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Deutschland Neue Synagoge in Erfurt

„Wer so etwas tut, hat seinen Schutzstatus bei uns verwirkt“

Volontärin „Investigation und Reportage“ / Axel Springer Academy
Polizeischutz vor der Neuen Synagoge in Erfurt Polizeischutz vor der Neuen Synagoge in Erfurt
Polizeischutz vor der Neuen Synagoge in Erfurt
Quelle: picture alliance/dpa/dpa-ZB/Martin Schutt
Nachdem zwei libysche Asylbewerber mutmaßlich Gedenkzettel für Israel vor einer Synagoge angezündet haben, fordern Politiker härtere Abschieberegeln. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, sei der Schutzstatus verwirkt, sagt Thüringens Innenminister. Doch wäre eine Abschiebung überhaupt möglich?
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Es ist die Nacht zum vergangenen Sonntag, als am Eingang der Neuen Synagoge in Erfurt Solidaritätsbekundungen in Flammen aufgehen. Auf diesen standen Worte von Bürgern der Landeshauptstadt Thüringen, die den Terror der islamistischen Hamas am 7. Oktober auf Israel verurteilen. Wenige Stunden später kritzeln Unbekannte mit Kreide auch noch „Vive Palestine, Fuck Israel“ an die Fassade neben den Haupteingang. Verantwortlich für das Feuer sollen zwei Männer sein, die aus Libyen stammen, illegal nach Deutschland eingereist sind und hier einen Asylantrag gestellt haben.

Die Vorfälle aus jener Nacht machten bundesweit Schlagzeilen. Eine antisemitische Tat, schon wieder. Nach dem Angriff auf Israel kommt es vermehrt zu Übergriffen auf Juden. Allein am vergangenen Wochenende wurden ein Rabbiner und ein weiteres Mitglied einer Jüdischen Gemeinde in Frankfurt auf offener Straße beleidigt. In Berlin wurde ein Israeli, der Davidstern-Sticker verteilte, vor einem Restaurant bedroht.

Bereits einige Tage bevor es in Erfurt brannte, wurde unweit der Synagoge offenbar versucht, in das Jüdische Kulturzentrum einzubrechen. Auch das Schloss der Eingangstür wurde zugeklebt. Und dann die angezündeten Gedenkzettel. Zuwanderer, die hierzulande gegen Juden gerichtete Straftaten verüben? Das brachte führende Politiker in Wallung, von Abschiebung war schnell die Rede.

Seit den mutmaßlich antisemitische Vorkommnissen an der Neuen Synagoge in Erfurt wird diese rund um die Uhr von Polizisten bewacht
Seit den mutmaßlich antisemitischen Vorkommnissen an der Neuen Synagoge in Erfurt wird diese rund um die Uhr von Polizisten bewacht
Quelle: picture alliance/dpa/dpa-ZB/Martin Schutt

Am Eingang der Neuen Synagoge ist der antisemitische Schriftzug inzwischen beseitigt, an den Brand erinnern nur noch leichte Rußspuren an den Treppenstufen. Darauf stehen rote Grablichter für die Opfer der Hamas. Die Mitglieder der Jüdischen Landesgemeinde hätten Angst, dass sich solche Taten wiederholen könnten. Das erklärt ihr Vorsitzender Reinhard Schramm. „Unseren Jugendlichen würde ich am liebsten empfehlen, Deutschland zu verlassen!“ Dieses Land sei nichts mehr für Juden, so Schramm.

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In jener Nacht beobachtet ein Zeuge, wie zwei junge Männer vor dem Eingang der Synagoge Papiere anzünden; diese lagen auf den Treppenstufen zum Eingang. „Wir solidarisieren uns mit Israel“, stand auf ihnen. Der Zeuge alarmiert die Polizei, die gegen 1.30 Uhr vor Ort zwei Asylbewerber aus Libyen, 22 und 25 Jahre alt, antrifft. Die beiden Nordafrikaner sind stark alkoholisiert, stehen auch unter Drogeneinfluss. Sie werden vorläufig festgenommen und ihre Personalien festgestellt. Dann kommen sie wieder frei, weil sie einen festen Wohnsitz haben und daher keine Fluchtgefahr besteht. Vernommen wurden sie in dieser Woche noch nicht.

Gegen die Verdächtigen wird wegen Sachbeschädigung ermittelt, zudem wird geprüft, ob sie politisch motiviert handelten. Wegen des antisemitischen Schriftzuges, der an der Synagoge gefunden wurde, wird indes gegen Unbekannt ermittelt. Laut Staatsanwaltschaft gibt es bislang keine Anhaltspunkte dafür, dass die beiden Asylbewerber auch dafür verantwortlich seien.

Nach dem Vorfall entfachten politische Debatten über härtere Abschieberegelungen und strafrechtliche Konsequenzen. „Wer Schutz bei uns begehrt, aber die Schutzrechte von Jüdinnen und Juden missachtet, der kann sich auf Schutzgewährung nicht mehr berufen“, erklärte der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) beim Kurznachrichtendienst X. Und Thüringens Innenminister Georg Maier kommentierte: „Wer so etwas tut, hat seinen Schutzstatus bei uns verwirkt.“

Doch könnten die beiden Nordafrikaner wirklich wegen einer Sachbeschädigung ausgewiesen werden? „Eine Ausweisung ist zunächst gar nicht möglich, weil diese einen legalen Aufenthalt voraussetzt“, sagt Daniel Thym, Professur für Öffentliches Recht an der Universität, Konstanz im Gespräch mit WELT. Während des Asylverfahrens bestehe gar keine Aufenthaltserlaubnis, weshalb eine Abschiebung von vornherein ausscheide.

Nach einem abgeschlossenen Asylverfahren bestünden verschiedene Optionen. „Wird der Asylantrag abgelehnt, darf und muss abgeschoben werden, weil der Aufenthalt unrechtmäßig ist“, so Thym. Wenn der Asylantrag Erfolg habe, werde es komplizierter. „Dann kann man zwar ausweisen, allerdings wird dann nur die Aufenthaltserlaubnis entzogen, sodass die Betroffenen weniger Rechte haben. Sie bekommen dann beispielsweise weniger Geld oder der Familiennachzug wird verwehrt“, erklärt der Jurist. Eine Abschiebung sei aber trotzdem nicht möglich, weil Flüchtlinge auch dann nicht abgeschoben werden könnten, selbst wenn sie keine Aufenthaltserlaubnis hätten. „Das ist irre kompliziert. Selbst die Rechtspolitik hat das häufiger durcheinandergebracht“, meint Thym.

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Nach Angaben der Staatsanwaltschaft sind die beiden Nordafrikaner nicht vorbestraft. Die zuständige Ausländerbehörde wollte sich auf Anfrage von WELT weder dazu äußern, wie lange die Männer schon in Deutschland sind, noch wie der Stand ihres Asylverfahrens ist oder welche Konsequenzen sie zu befürchten haben.

Innenminister Maier sagte dieser Zeitung: „Schmierereien und Zündelleien an einer Synagoge sind keine Bagatellen, sondern Angriffe auf unsere Gesellschaft und Werte. Das können und werden wir nicht zulassen“. Er habe die Thüringer Polizei deshalb angewiesen, den Schutz des Gotteshauses zu verstärken. „Ab sofort werden Polizisten rund um die Uhr Wache halten.“

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