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Medien „Becoming Karl Lagerfeld“

Das Problem der neuen Lagerfeld-Serie

Feuilleton-Redakteurin
Eine große Liebe: Karl Lagerfeld (Daniel Brühl) und Jacques de Bascher (Théodore Pellerin) Eine große Liebe: Karl Lagerfeld (Daniel Brühl) und Jacques de Bascher (Théodore Pellerin)
Große Liebe: Karl Lagerfeld (Daniel Brühl) und Jacques de Bascher (Théodore Pellerin)
Quelle: 2023 Disney
Fünf Jahre nach dem Tod von Karl Lagerfeld widmet ihm Disney+ ein sechsfolgiges Biopic. Die Rolle des Modezaren übernimmt Daniel Brühl. Während das Ergebnis szenisch überzeugt, haben die Autoren doch einen großen Fehler gemacht.

Schon die Ankündigung erforderte einiges an Vorstellungskraft. Daniel Brühl also verkörpert den Modezaren Karl Lagerfeld in der Disney+-Serie „Becoming Karl Lagerfeld“, fünf Jahre nach dessen Tod. Zwei Gedanken schießen einem sofort in den Kopf. Erstens: Würde der deutsche Schauspieler die so ikonische Sprechweise und Intonation hinbekommen, mit der Karl Lagerfeld in der ihm eigenen hanseatischen Schnodderigkeit ein Bonmot an das nächste reihte? Und zweitens: Wie soll ein so weiches Daniel-Brühl-Gesicht einen so kantigen Charakter spielen?

Es hilft, dass das Biopic im Paris der 70er- und den beginnenden 80er-Jahren spielt, als der junge Karl – wenn auch fünf Jahre älter, als er gern behauptet hat – für seinen Durchbruch in der Welt der Haute Couture kämpft. Damals noch mit braunem Vollbart und ohne Pferdeschwanz, bald schon etwas propper von den vielen Petit Fours, die er hier als Kompensation für menschliche Nähe verschlingt. Gleich zu Beginn schreitet Brühl als Lagerfeld in roten Stiefeln die Treppe eines Pariser Clubs hinab. Schnell fragt man sich, was er dort eigentlich will. Lagerfeld trinkt nicht, er raucht nicht und tanzt kaum. Nicht einmal auf Sex ist er aus. Er sitzt einfach da, in einem Séparée, und blickt von außen auf das Geschehen vor ihm. Pünktlich um zehn Uhr geht er nach Hause.

So gewöhnt man sich allmählich an Brühl als Lagerfeld, auch wenn es etwas dauert. Seine Figur hält den Kopf so geneigt, wie es der echte Lagerfeld oft tat, und spitzt genau wie er zwischendurch immer wieder kurz die Lippen, als solle neben den Sätzen auch der Gesichtsausdruck noch möglichst pointiert sein. Auch das sanft bekräftigende „Hm“ am Ende seiner kurzen Monologe sitzt. Brühl trägt sie zwar nicht ganz so schnell vor wie das Original, spricht dafür aber auch beinahe ausschließlich Französisch – das, wie es den französischen Drehbuchautoren wichtig gewesen sein muss, in jedem Wort den Deutschen verrät.

Es ist die Geschichte von Lagerfeld vor seinem endgültigen Durchbruch in der Pariser Modewelt, als er im Bereich Prêt-à-porter zwar bereits sehr erfolgreich war, doch von der Haute Couture geschmäht wurde. Aber vor allem auch die Geschichte von der Beziehung zu Jacques de Bascher (Théodore Pellerin). Einem Pariser Dandy, der bis zu seinem Tod die große Liebe des Modedesigners war und gleichzeitig der Geliebte seines größten Konkurrenten: Yves Saint Laurent. Die Welten changieren zwischen einem katholischen Frankreich, in dem Homosexualität bis 1982 noch unter das Strafrecht fiel, und einer Pariser Jetset-Bohème, der das zunehmend egal war. Mit der Besetzung von Paloma Picasso, Tochter des Malers und Bekannte Lagerfelds, liefern die Macher auch einen Gruß an die heutige Pariser Modeszene. Sie wird gespielt von Jeanne Damas, einer französischen Influencerin, die mit 27 bereits ihr eigenes Modeunternehmen leitete.

Die Leben von Karl Lagerfeld und Jacques de Bascher werden beinahe gleichwertig nebeneinander erzählt, was allein durch die großartige Schauspielleistung von Théodore Pellerin ein Riesengewinn ist. Pellerin spielt die Anziehungskraft des enterbten Pariser Aristokraten, der ziellos durchs Nachtleben tänzelt, so verletzlich, arrogant, egoistisch, verzweifelt und bezaubernd, dass man sich erst genervt abwenden und ihn dann wieder tröstend in die Arme schließen möchte. Das ist überhaupt eine der größten Überraschungen und gleichzeitig auch ein Problem dieser Serie, dass diese schöne Welt mit ihren funkelnden Figuren so furchtbar traurig geraten ist. Wo ist das Leichte, Süffisante, Über-den-Dingen-Schwebende, für das Karl Lagerfeld ebenfalls steht?

