interessiert die Paragrafen, denn nun sollen tatsächlich Gondeln schweben.

Nicht, weil sich in der Geologie Entscheidendes getan hätte, sondern weil sich ein anderer Flecken der Hansestadt als Ziel anbietet: Der Hamburger Süden blüht auf, und das im Wortsinn. Die Internationale Gartenschau (IGS) öffnet am 26. April ihr 100 Hektar großes Gelände auf der Elbinsel Wilhelmsburg, jenem Stadtteil also, den die Hamburger Politik über Jahrzehnte vernachlässigt hatte und der bundesweit durch Verbrechen und sozialen Niedergang in den Schlagzeilen war.

Versucht werden soll jetzt, die Großveranstaltung mit erhofften 2,5 Millionen Besuchern an den 171 Öffnungstagen auch für eine dauerhafte Stadtentwicklung zu nutzen; der Park, ein Klettergarten, eine Sporthalle, Gastronomie und ein Schwimmbad bleiben den Hamburgern auch nach dem Ende der Gartenschau im Herbst erhalten.

Für Heiner Baumgarten, Geschäftsführer der IGS mit wunderbar passendem Namen, ist das Hier und Jetzt allerdings herausfordernd genug, denn das Winterwetter im Frühjahr hatte ihm, vor allem aber der Flora, zugesetzt. Gefrorener Boden und eisige Temperaturen durchkreuzten die Pflanzpläne, deswegen wird zum Start manches Beet nicht fertig sein. In wenigen Wochen jedoch soll alles so aussehen wie auf dem Logo der IGS, das eine Weltkugel als Garten zeigt und so die Grundidee symbolisiert: „In 80 Gärten um die Welt“.

„In 80 Gärten um die Welt“

Inspiriert von Jules Vernes’ Roman zeigt die Schau die verschiedenen Klima-, Kultur- und Vegetationszonen der Erde. Wie Perlen reihen sich 80 Flächen entlang eines 6,5 Kilometer langen Rundwegs aneinander. Thematisch sind sie in sieben Erlebniswelten eingebettet: In der Welt der Häfen am Eingangsboulevard geht es um berühmte Hafenstädte, in denen Romanheld Phileas Fogg auf seiner Weltreise Station macht.

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Hamburg und Bombay sind darunter, auch Hongkong und San Francisco. Die Wasserwelten thematisieren Wassermangel und Wasserüberfluss; eine Attraktion ist ein historisches Wasserwerk, das zum Restaurant umgebaut wurde und das auch über eine Kanustrecke angefahren werden kann.

In der Welt der Kulturen vermitteln die Gärten Eindrücke fremder Kulturen, Traditionen und Gebräuche. Die Welt der Kontinente zeigt in ihren von einem blauen Blütenmeer umrahmten Gärten die jeweils typischen Landschaften. Die Naturwelten greifen auf, wie die Gärten der Zukunft aussehen könnten, etwa auf den Planeten unseres Sonnensystems.

Ein paar Schritte weiter warten noch rund um eine historische Kapelle ein interreligiöser Garten in der Welt der Religionen und die Welt der Bewegung mit zahlreichen Spielmöglichkeiten. Wer dieses alles nicht zu Fuß erkunden möchte, kann in eine Monorail einsteigen, die die Landschaften und die weiteren Attraktionen miteinander verbindet.

Da auf dem Gelände und auf der Südseite der Elbe parallel die jüngst eröffnete Internationale Bauausstellung (IBA) stattfindet, wird sich auch die Wohnkultur der so lange gemiedenen Gegend verändern. Was allerdings nicht allen gefällt: Längst gab es die ersten Anschläge von Gentrifizierungsgegnern, die das Geld schlecht investiert sehen und die einen Anstieg der Mieten um 19 Prozent in Wilhelmsburg errechnet haben.

Die Hamburger gewinnen ihren Fluss zurück

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Heiner Baumgarten setzt auf den Faktor Zeit: „Wenn die Parks und die vielen Gärten und die Freizeitmöglichkeiten erst einmal genutzt werden können, wird sich das Meinungsbild schnell ändern“, glaubt er. Es gehe eben nicht nur darum, bunte Blumengebilde auf einstiges Ackerland zu zaubern, sondern um weit mehr: „Die Naturwelten konfrontieren uns mit Bildern, die zum Nachdenken anregen.“

Die Seilbahn, die nach ursprünglichen Planungen von St. Pauli nach Wilhelmsburg führen sollte, wird bis zur Eröffnung natürlich nicht mehr fertig; noch ist ohnehin nicht beschlossen, ob überhaupt eine der Streckenvarianten genehmigt wird. Aber dennoch stehen sie auch so schon für das von der Stadt auf lange Sicht angelegte Programm „Sprung über die Elbe“, das unabhängig von der aktuellen Häuser- und Blumenparade läuft.

So einfach es klingen mag, einen Fluss zu überbrücken: Für die Hamburger ist das eine Generationenaufgabe. Bei der Motivation, neu über die Stadt nachzudenken, kann und wird dann auch die Gartenschau und vor allem deren Nachnutzung eine Rolle spielen. Noch wichtiger ist jedoch das stetige Wachsen der Hafencity, Europas größtem Neubaugebiet. Im Eingangsbereich des Viertels rund um die Elbphilharmonie (derzeit angepeilter Eröffnungstermin: Frühjahr 2017) und entlang der historischen Speicherstadt sind viele Häuser schon längst bezogen.

Weiter elbaufwärts, also in Richtung Elbbrücken, gibt es indes noch viele Hektar Brachland, aber eben auch viele schubladenfertige Baupläne. Die Finanzkrise der vergangenen Jahre hat die Realisierung zwar bei manchen großen Vorhaben in Verzug gebracht, aber durch die unaufhaltsame Verwandlung von Industrie- und Hafenflächen in Wohngebiete gewinnen die Hamburger ihren Fluss zurück, der über Jahrzehnte hinweg vor allem wirtschaftliche Bedeutung für die Prosperität der Handelsstadt hatte, als Wohnort im Innenstadtbereich aber entweder nicht zugänglich war oder gemieden wurde.

Die Hafencity hinterlässt niemanden gleichgültig

Über die ästhetische Qualität der Hafencity-Bauten wird seit dem ersten Richtfest gestritten, die Bandbreite der Experten- und Laienmeinungen reicht vom „architektonischen Würfelhusten“ bis zur „Modellstadt eines neuen urbanen Lebens“. Fakt ist: Kaum ein Städtereisender lässt die Hafencity bei einem Hamburg-Besuch aus, denn neben dem Vorzug der Wasserlage mit Blick auf die dicken Pötte im Hafen, der sich in Hamburg besonders nachts wie eine Theaterkulisse präsentiert, gibt es hier viel zu entdecken.

Mutige Entwürfe, versteckte Winkel, aber zunehmend auch große öffentliche Plätze und kleine Parks zeigen ein neues Metropolenbild, das wegen seiner durchgeplanten Struktur abschreckend sein kann, aber in seiner Gesamtheit auch fasziniert. 1400 Wohnungen sind mittlerweile fertig, 450 Unternehmen (darunter besonders imposant die Unilever-Zentrale und der Spiegel-Verlag) haben sich angesiedelt.

Längst gibt es auch Schulen, ein interreligiöses Gotteshaus – und bald auch einen großen Park. In jedem Fall lässt die Hafencity keinen Besucher gleichgültig zurück – und wenn es am Ende nur die salzige Luft ist, die die Nähe der Nordsee erahnen lässt.

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Diese Hinwendung zum Fluss ist aber nicht nur in dem gigantischen Neubaugebiet zu spüren, besser vielleicht noch bei einem Spaziergang elbabwärts, also in Richtung Blankenese. Ein durchgängiger Wanderweg ist jetzt fast fertig. Entlang der Landungsbrücken, die durch neue Gastronomie und eine kleine Gasthausbrauerei gewonnen haben, geht es weiter entlang der berühmten Beach-Clubs, die bei gutem Wetter (auch das gibt es in Hamburg!) zum Sonnenbad mit Blick auf die wirklich großen Frachtschiffe einladen.

Hamburg will München überholen

Ein solches Panorama bietet weltweit nur Hamburg-St. Pauli. Praktischerweise nehmen die Kreuzfahrten von Jahr zu Jahr zu, deswegen lassen sich die Luxusliner regelmäßig auf dem Fluss bewundern. Mit weniger Sand, dafür mit viel Stil, lockt das Restaurant „Riverkasematten“ unterhalb der einst umkämpften Hafenstraßen-Häuser. Und wer es hanseatisch-gediegen mag, kann natürlich auch in das „Fischereihafen-Restaurant“ von Vater und Sohn Kowalke einkehren, bevor es zur Verdauung die Treppenstufen hinauf auf das mehrfach prämierte Bürohaus Dockland von Star-Architekt Hadi Teherani geht, dessen Dach für die Öffentlichkeit zugänglich ist und die besten Blicke auf die Skyline der Stadt bietet.

Von hier aus sind es nur noch ein paar Schritte bis zum feinsten Altersheim, pardon: bis zur schönsten Seniorenresidenz der Republik, dem Augustinum direkt am Museumshafen und dem Elbstrand, der sich von hier an bis zum wunderbar hügeligen Jenisch-Park zieht. Auf dem Weg locken noch immer die bewährten Klassiker, etwa die „Strandperle“ – eigentlich nur ein besserer Kiosk – oder, deutlich feiner, das Hotel „Louis C. Jacob“ mit seiner Lindenterrasse inklusive Elbblick.

Das neue und das alte Hamburg gehen hier beinahe nahtlos ineinander über, und schön ist beides. Der Rückweg muss übrigens nicht zu Fuß erledigt werden, denn vom Anleger Teufelsbrück, auf dem das „Café Engel“ weit mehr bietet als Kaffee, nämlich auch feinste Speisen, tuckern die Hafenfähren wieder zurück ins Zentrum oder eben auch zu Gartenschau und Hafencity.

Diese Entwicklung weg von der reinen Bürgerstadt mit ihren Theatern, Musicals, Einkaufsstraßen und Restaurants mit Alsterblick hin zu einer Neuland betretenden Metropole am Strom ist nicht ohne Folgen im Tourismus geblieben. Schon ohne die Gartenausstellung gelang Hamburg im Jahr 2012 erstmals der Sprung auf den zehnten Platz aller Städtereise-Ziele Europas, und keine andere hatte so hohe Steigerungsraten vorzuweisen.

Nun soll München bei der Zahl der Übernachtungen überholt werden, viele neue Hotels – darunter besonders interessante wie das maritime „25Hours“ in der Hafencity – bieten neue Betten, und ein weiteres Musicalhaus ist in Bau. Wo? Natürlich auf der anderen Elbseite, im Süden. Vielleicht wird es bald mit einer Seilbahn angeschlossen. Ansonsten fahren aber auch immer noch die guten alten Barkassen. Ischa nu nich’ alles neu in Hamburch.

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