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Mit 88 Jahren

Deutschlands ältester Rabbi geht in Rente

Veröffentlicht am 16.03.2015Lesedauer: 3 Minuten
Bis Ende März ist William Wolff noch hauptberuflich Landesrabbiner von Mecklenburg- Vorpommern
Bis Ende März ist William Wolff noch hauptberuflich Landesrabbiner von Mecklenburg- VorpommernQuelle: dpa

Schwarze Kippa, weißes Haar, altersgebeugter Gang, blitzgescheite Augen, feiner Humor: Deutschlands ältester Rabbiner William Wolff ist 88. Und er schmiedet bereits Pläne für seine Zukunft.

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Freitagvormittag in Mecklenburg-Vorpommerns Landeshauptstadt Schwerin: Auf dem Schreibtisch von Deutschlands ältestem amtierenden Rabbiner William Wolff (88) türmen sich Papiere und Bücher. Der Gemeindevorsitzende Valeriy Bunimov fragt, etwas ungeduldig wirkend, nach den Predigten für den Gottesdienst am Abend und am nächsten Morgen. Die Texte müssen ins Russische übersetzt werden.

Die Gemeinde besteht fast ausschließlich aus Einwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion. „Ja, ja, habe ich, kommt gleich“, sagt Wolff, geistliches Oberhaupt der rund 1500 Juden im nordöstlichsten Bundesland. Dann beginnt er, über seine Zukunftspläne zu sprechen.

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Bis Ende März ist Wolff hauptberuflich Landesrabbiner von Mecklenburg- Vorpommern. Dann endet sein Vertrag nach 13 Jahren und er wechselt in etwas, das er nicht Ruhestand nennen will. Er behält den Titel Landesrabbiner, soll noch mindestens einmal im Monat einen Gottesdienst halten und die Gemeinde bei öffentlichen Anlässen vertreten. Auch für den interreligiösen Dialog bleibe Wolff zuständig, sagt Bunimov. Ein neuer, junger Teilzeit-Rabbiner soll die anderen Aufgaben übernehmen.

Mit 52 Jahren begann Wolff sein Studium zum Rabbiner

Dass Wolff dem Nordosten wenigstens halb erhalten bleibt, freut seine Partner. „Einen so beherzten Seelsorger, Lehrer und Botschafter wie William Wolff im Land zu wissen, ist ein Segen“, sagt die in der Landesregierung für Religionsfragen zuständige Justizministerin Uta-Maria Kuder (CDU). Unermüdlich sei er auf dem Weg der Versöhnung durch Mecklenburg-Vorpommern unterwegs gewesen.

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Die meiste Zeit wird Wolff künftig in England verbringen, in Henley-on-Thames auf halbem Weg zwischen London und Oxford. Von dort kam der gelernte Journalist, der mit 52 Jahren ein Studium zum Rabbiner anfing und fünf Jahre später ordiniert wurde, im Jahr 2002 nach Deutschland.

„Man suchte liberale Rabbiner in Deutschland“, erzählt er. Wolff bewarb sich in Schwerin. Dass er den Job bekam, war ein Glücksfall für alle: Der kleine, weise Mann baute das jüdische Leben in der Gemeinde maßgeblich mit auf und prägte mit seiner großen Offenheit den Kontakt zur nichtjüdischen Öffentlichkeit. Bei ihm darf sich jeder willkommen fühlen. Und er fühlt für sich auch so: „Die Leute sind sehr lieb zu mir gewesen“, sagt Wolff.

1933 floh er mit seinen Eltern nach Amsterdam

William Wolff stammt aus Berlin. 1933 floh er im Alter von sechs Jahren mit seinen Eltern nach Amsterdam, fünf Jahre später weiter nach England. Mit welchen Erwartungen, Hoffnungen, Ängsten ist er 2002 nach Deutschland gekommen? „Ich habe nie Erwartungen“, antwortet er. Und er gehe mit sehr frohen Erinnerungen.

Es sei gelungen, ein glaubwürdiges synagogales Leben in Schwerin und Mecklenburg- Vorpommern aufzubauen. Eine jüdische Gemeinde gibt es neben Schwerin auch in Rostock. In Wolffs Amtszeit fiel der Wiederaufbau der 1938 zerstörten Schweriner Synagoge.

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, würdigt Wolff als Religionslehrer und Seelsorger „im besten Sinne“ und ebenso als Menschen mit großem Wissen und feinem Humor.

„Mit seiner Rückkehr nach Deutschland hat Rabbiner Wolff einen enorm großen Beitrag zur Versöhnung und zur Entwicklung des jüdischen Lebens in Mecklenburg-Vorpommern geleistet“, sagt er. „Dafür sind wir ihm sehr dankbar.“

Ein Ruhestand wird die Zeit nach dem 31. März wahrlich nicht. „Am 1. April fliege ich zurück nach England“, sagt Wolff. Zwei Tage später werde er in Newcastle den ersten Gottesdienst feiern.

„In England gibt es genug kleine jüdische Gemeinden, die keinen studierten Rabbiner haben.“ Dort wolle er helfen. Und wieder mehr schreiben. Sein Thema sind britische Premierminister Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts.

dpa/il