Koreanisch ist keine einfache Sprache, obwohl die Schrift eigentlich sehr leicht zu erlernen ist. Während unseres dreijährigen Aufenthaltes in Korea hatte sich meine Frau vorgenommen, die Sprache mindestens gut genug zu lernen, um sich problemlos mit Koreanern über einfache Themen unterhalten zu können. Zu diesem Zweck meldete sich Dani an einem Multikulti-Zentrum in Gangneung an. Dort saß sie zusammen mit vietnamesischen Ehefrauen und einer Amerikanerin in einem grauen Klassenraum. Als die Lehrerin eintrat, sprach sie die Schülerinnen ohne lange Einleitung auf Koreanisch an. Niemand verstand etwas.
Auch in den weiteren Stunden unterrichtete und erklärte sie konsequent auf Koreanisch, weshalb die Schülerinnen den Unterricht mit genauso wenig Sprachkenntnis wie zuvor, aber in immer größerer Verzweiflung verließen. Ein wahrhaft ernüchternder Einstieg in diese schöne Sprache! Also beschloss Dani, eine Privatlehrerin zu Hilfe zu nehmen, und siehe da, schnell machte sie große Fortschritte.
Das koreanische Alphabet Hangeul beinhaltet 14 Konsonanten und zehn Vokale, die mittels unterschiedlich angeordneter Striche und Kreise dargestellt werden. Die Schriftzeichen sind recht einfach zu erlernen, und Dani beherrschte sie bereits nach einem Tag. Weitere Doppelvokale und Konsonanten folgten, und schon einige Nachhilfestunden später konnte sie ihren Namen auf Koreanisch schreiben und leichte Wörter lesen. Endlich waren meine Tage als persönlicher Dolmetscher gezählt.
Um die Sprache praktisch anzuwenden und die Aussprache zu üben, forderte ich Dani beim Spazierengehen stets auf, Werbetafeln vorzulesen. Namen wie „Bach’s Piano“ oder „Mozart Musik Akademie“ ließ ich sie koreanisch aussprechen. So las Dani „Bahhe Piano“ und „Motscharte Eumak Hagwon“. In unserer Wohnung klebten bald überall gelbe Post-its, darauf koreanische Wörter, die meine Frau gelernt hatte.
In Korea fehlen Laute aus dem deutschen Alphabet
Bevor Dani die koreanischen Schriftzeichen lesen konnte, bezeichnete sie diese immer als „Mainzelmännchen-Schrift“. Im Stillen stimmte ich ihr zu und fragte mich, welche Halluzinogene die Gelehrten und König Sejong, der Erfinder des Alphabets, genommen haben mussten, um sich eine solche Schrift auszudenken.
1443 führte der vierte König der Joseon-Dynastie Sejong (1397–1450) das heutige koreanische Alphabet ein. Er wollte damit eine Schrift schaffen, die dem einfachen Volk den Zugang zur Bildung erleichterte, denn die damals gebräuchlichen chinesischen Schriftzeichen waren sehr viel schwieriger zu lernen. Die offizielle Einführung des koreanischen Alphabets erfolgte im Jahr 1446. Zu Ehren seines Erfinders feiert Korea noch heute am 9. Oktober den Hangeul-Tag, der mittlerweile zum nationalen Feiertag erklärt wurde. Auf dem Gwanghwamun-Platz in Seoul kann man sogar eine 9,5 Meter hohe Bronzestatue König Sejongs bewundern.
Trotz ihrer Fortschritte in der koreanischen Sprache haperte es bei Dani immer noch mit der Aussprache. So musste sie im Alltag zunehmend frustrierende Erfahrungen machen, denn allzu häufig verstanden Koreaner sie wegen ihres starken deutschen Akzentes nicht. Jedes Mal, wenn Dani und ich an der König-Sejong-Statue vorbeigingen, fluchte sie, wie schwer doch die Sprache sei. Schließlich gesellen sich zu der schwierig zu lernenden Aussprache auch noch Höflichkeitsformen und eine komplizierte Grammatik.
Im Gegensatz zum deutschen Alphabet gibt es in Korea keine Laute für V und F. F wird wie P – also „Pieeup“ – und V wie B beziehungsweise „Bieeup“ ausgesprochen. So wird aus dem Hollywood-Filmtitel „Man of Steel“ in Korea „Man op Steel“, und das Getränk Fanta wird zu „Panta“. Die Automarke Volkswagen kennt man in Korea als „Polksbagen“. Daneben bereiten den Koreanern auch die Laute S, D und Z so manche Schwierigkeiten. Die international bekannte Pizza kennt man in Korea deshalb auch als „Peejah“.
