WELTGo!
Ihr KI-Assistent für alle Fragen
Ihr KI-Assistentfür alle Fragen und Lebenslagen
Start-up-Szene

Ideen suchen Geld

Von Guido M. Hartmann
Veröffentlicht am 24.06.2024Lesedauer: 6 Minuten
Start-up trifft auf Kapital: Elisha Benner präsentiert Brigitte Mohn (Mitte), Vorständin der Bertelsmann-Stiftung, seine Würfelbox, sie soll Kindern das Erlernen von Mathematik erleichtern.
Start-up trifft auf Kapital: Elisha Benner (r.) präsentiert Brigitte Mohn, Vorständin der Bertelsmann-Stiftung, seine WürfelboxQuelle: Guido M. Hartmann

In Ostwestfalen fördert der Mittelstand gezielt Gründer und junge Firmen, um die Region zukunftsfähig zu machen. Einmal jährlich treffen beide Welten in Bielefeld bei der Konferenz „Hinterland of Things“ aufeinander.

Anzeige

Als Gründer Elisha Benner in der Stadthalle Brigitte Mohn erblickt, nutzt er seine Chance. Der 26-Jährige spricht die Vorständin der Bertelsmann-Stiftung an und präsentiert sein Produkt, die Würfelbox „TukToro“, die Kindern das Erlernen der Mathematik erleichtern soll. Und Brigitte Mohn lässt sich die Ideen des Bildungsunternehmers geduldig erklären und posiert danach auch gerne für gemeinsame Bilder. Ein kleiner Erfolg für Benner: Wie Hunderte weitere Start-up-Unternehmer ist er an diesem Tag zur Konferenz „Hinterland of Things“ gekommen, um neue Partner und Investoren zu finden.

Die Familienunternehmer Jan-Hendrik Goldbeck, Carsten Coesfeld und Frank Seidensticker auf dem Podium mit Journalist und Moderator Thorsten Giersch (v. r.)
Die Familienunternehmer Jan-Hendrik Goldbeck, Carsten Coesfeld und Frank Seidensticker auf dem Podium mit Journalist und Moderator Thorsten Giersch (v. r.)Quelle: Julian Huke

Das Treffen mit dem eigentümlichen Namen fand erstmals 2018 in Bielefeld statt, mit etwa 300 Teilnehmern. Seither stieg die Zahl von 600 über 1500 auf jetzt etwa 2500 Teilnehmer, so der Veranstalter, die von der Bertelsmann-Stiftung ins Leben gerufene Founders Foundation in Bielefeld. „Deutschland hat eine dezentrale Wirtschaft, 75 Prozent des Bruttoinlandsprodukts werden außerhalb der zehn größten Städte gebildet“, sagte Geschäftsführer Dominik Gross zum Auftakt. „In der Fläche sitzen die Weltmarktführer“ – und in NRW eben besonders viele in Ostwestfalen. Von denen konnte Gross über die Jahre einige als Sponsoren und Mitglieder der „Hinterland-Allianz“ gewinnen, etwa Miele, Phoenix Contact, Goldbeck, Melitta und Böllhoff. Einige dieser Unternehmen, zumeist in Familienbesitz, sind sehr erfolgreich und verfügen über viel Kapital. Doch die Industrie ist im Wandel, ihr künftiger Erfolg nicht in Stein gemeißelt. Um sich breiter und zukunftsfester aufzustellen, suchen diese Firmen den Kontakt zu Gründern.

Anzeige

Eine Schule für Start-ups

„Wir brauchen auch einen neuen Mittelstand, der aus den erfolgreichen Start-ups in der Region erwachsen kann“, sagte Brigitte Mohn WELT AM SONNTAG. Und weil Wirtschaft immer auch Wandel ist, initiierte die promovierte Sozialwissenschaftlerin 2016 zusammen mit der Bertelsmann-Stiftung die Gründung der gemeinnützigen Founders Foundation, die Gründer und Start-ups schult und fortbildet – und das kostenlos. Vor einigen Jahren habe es in der Region lediglich eine Handvoll digitaler Neugründungen gegeben, mittlerweile seien es schon an die 200, sagt Geschäftsführer Gross. Und etwa die Hälfte davon sei mithilfe der Founders Foundation in Bielefeld auf die Schiene gesetzt worden. Diese jungen Firmen hätten bereits zahlreiche neue Jobs in der Region geschaffen, geschätzt wohl mehr als 2000, so Gross. Und verweist darauf, dass die Founders Foundation erst im März in einem Ranking der „Financial Times“ unter „Europe’s Leading Start-Up Hubs“ gewählt wurde, bundesweit landete sie auf Platz 5.

Auf der Empore der Bielefelder Stadthalle: Die beiden westfälischen Gründer Torsten Bendlin und Vanessa Böckstiegel haben sich von der Founders Foundation schulen lassen, bevor sie mit Geschäftspartnern loslegten
Auf der Empore der Bielefelder Stadthalle: Die beiden westfälischen Gründer Torsten Bendlin und Vanessa Böckstiegel haben sich von der Founders Foundation schulen lassen, bevor sie mit Geschäftspartnern loslegtenQuelle: Guido M. Hartmann

Zwei der Absolventen waren in Bielefeld dabei. Die Ostwestfälin Vanessa Böckstiegel gründete mit drei Partnern Easimo, ein digitales Portal für Immobilienverwalter. „Unser kleinster Kunde verwaltet 25 Wohnungen, unser größter 17.000“, berichtet die 36-Jährige. Mittlerweile hat die Firma 24 Mitarbeiter. „Viele Hausverwaltungen leiden unter Nachwuchsmangel. Mithilfe unserer Software können die Firmen diesen Mangel ausgleichen und bestimmte Arbeiten, etwa in der Buchhaltung und bei den Nebenkosten-Abrechnungen, ersetzen.“ Auf der Messe führte sie auch Gespräche mit potenziellen Großkunden. „Man braucht auch die richtige Idee zum richtigen Zeitpunkt, um damit an den Markt zu gehen.“

Anzeige

Das bestätigt auch Torsten Bendlin. „Das Timing ist beim Gründen mit am wichtigsten.“ Der heute 54-Jährige hat die Schulung ebenfalls durchlaufen. „Ich war lange in der Möbelindustrie, zuletzt als Einkaufsleiter“, berichtet der Bielefelder. Nachdem er nebenberuflich seinen MBA gemacht hatte, wolle er beruflich noch einmal etwas Neues wagen. Obwohl er zwei jüngere Kinder hat und damit die Sicherheit der beruflichen Laufbahn mit gutem Einkommen aufgeben musste. Mit 46 Jahren schmiss Bendlin seinen Job, pitchte erfolgreich bei der Founders Foundation, um dann mit Partnern das Start-up Valuedesk zu gründen. „Wir befähigen Unternehmen durch Systematik und Technologie, dauerhaft kosteneffizienter zu arbeiten.“ Mehr als zehn Millionen Euro seien bislang bereits in die Softwareentwicklung investiert worden. Valuedesk habe bereits eine zweistellige Anzahl von Kunden, mit Umsätzen von zehn Millionen bis zwölf Milliarden Euro. Bendlins Ziel ist eine erfolgreiche Firma, die in einigen Jahren mit Gewinn verkauft werden könnte. So würden die meisten Start-up-Gründer denken und auch dementsprechend handeln. „Es müssen nicht alle gleich Familienfirmen werden, die dann über Jahrzehnte oder Jahrhunderte bestehen sollen“, sagt Bendlin.

Innovative Technologien gesucht

Die Region Ostwestfalen müsse sich nicht mit Metropolen wie Berlin oder München vergleichen, sagt Dominik Gross von der Founders Foundation. Mit mehr als 100.000 mittelständischen Unternehmen habe man eine Stärke, die es zu nutzen gelte. Wichtig sei aber, insgesamt als Standort technologieaffiner zu werden und Kontakte mit Gründern und Gründungswilligen zu knüpfen. Dazu müsse aber erst einmal Vertrauen zwischen beiden Seiten aufgebaut werden. Und das passiere über Veranstaltungen wie eben die Hinterland-Konferenz. Diese Idee unterstützt auch Bauunternehmer Jan-Hendrik Goldbeck: „Wenn jemand anderes auf eine coole Idee kommt, die man selbst nicht hatte, bricht man sich selbst keinen Zacken aus der Krone, das anzunehmen und dort Kunde zu werden“, sagte er auf einem Podium mit Hemdenfabrikant Frank Seidensticker und Bertelsmann-Vorstand Carsten Coesfeld.