Der Kern des Karl

Es ist wohl Teil der Maske, die die Drehbuchautoren Jérôme Salle („Zulu“) und Audrey Estrougo („Suprêmes“) dem Modezaren abzunehmen versuchen. So wie einst der Moderator Markus Lanz in seiner Sendung die berühmte Sonnenbrille des Designers. Als würde ein Blick in dessen Augen plötzlich seine Seele offenbaren, und die so mühevoll aufgebaute Persona verpuffen lassen. Auf ebendieser Suche nach dem Kern des Karl sind die sechs Folgen sehr ernst und etwas pathetisch geworden, denn alles Humorvolle wird von den Machern als Maskierung geschmäht.

Der Modeschöpfer ist hier vor allem eins: einsam. Ein von Ehrgeiz getriebener, intrigierender Mann, der um die Anerkennung seiner kalten „Mutti“, die bei ihm lebt, und der Pariser High Society ringt. Keine einfache Aufgabe für einen Deutschen in Frankreich, der im Jahr der Machtergreifung Hitlers geboren wurde. Der Serien-Lagerfeld hält die Menschen mit zugiger Ironie auf Distanz und muss seinen Lebensgefährten finanzieren, damit der bleibt. Er will so lieben, wie alle anderen, und kann es doch nicht. Schön gezeichnet sind diese Momente des inneren Kampfes etwa dann, wenn Lagerfeld für sich allein zu Hause mit geschlossenen Augen tanzt und dabei an den im Club feiernden Jacques denkt, als tanzten sie zusammen.

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Dass Brühl diese Zerrissenheit so kunstvoll darstellt, rettet den Serien-Karl davor, als Unsympath dazustehen. Denn seine Figur wird an seinem Verhalten zu Jacques erzählt, und das ist nicht gerade liebenswert. Er verhindert seine mögliche Karriere, aus Angst, ihn zu verlieren. Dabei leidet Jacques sichtlich unter seiner Liebe zu dem Modezaren, die nie körperlich befriedigt wird. In einer Szene lockt Jacques seinen Gönner ins Schlafzimmer, doch der stößt ihn im letzten Moment wieder von sich. Man wird nicht recht schlau, ob Lagerfeld extrem gehemmt oder asexuell sein soll.

Die Drehbuchautoren lassen diese Ambivalenz klug bestehen, greifen dafür aber in ihrer Figurenbeschreibung tief in die Klischee-Kiste. Auf der einen Seite steht der verklemmte Preuße, der alles der Arbeit unterordnet und weder Liebe noch Freundschaft kann. Der immer denkt, etwas werden zu müssen, um etwas zu sein. Und auf der anderen der hedonistische Bohemien, der die Kunst des einfachen Seins zumindest so lange beherrscht, bis er wieder melancholisch wird. So richtig ärgern kann man sich über die stereotypen Bilder allerdings nicht, zu einfach ist es, sich vorzustellen, dass es genauso gewesen ist. Den Serien-Karl kann man zudem auch als kompletten Gegenentwurf zum heutigen Trend des Sich-selbst-Findens lesen. Denn er sucht genau das Gegenteil: Sich sein Inneres mit Arbeit möglichst weit vom Leib zu halten.

Eine kühle Gestalt: Daniel Brühl als der junge Karl
Eine kühle Gestalt: Daniel Brühl als der junge Karl
Quelle: 2023 Disney
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Schade ist dann aber doch, dass Lagerfelds Kunst des Sich-Darstellens, ohne sich zu erkennen zu geben, nicht als Kunst gewürdigt, sondern nur als Produkt eines tragischen Charakters abgetan wird. Dabei ist es für eine öffentliche Person durchaus klug, sich hinter dem Schein zu verbergen. Egal, ob Lagerfeld sich nun mit verdunkelten Gläsern, einem Fächer, einem falschen Geburtsdatum, einem Korsett, Lügen, oder anderen großen Namen wie Chloé, Fendi und Coco Chanel bedeckte.

Es gehört zur Beschaffenheit eines Biopics, dass die Autoren zwischen ihrer Vision und der faktenbasierten Wirklichkeit immer einen Kompromiss finden müssen. An dem kürzlich erschienenen Bob-Marley-Film etwa wurde kritisiert, den Verklärungen von Freunden und Familie uneingeschränkt gefolgt zu sein. In „Becoming Karl Lagerfeld“ bekommt man hingegen mit jeder Folge mehr den Eindruck, die Drehbuchautoren seien am Ende doch auf eine von Lagerfeld erschaffene Version seiner selbst hereingefallen, der einmal sagte: „Zwischen mir und dem Rest der Welt steht eine Glaswand.“

Insgesamt macht es dennoch Spaß, sechs Folgen im Reich Lagerfelds zu verbringen. Auch wenn man es bestimmt trauriger verlässt, als man es betreten hat. Das liegt an einem charmant ausgestatteten Paris der 70er-Jahre, voller Cafés, Zeitungskiosks, schöner Häuser und den wirklich guten Schauspielern. Dass man am Ende dennoch nicht zufrieden ist, könnte der Figur Karl Lagerfeld geschuldet sein, die bestimmt zu den herausforderndsten für das gerade mondäne Biopic-Genre gehört. Denn vielen Menschen galt der Modeschöpfer auch zu Lebzeiten als Enigma, richtig nah an sich heranließ er am Ende nur noch seine Katze Choupette. Dennoch sollte das Hauptziel auch eines fiktionalisierten Porträts mit allen Freiheiten ja sein, das Wesen des Porträtierten zu erfassen. Und da hätte ein wenig mehr Leichtigkeit gutgetan.

„Becoming Karl Lagerfeld“ ist ab dem 7. Juni auf Disney+ zu sehen.

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