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  4. Antisemitismus: Rabbiner fordert besseren Schutz für Juden

Deutschland Rabbiner zu Antisemitismus

„Schauen Sie einfach, was in den letzten fünf bis zehn Jahren hier passiert ist“

Korrespondent
So gefährlich ist es, in Berlin eine Kippa zu tragen

Quelle: WELT/David Schafbuch/Dominic Basselli

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Bisher fühlte sich Rabbiner Chaim Barkahn in Düsseldorf sicher. Doch seit einem antisemitischen Angriff hat sich das geändert. Der gebürtige Israeli fordert ein selbstbewusstes Auftreten von Juden in der Öffentlichkeit – natürlich mit Kippa.

WELT: Herr Barkahn, Sie wurden antisemitisch attackiert. Was ist genau passiert?

Chaim Barkahn: Ich war am Sonntagabend nach 22 Uhr auf der Straße in der Nähe meiner Gemeinde unterwegs und habe mit dem Handy telefoniert, als mich ein Mann grüßte. Ich habe die Hand zum Gruß gehoben, dann fing er plötzlich an, mich als „Scheißjuden“ zu beschimpfen.

Ich habe kaum etwas verstanden, er erwähnte immer wieder Israel. Er hat richtig geschrien. Ich bin weitergegangen, aber er kam hinter mir her und hat weitergemacht. Ich hatte richtig Angst. Irgendwann hat er aufgehört. Ich bin dann in unser Gemeindehaus. Da habe ich mich etwas sicherer gefühlt.

WELT: Haben Sie so etwas schon einmal erlebt?

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Barkahn: Wenn mich Bekannte gefragt haben, „wie ist es bei dir?“, konnte ich immer sagen: „Zum Glück ist es ruhig in Düsseldorf. Hier ist es sicher. Es ist schön, in dieser wunderbaren Hauptstadt Düsseldorf zu leben. Man kann hier mit Kippa und schwarzem Hut in der ganzen Stadt herumlaufen, bei Tag und bei Nacht.“ Am Sonntag hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass ich hier nicht mehr sicher bin.

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WELT: Haben andere Gemeindemitglieder so etwas auch schon mal erlebt?

Barkahn: Ab und zu hört man etwas. Nachdem ich über den Angriff bei Facebook geschrieben hatte, haben sich andere gemeldet und erzählt, dass ihnen etwas Ähnliches auch passiert ist.

WELT: Juden in Deutschland beklagen seit längerer Zeit Angriffe, Anfeindungen, Beschimpfungen. Die Zahl antisemitischer Straftaten ist gestiegen. Ändert sich das Klima?

Barkahn: So wie ich es aus anderen Städten höre, ändert es sich. Ich werde künftig vorsichtiger sein.

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WELT: Was meinen Sie damit?

Barkahn: Ich werde künftig sofort die Polizei rufen und die Landesregierung informieren. Wir werden in der Gemeinde bald einen Selbstverteidigungskurs anbieten.

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WELT: Werden Sie auf das Tragen der Kippa im öffentlichen Raum verzichten?

Barkahn: Nein. Nein. Auf keinen Fall. Ich bin der dienstälteste Rabbiner in Düsseldorf. Wir sollten weiterhin mit Kippa rausgehen und uns zeigen. Wir dürfen uns nicht verstecken. Wenn wir jetzt aufgeben würden, dann haben wir keine Zukunft. Ich liebe diese Stadt Düsseldorf, und ich möchte mich hier zeigen können, wie ich bin. Wir haben hier etwas aufgebaut und werden weiter mit Stolz jüdisches Leben aufbauen.

WELT: Weshalb ändert sich das Klima in Deutschland?

Barkahn: Das ist eine schwere Frage. Es ist eine politische Frage, und als Rabbiner nehme ich keine Stellung zu politischen Fragen. Nur so viel: Schauen Sie einfach, was in den letzten fünf bis zehn Jahren hier passiert ist, dann kann man einiges erkennen.

WELT: Was meinen Sie genau?

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Barkahn: Ich möchte sehr vorsichtig sein und keine pauschalen Äußerungen machen.

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WELT: Meinen Sie die Zuwanderung von Muslimen in den vergangenen Jahren?

Barkahn: Das ist auch ein Thema, aber ich möchte es nicht verallgemeinern.

WELT: Haben Sie die Sorge, dass sich mit der Zuwanderung auch judenfeindliche Einstellungen verstärken?

Barkahn: Ich hoffe nicht.

WELT: Schüren die Hasskommentare in den sozialen Medien antisemitische Stimmung?

Barkahn: Schwer zu sagen. Ich habe auch bei Facebook einige Kommentare gesehen, die nicht schön sind. Dunkelheit vertreibt man mit Licht und Hass mit Liebe. Wir müssen den dunklen Kommentaren etwas entgegensetzen und zeigen: Wir bleiben tolerant, denken positiv, leben offen. Wir sollten stolz weitergehen, auch mit Kippa. Ich bin sicher, wir kriegen das hin.

WELT: Tun die Sicherheitsbehörden genug?

Barkahn: Ich habe persönlich sehr enge Beziehungen zur Polizeibehörde in Düsseldorf und schätze sehr, was sie macht. Aber ich darf auch laut sagen: Es reicht nicht. Wir brauchen mehr Schutz. Es darf nicht sein, dass jüdische Menschen mit Angst zur Synagoge gehen.

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