Auch intern treiben viele Familienunternehmen Innovationen voran. Bei Wago aus Minden etwa, einem Spezialisten für die elektrische Verbindungstechnik und einer der größten Arbeitgeber in OWL, können Mitarbeiter ihre Ideen im Unternehmen testen und entwickeln. Und Audiotechniker Sennheiser hat einen Innovationsbereich gegründet, in dem neue Technologien und Geschäftsmodelle entwickelt werden.

In Bielefeld kamen Start-ups mit Mittelständlern zusammen, auch Berater und Vermittler von Wagnis-Kapital nahmen am Treffen teil, die Veranstalter sprachen von rund 2500 Teilnehmern
In Bielefeld kamen Start-ups mit Mittelständlern zusammen, auch Berater und Vermittler von Wagnis-Kapital nahmen am Treffen teil, die Veranstalter sprachen von rund 2500 TeilnehmernQuelle: Guido M. Hartmann

„Start-ups bringen die Innovationen, die etablierte Unternehmen zukunftsfähig machen“, sagte auch der Düsseldorfer Rechtsanwalt Johannes Auf dem Kampe, der für Sponsor PWC in Bielefeld dabei war und bei der Vermittlung von Wagniskapital berät. Bei Zukunftsthemen wie Klimatechnik und Kreislaufwirtschaft fehle etablierten Unternehmen, insbesondere außerhalb der Metropolregionen, der Zugang zu bestimmten Innovationen. Hier könnten Fonds für Wagniskapital helfen und Lösungen entwickeln, „um die Mittelständler mit auf die Reise zu nehmen“.

In der großen Halle hat auch die Logistikbude GmbH aus Dortmund einen Infostand. Mitgründer Philipp Hüning und seine Kollegen tragen das pinkfarbene T-Shirt der deutschen Nationalmannschaft, passend zur Fußball-EM. Der 36-jährige Dortmunder hat an der dortigen TU studiert und promoviert. „Mit unserer Software können unsere Kunden sämtliche Mehrwegobjekte verwalten, von Paletten oder Behälter über Gestelle bis hin zu Sonderlösungen wie Cargobikes oder Mehrweg-Geschirr“, erläutert Hüning. Ziel sei eine Standard-Software für alle Mehrweg-Produkte in der Logistik. Und mittlerweile habe man auch schon große Kunden wie Schenker und Dachser. „Es geht darum, Behälter und Paletten möglichst schnell wieder in den Kreislauf zu bringen“, so Hüning. In Firmen gehe es hier ähnlich zu, wie in vielen Haushalten beim Leergut. „Das steht häufig in der Ecke und wird vergessen.“ Über drei Fonds für Venture Capital – also Wagnis- oder Risikokapital – und drei sogenannte Business Angel Clubs habe die junge Firma 2,3 Millionen Euro eingesammelt. Hüning und seine noch junge Firma war zum ersten Mal beim „Hinterland“-Treffen dabei. „Uns gefällt hier das Dreieck aus Start-ups, Investoren und Familienunternehmen“, sagt der Dortmunder. Es gehe sehr locker zu, aber alle wüssten, wovon sie redeten.

Der Dortmunder Gründer Philipp Hüning (Logistikbude GmbH) war zum ersten Mal in Bielefeld dabei, um mit möglichen Investoren und neuen Kunden ins Gespräch zu kommen
Der Dortmunder Gründer Philipp Hüning (Logistikbude GmbH) war zum ersten Mal in Bielefeld dabei, um mit möglichen Investoren und neuen Kunden ins Gespräch zu kommenQuelle: Guido M. Hartmann

Für Gründer Elisha Benner, der aus Berlin angereist war, liefen die Treffen mit Brigitte Mohn und später auch mit deren Bruder Christoph Mohn offenbar sehr vielversprechend. „Während der Gespräche wurde uns angeboten, unser Konzept bei Bertelsmann-Ventures vorzustellen, die in Start-ups im Bildungsbereich investieren.“ Dabei sei auch über eine mögliche Zusammenarbeit mit einem Forschungsprojekt der Reinhard-Mohn-Stiftung zur Prävention von Rechenschwäche gesprochen worden. Darüber hinaus habe er auch noch Gespräche mit Andreas Sennheiser und verschiedenen Venture-Capital-Firmen geführt. „Die Teilnahme am Event lief sehr erfolgreich“, bilanzierte Elisha Benner seinen Ostwestfalen-Ausflug.