Englische Wörter flossen ins Koreanische ein
Neben der koreanischen Sprache ist auch die Kunst des Konglisch – eine Mischung aus Englisch und Koreanisch – in der alltäglichen Kommunikation unersetzlich. Mein Kumpel aus Kindheitstagen Jae-woo kann davon ein Lied singen. Als er nach einem einjährigen USA-Aufenthalt von seinem Vater am Flughafen abgeholt wurde, bat dieser ihn, mit dem Auto nach Hause zu fahren. Jae-woo tat, wie ihm sein Vater geheißen, der Vater warf ihm die Autoschlüssel zu und setzte sich auf die Hinterbank.
Koreanische Väter sind in der Regel sehr wortkarg, und auch Jae-woos Vater sprach häufig eher in Schlagworten als in ganzen Sätzen. So wusste sein Sohn denn auch nicht, was er meinte, als sein Vater während der Fahrt wiederholt „Jae-woo! Back Meera! Back Meera!“ rief. Der Vater wurde zunehmend ungeduldig, und seiner Stimme merkte man eine steigende Anspannung an. Erneut sagte er: „Jae-woo! Back Meera! Back Meera!“
Jae-woo verstand wieder nicht, was der Vater meinte. Er sah sich um und dachte krampfhaft nach, was ihm sein Vater wohl mitteilen wollte, bis ihm endlich ein Licht aufging: „Meinst du etwa ‚back mirror‘, Vater?“, fragte er. „Ja! Natürlich!“, antwortete der Vater ärgerlich. „Da habe ich so viel Geld ausgegeben, damit du ein Jahr in den USA leben kannst, und du weißt nicht mal, was Back Meera bedeutet.“ Das Wort back mirror (Rückspiegel) hatte er koreanisiert und „Back Meera“ ausgesprochen.
Auch andere englische Wörter sind mittlerweile in den koreanischen Sprachgebrauch übergegangen, wie zum Beispiel Fighting, das allerdings konglisch „Paiting“ ausgesprochen wird. Es ist als Motivationsspruch geläufig und bedeutet so viel wie „Auf geht’s“, „Viel Glück“ oder „Kämpfen!“. Ein weiteres beliebtes Konglisch-Wort unter den Koreanern ist „Orai Orai“, was für alright, alright steht und beim Rückwärtseinparken genutzt wird. „Terebi“ steht für Television, „Apatae“ für Apartment. Navigation versteht man in Korea nur, wenn es „Naebigaeischeon“ ausgesprochen wird, und das Handy kennt man hier nur als „Haendaepon“.
Schimpfwörter sind in Südkorea weitverbreitet
Wenn es so etwas wie eine Weltrangliste für Länder mit den meisten Schimpfwörtern gibt, dann wäre Korea sicherlich auf einem der vordersten Plätze vorzufinden. Gaesaeki (Hundesohn), Schibalsaeki (Hurensohn), Byeontaesaeki (Perversling), Schibalnom (verrückter Bastard), Schibalnom Gaesaeki Michinsaeki (verrückter Hundesohn-Bastard), Schibsaeki Chonsaram (Dorftrottel), Dorai (Verlierer), Doldaegari (Betonkopf) sind nur wenige Schimpfwörter aus dem reichlichen Repertoire des Landes.
Schibal hört sich so ähnlich an, wie die koreanische Zahl 18 ausgesprochen wird (schib = 10, pal = 8) und ist eines der meistgenutzten Wörter in Korea. Und dann gibt es unglückliche Namen wie Pak You (die koreanische Variante von Fuck You) oder Kim You-seok (ähnlich dem englischen You suck), bei denen man sich sein Lachen verkneifen sollte. Wenn man in ein neues Land kommt, ist das Lernen von Schimpfwörtern jedenfalls ein essenzieller Teil der Kommunikation.
Der Text ist ein Auszug aus dem gerade in aktualisierter Neuauflage erschienenen Buch „Gebrauchsanweisung für Südkorea“ von Martin Hyun, Piper Verlag/piper.de, 240 Seiten, 16 Euro.