WELTGo!
Ihr KI-Assistent für alle Fragen
Ihr KI-Assistent für alle Fragen und Lebenslagen
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Politik
  3. Deutschland
  4. Militärseelsorge: Rabbiner zurück in der Bundeswehr? „Nur folgerichtig“

Deutschland Militärseelsorge

Rabbiner zurück in der Bundeswehr? „Nur folgerichtig“

Politischer Korrespondent
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster (r.) unterzeichnen den Staatsvertrag Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster (r.) unterzeichnen den Staatsvertrag
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster (r.) unterzeichnen den Staatsvertrag
Quelle: Bundeswehr / Torsten Kraatz
Der Zentralrat der Juden macht den Weg dafür frei, dass Rabbiner nach Langem wieder in der Bundeswehr aktiv werden können. Militärpfarrer Pascal Kober lobt: So zeige man „Gesicht und Flagge“. Und wie sieht es mit Imamen bei der Armee aus?

Nach rund 100 Jahren werden erstmals wieder Militärrabbiner in den deutschen Streitkräften Dienst tun. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, unterzeichneten dazu am Freitag in Berlin einen Staatsvertrag.

Lesen Sie auch

Ab dem kommenden Jahr sollen sich zunächst zehn Militärrabbiner um die schätzungsweise 300 jüdischen Soldaten kümmern. Der Bundestagsabgeordnete Pascal Kober (FDP), der vier Jahre lang als evangelischer Militärpfarrer arbeitete, ordnet den Staatsvertrag ein.

WELT: Freuen Sie sich über die neuen Kollegen in der Seelsorge, Herr Kober?

Pascal Kober: Absolut. Dass jüdisches Leben heute ganz selbstverständlich dazugehört in der Bundeswehr, dafür können wir nach dem Menschheitsverbrechen der Schoah nicht dankbar genug sein. Ich weiß, dass es in den jüdischen Gemeinden durchaus umstritten ist, dass Juden in der deutschen Armee Dienst tun.

Lesen Sie auch

Aber ich freue mich ganz einfach über jeden, der sagt: Das ist mein Land, das ist mein Recht, das ist meine Freiheit, das ist meine Bundeswehr – und ich überlasse es niemandem anderen, sondern mache da selbst mit. Der Staatsvertrag macht sichtbar, was schon länger Realität ist: dass nämlich auch jüdische Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr dienen. Es ist nur folgerichtig, diese Entwicklung jetzt mit der Militärseelsorge zu unterstützen.

Militärpfarrer Pascal Kober bei einer Predigt 2017. Aktuell ist er FDP-Bundestagsabgeordneter
Militärpfarrer Pascal Kober bei einer Predigt 2017. Aktuell ist er FDP-Bundestagsabgeordneter
Quelle: BUNDESWEHR/PAO MINUSMA GAO

WELT: Der Präsident des Zentralrats der Juden hofft auch auf ein Signal gegen Rechtsextremismus in der Bundeswehr. In der Truppe gebe es im Vergleich zur Gesamtbevölkerung einen etwas höheren Prozentsatz von Soldaten, die eher dem rechtspopulistischen oder rechtsextremen Lager zuneigen. Zuletzt wurde insbesondere das Kommando Spezialkräfte in dieser Hinsicht auffällig. Bereitet Ihnen das Sorge?

Kober: Armeen sind attraktiv für Leute aus dem rechtsextremen Spektrum, das ist richtig. Aber wir müssen aufpassen, dass wir die Truppe nicht unter Generalverdacht stellen. Nicht die Streitkräfte machen diese Leute rechtsextrem, sondern sie kommen aus der Gesellschaft und suchen den Weg in die Bundeswehr. Wenn ein Fall aufgedeckt wird, müssen wir zunächst einmal immer daran erinnern, dass die Mehrzahl der Soldatinnen und Soldaten eben nicht Rechtspopulisten oder Rechtsextreme sind. Das gilt auch für unsere Spezialeinheiten.

Und wir müssen immer wieder die Frage stellen: Wem überlassen wir die Bundeswehr? Es ist eine Verpflichtung jedes Demokraten, seine Sicherheitskräfte zu unterstützen, Gesicht und Flagge zu zeigen. Der Zentralrat der Juden macht genau das – und bekennt sich damit zu der Institution unserer Sicherheitskräfte.

WELT: Neben der Seelsorge werden die neuen Militärrabbiner auch am sogenannten Lebenskundlichen Unterricht in der Bundeswehr mitwirken, der zur Gewissensbildung der Soldaten beitragen soll. Was hat es damit auf sich?

Anzeige

Kober: Dieser Unterricht ist eine Besonderheit, die wir als Teil der Inneren Führung in unserer Bundeswehr haben. Dass wir diesen Ethikunterricht nebst politischer Bildung haben, hebt uns auch sehr positiv heraus gegenüber anderen Nationen. Er wird nicht vom Staat selbst verantwortet, sondern in die Hände der Religionsgemeinschaften gegeben.

Dadurch gelingt es auch, sehr offene Diskussionen außerhalb der militärischen Hierarchie zu führen. Die Auseinandersetzung mit anderen Religionsgemeinschaften wie dem Judentum kann dabei einen zusätzlichen Anstoß geben, die Freiheitlichkeit unserer Grundordnung und die Vielfältigkeit unseres demokratischen Gemeinwesens zu diskutieren.

WELT: Voraussetzung ist allerdings, dass der Unterricht auch stattfindet. Fallen immer noch so viele Stunden wegen der Überlastung der Truppe aus?

Kober: Die Truppe ist extrem gefordert in ihren Einsätzen, deshalb erreichen wir stundenmäßig nicht den gewünschten Umfang. Es fehlt an Zeit. Ich appelliere, den Raum für Lebenskunde und politische Bildung auch tatsächlich zu schaffen.

