Rund 30 Staaten wollen sich weltweit für den schnelleren Ausbau und eine einfachere Finanzierung von Atomkraftwerken einsetzen. „Wir verpflichten uns dazu, das Potenzial der Nuklearenergie voll auszuschöpfen“, hieß es in der gemeinsamen Erklärung, die am Donnerstag auf dem ersten internationalen Gipfeltreffen für Atomenergie in Brüssel verabschiedet wurde.
Strom aus Atomkraftwerken sei für die Verringerung klimaschädlicher CO₂-Emissionen unerlässlich, hieß es weiter. An dem Treffen nahmen unter anderem Staats- und Regierungschefs aus Frankreich, den Niederlanden und Polen sowie hochrangige Vertreter aus den USA, China und Japan teil.
Die Politiker sprachen sich in ihrer Erklärung nicht nur für den Bau neuer AKW, sondern auch für die Verlängerung der Lebenszeit bestehender Anlagen aus. Weiters plädierten sie für den raschen Einsatz neuerer und kleinerer Reaktoren.
Die Teilnehmer riefen internationale Finanzinstitutionen wie die Weltbank dazu auf, Atomprojekte verstärkt zu unterstützen und deuteten an, dass andere alternative Energieträger aus ihrer Sicht von Entwicklungsbanken bislang bevorzugt behandelt würden. Deutschland, das den Atomausstieg vollzogen hat, nahm nicht an dem Treffen teil, das von einem Protest der Umweltorganisation Greenpeace begleitet wurde.
Weltweit sind der Internationalen Atomenergiebehörde zufolge 415 Reaktoren zur Stromproduktion in Betrieb. Bereits bei der Weltklimakonferenz Ende vergangenen Jahres hatten rund 20 Staaten angekündigt, die Kapazitäten zur Atomenergieerzeugung bis 2050 zu verdreifachen.
Mehrere Mitgliedstaaten fordern EU-Finanzierung von Atomkraft
Zuvor hatten Atomkraft-Befürworter in der EU haben einen neuen Vorstoß unternommen, um eine europäische Finanzierung der Technologie durchzusetzen. Atom-Forschung sollte auf jeden Fall aus dem EU-Haushalt bezahlt werden – „vielleicht auch Atom-Projekte“, sagte der belgische Ministerpräsident Alexander de Croo der Nachrichtenagentur Reuters. „Ich denke, das ist etwas, was möglich sein sollte“, fügte er hinzu. Belgien hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, dass die Atomenergie eine wichtige Rolle beim Umbau zu einer klimafreundlichen Wirtschaft spielen könne. Im europäischen Recht gilt Atomenergie als eine der Technologien, mit denen die EU ihre Klimaziele erreichen will. Ihre Zukunft hänge jedoch von „der Disziplin der Kernkraftindustrie“ ab, mahnte von der Leyen. „Viel zu oft war der Bau neuer Kernkraftwerke mit erheblichen Mehrkosten und Verzögerungen verbunden“, erklärte sie. Von der Leyen ist Spitzenkandidatin der konservativen Parteienfamilie EVP bei der Europawahl und tritt damit für eine zweite Amtszeit an.
Kernkraft sorge für Energiesicherheit in der EU und könne „helfen, den Klimawandel zu bekämpfen“, erklärte EU-Ratspräsident Charles Michel. „Unsere Priorität muss sein, aus Kohle und dann aus Gas auszusteigen und auf Atomkraft und erneuerbare Energien umzustellen“, betonte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Paris setzt sich seit Jahren für den Einsatz von Atomkraft in der EU ein, inzwischen ist eine knappe Mehrheit von 14 Mitgliedsländern Teil eines Atomkraft-Bündnisses unter französischer Führung.
Die Energiepolitik ist in der Europäischen Union eine nationale Angelegenheit. Jedes Land bestimmt über seinen eigenen Mix an Energieerzeugungs-Technologien. In der EU wabert aber seit Jahren ein Streit über die Finanzierung, auch weil Atomkraft-Projekte sehr teuer sind. Die Befürworter wie de Croo argumentieren, dass man die Technologie auf jeden Fall brauche, wenn man die Klimaschutzziele der EU erreichen wolle. Die deutsche Ampel-Regierung und einige andere EU-Staaten lehnen die Nutzung der Atomkraft und eine Finanzierung aus dem EU-Etat dagegen ab.
Umweltschutzaktivisten protestieren in Brüssel
Mit einer Protestaktion haben Umweltschutzaktivisten vorübergehend den Ablauf des Gipfels in Brüssel gestört. Weil sich Greenpeace-Aktivisten vom Dach abseilten, mussten am Donnerstag Statements der eintreffenden Staats- und Regierungschefs unterbrochen werden. Angaben der Veranstalter zufolge wurde auch die Annahme einer gemeinsamen Erklärung zur globalen Bedeutung der Nuklearenergie wegen des Protests am Konferenzzentrum verschoben.
Einer der Aktivisten wurde bereits vor der Aktion von der Polizei gestoppt. Ein anderer konnte sich abseilen und protestierte etwa 15 Minuten lang über dem Eingang mit einem Plakat mit den Worten „Nuclear Fairytale“ („Nukleares Märchen“). Andere Demonstranten versuchten zudem, den Zugang zum Gipfel mit Fahrrädern und Autos zu blockieren. Greenpeace fordert, Regierungen sollten ihre Energieziele mithilfe erneuerbarer Energien erreichen.