US-Präsident Joe Biden befindet sich derzeit auf Wahlkampf-Tour im Bundesstaat Wisconsin. In einer kämpferischen Rede, die Biden am Freitag hielt, beschuldigte der 81-Jährige die Mitglieder seiner demokratischen Partei, ihn aus dem Präsidentschaftsrennen drängen zu wollen.
Biden versicherte erneut: „Sie versuchen, mich aus dem Rennen zu drängen. Lassen Sie mich das so deutlich sagen, wie ich kann: Ich bleibe im Rennen!“ Neben seiner Rede hat der Präsident einen weiteren wichtigen Termin auf seiner Liste: ein TV-Interview mit dem Sender ABC News. Der ehemalige Berater von Bidens Vorgänger Barack Obama, David Axelrod, sagte im Sender CNN: „Er scheint nicht in der Lage zu sein, die Tatsache zu begreifen, dass die Leute diese Fragen an ihn haben.“
Allerdings unterlief ihm wieder ein Patzer: Ausgerechnet auf dem Höhepunkt der Rede, als er laut beklatscht wird, sagte Biden voller Enthusiasmus: „Ich werde Trump besiegen! Ich werde ihn 2020 wieder besiegen!“ Es hätte natürlich 2024 heißen müssen.
Dass der amtierende US-Präsident derart drastische Worte finden musste, um seine Tauglichkeit zu beweisen, liegt vor allem an dem Ausgang des TV-Duells mit seinem republikanischen Kontrahenten – und Ex-Präsidenten – Donald Trump.
Biden wirkte in der Debatte fahrig, vergesslich und war schlicht nicht fit. Daraufhin mehrten sich auch unter den Demokraten die Stimmen, Bidens Präsidentschaftskandidatur zu hinterfragen. Die Präsidentschaftswahl findet dieses Jahr im November statt.
Das ABC-Interview wurde am Freitag in der Hauptstadt Wisconsins, Madison, aufgezeichnet und gegen 2:30 Uhr deutscher Zeit am Samstag ausgestrahlt. Das Gespräch mit Moderator George Stephanopoulos wurde mit Spannung erwartet, da es für Biden ein Befreiungsschlag sein oder den Eindruck seiner Gebrechlichkeit bestätigen könnte.
Die wichtigsten Inhalte des Joe-Biden-Interviews:
Ein Thema des Interviews war Bidens Leistung während des TV-Duells mit Trump. Im ABC-Interview übernimmt Biden die Verantwortung für seinen desaströsen Auftritt. „Die ganze Art, wie ich mich vorbereitet habe: Niemand ist schuld, nur ich.“ Biden wiederholte, dass er einen „schlechten Abend“ gehabt habe, er aber nicht an einer ernsthaften Erkrankung leide.
Der 81-Jährige betonte, dass er vor und während der Debatte eine „wirklich schlimme Erkältung“ gehabt habe. „Ich habe mich schrecklich gefühlt.“ Bei der Vorbereitung habe er außerdem nicht auf seinen Instinkt gehört. Auf die Frage des Moderators Stephanopoulos, ob er sich die Debatte danach noch einmal angesehen habe, gab Biden die etwas konfuse Antwort: „Ich glaube nicht, dass ich das getan habe.“
„Ich mache nicht nur Wahlkampf, ich regiere die Welt“
Nach seiner körperlichen Verfassung gefragt, antwortete Biden, der in seiner Freizeit gern Fahrrad fährt, er sei „immer noch gut in Form“. Moderator Stephanopoulos fragte weiter: „Sind Sie gebrechlicher geworden?“
Biden antwortete: „Nein.“
„Kann ich die 100 Meter in 10 Sekunden laufen? Nein, aber ich bin immer noch gut in Form“, sagte Biden dem ABC-Moderator. Er wich aber der Frage nach kognitiven und neurologischen Test aus und ob er in den vergangenen Monaten häufiger Ausfälle gehabt hätte.
Der Präsident sagte, dass „niemand gesagt hat, dass ich mich kognitiven und neurologischen Untersuchungen unterziehen muss“, und fügte hinzu: „Ich absolviere jeden Tag einen kognitiven Test.“ „Wissen Sie“, sagte Biden zu dem Moderator gewandt, „ich mache nicht nur Wahlkampf, ich regiere die Welt.“
Biden, der Kämpfer gegen Putin
Während des Gesprächs mit George Stephanopoulos trug Biden ein weiß gestreiftes, hellblaues Hemd, ein schwarzes Jackett und immer wieder ein leichtes Lächeln. In den Aufnahmen ist aber auch zu sehen, wie Biden mit leicht geöffnetem Mund und etwas starrem Blick Stephanopoulos anschaute.
Im Interview selbst versuchte Biden auch eigene Punkte zu setzen, Stärke zu zeigen. Mit belegter Stimme, kurz vorm Räuspern, wandte er sich an den Moderator „George“: „Ich bin der, der Putin bekämpft, der die Nato steuert.“
„Ich verstehe am besten, was zu tun ist, um die Amerika voranzubringen.“, so Biden weiter.
Deshalb sprach der amtierende Staatschef auch selbstsicher: „Ich glaube nicht, dass irgendjemand besser qualifiziert ist, Präsident zu werden oder dieses Rennen zu gewinnen, als ich.“ Diese Antwort sollte dabei einen Punkt gegen Zweifler in den demokratischen Reihen setzen – und natürlich gegen seinen republikanischen Herausforderer Donald Trump.
Biden setzte aber noch einen drauf: Auf die Frage, ob er seine Kandidatur aufgeben würde, wenn die Demokraten im Kongress ihm sagen würden, er verletze ihre Chancen auf eine Wiederwahl, sagte Biden: „Wenn der Allmächtige mir sagt, dass ich das vielleicht tun könnte“.
Für Trump hatte Biden klare Worte übrig: „Trump ist ein notorischer Lügner. Der Mann ist ein Lügner, hat 28-mal oder so über seine Wirtschaftsleistung gelogen.“ Biden spielte dabei auf die Aussagen Trumps in dem TV-Duell an.
Angesprochen auf Umfragen, nach denen der bisher älteste Präsident der US-Geschichte in den vergangenen Tagen weiter an Unterstützung verloren habe, wischte dieser beiseite. Vielmehr stellte er die Glaubwürdigkeit dieser Umfragen infrage. „Das kaufe ich nicht ab“, sagte Biden. Seine Berater würden ihm etwas anderes sagen.
Eine kurze Fragerunde, der sich Trump nicht stellen wollte
Immer wieder wurde das im Vorfeld aufgezeichnete Interview unterbrochen. Zwei Moderatorinnen im ABC-Studio ordneten die eben gesehenen Interview-Clips ein. Sie sprachen etwa über die Stimmung unter den millionenschweren Großspendern der Demokratischen Partei.
Nach nur 22 Minuten endete das Interview dann auch relativ abrupt. Laut dem Sender war es – bis auf die Unterbrechungen der Studio-Moderatorinnen – weder geschnitten noch bearbeitet.
ABC News hatte auch dem ehemaligen Präsidenten Trump ein Solo-Interview angeboten, dieser schlug das Angebot aus, wie der Sender mitteilte.
Nach einem Bericht der „Washington Post“ will der Senator Mark Warner diesen Montag einen offenen Aufstand gegen Biden initiieren. Demnach will er bei einem Treffen mit anderen demokratischen Senatoren die Gruppe auffordern, gemeinsam Biden zum Ausstieg aus dem Wahlkampf zu drängen. Der demokratische Abgeordnete Mike Quigley aus Illinois forderte Biden im Sender MSNBC auf, entweder Platz für einen anderen Bewerber zu machen oder eine „totale Katastrophe“ zu riskieren.
Die demokratische Gouverneurin von Massachusetts, Maura Healey, rief Biden dazu auf, sorgfältig zu prüfen, „ob er weiterhin unsere beste Hoffnung ist, Donald Trump zu besiegen“. Mehrere einflussreiche Spender und Geschäftsleute haben ihren Unmut bereits öffentlich geäußert. Sie drohen damit, die Finanzierung der Wahlkampagne stoppen.