WELT: Die Zahl jüdischer Soldaten schätzt das Verteidigungsministerium auf rund 300, die Zahl der muslimischen auf etwa 3000. Die muslimischen Verbände in Deutschland pochen deshalb darauf, dass es auch Imame in der Bundeswehr geben sollte. Wie stehen Sie diesem Wunsch gegenüber?

Kober: Dem Wunsch steht die Bundeswehr offen gegenüber, das gilt auch für die christliche Militärseelsorge. Hier ist immer nur die praktische Frage zu stellen, wie wir sie auch beim muslimischen Religionsunterricht in den Schulen stellen: Wer ist unser Ansprechpartner? Mit wem könnte man denn so einen verbindlichen Staatsvertrag überhaupt eingehen? Und wer ist dann derjenige, der als Disziplinarvorgesetzter in geistlichen Fragen diese Militärseelsorge verantwortet?

Da sind Kriterien zu erfüllen, beispielsweise eine Ausbildung in Deutschland, eine deutsche Sprachkompetenz, deutsche Staatsbürgerschaft. Das scheitert nicht an der Offenheit der Bundeswehr oder an der Offenheit der anderen Religionen, sondern das ist eine organisatorische Frage. Die muslimischen Verbände haben bislang noch keinen tragfähigen Vorschlag vorgelegt.

Schwierigkeiten bei der Berufung islamischer Seelsorger

Seelsorge sollen neben christlichen auch jüdische und muslimische Soldaten bekommen, das hat der Bundestag Anfang April beschlossen. Die Umsetzung des Beschlusses gestaltet sich jedoch als schwierig.

Quelle: WELT/Thomas Laeber

Anzeige

WELT: Die Zahl evangelischer Soldaten liegt bei rund 53.000, die der katholischen bei etwa 41.000. Eine genaue Erfassung der Religionszugehörigkeit gibt es nicht, klar ist aber: Die Zahl nimmt ab. Wird die Seelsorge überhaupt noch in Anspruch genommen?

Kober: Die konfessionelle oder kirchliche Bindung nimmt auch in der Bundeswehr immer mehr ab, aber unser Angebot wird dennoch sehr gut angenommen. Nachgefragt ist im Alltag vor allem psychosoziale Lebensberatung bei familiären Problemen oder Konflikten mit Vorgesetzten. Da Militärseelsorger in der Bundeswehr eine unabhängige Stellung haben – wir unterstehen disziplinarisch der Kirche, nicht dem Militär –, sind wir in unserem Rat frei.

Lesen Sie auch

WELT: Aber steht die Kirche überhaupt hinter den Soldaten? Äußerungen mancher Friedensethiker gerade in der Evangelischen Kirche in Deutschland lassen daran gelegentlich Zweifel aufkommen.

Kober: Für mich ist es eine ethische Pflicht, schutzlose Menschen zu schützen oder rechtlose Situationen in einem Staat zu beenden. Das ist auch die offizielle Position der evangelischen Kirche, ausgearbeitet in der Lehre vom „gerechten Frieden“. Aber das wird innerhalb der Kirche in der Tat durchaus kontrovers diskutiert.

WELT: Sie haben als FDP-Abgeordneter jetzt dem von der Bundestagsmehrheit abgelehnten Antrag Ihrer Partei zur Beschaffung von bewaffneten Drohnen zugestimmt. Wie begründet der Christ Pascal Kober das?

Kober: Als Politiker und als Christ sehe ich meine Verantwortung darin, den bestmöglichen Schutz für unsere Soldatinnen und Soldaten zu gewährleisten. Wir müssen uns immer wieder bewusst sein, dass wir eine Parlamentsarmee haben. Das heißt: Über den Einsatz unserer Waffen, über die Mandate, über die tatsächlichen Grenzen dessen, was militärisch gemacht wird in unseren Einsätzen, entscheidet der Bundestag. Dieser trägt die Verantwortung und ist demokratisch legitimiert. Das wird beim Einsatz von bewaffneten Drohnen nicht anders sein. Außerdem kann erkennbare Wehrhaftigkeit Gewalt auch minimieren. Das Abschreckungspotenzial von bewaffneten Drohnen darf man nicht unterschätzen.

Ich war jetzt selber gerade auf einer Reise in Afghanistan. Allein die Tatsache, dass die Amerikaner dort Kampfjets in der Luft haben – ohne dass sie bombardieren –, hat schon dazu geführt, dass die Taliban in Deckung geblieben sind und keinen Angriff versucht haben. Das heißt, ein neues militärisches Mittel ist nicht zwingend damit verbunden, dass die Anwendung von Gewalt zunimmt.

WELT: Sind Drohnen ethisch neutrale Waffen?

Kober: Sie sind jedenfalls nicht geächtet wie beispielsweise Chemiewaffen. Wir müssen das offen und ehrlich diskutieren: Es gibt heute viele Waffensysteme – denken Sie an die Panzerhaubitze 2000, also die moderne Artillerie –, die über Distanzen eingesetzt werden, wo der Schütze das Ziel nicht mehr sieht. Auch die Piloten in unseren Kampfjets haben nur eingeschränkte Einblicke in das Zielgebiet. Insofern ist mit der bewaffneten Drohne jetzt faktisch nicht wirklich substanziell Neues geschehen, womöglich bietet sie sogar ein besseres Lagebild.

Klar ist für uns, dass „targeted killing“, also gezieltes Töten von Personen, mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist. Da haben wir unsere rechtlichen und ethischen Standards, die auch beim Einsatz von Drohnen so gelten.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema