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  4. Buchmesse: Das Gastland Italien streitet um seine Delegation

Meinung Streit um Buchmesse-Auftritt

Was der „Störfall Saviano“ über das heutige Italien erzählt

Redakteur im Feuilleton
BOLOGNA, ITALY - MAY 30: Italian author Roberto Saviano attends the presentation of his latest book "We Two Belong Each Other" at Exchange Hall Library on May 30, 2024 in Bologna, Italy. (Photo by Roberto Serra - Iguana Press/Getty Images) BOLOGNA, ITALY - MAY 30: Italian author Roberto Saviano attends the presentation of his latest book "We Two Belong Each Other" at Exchange Hall Library on May 30, 2024 in Bologna, Italy. (Photo by Roberto Serra - Iguana Press/Getty Images)
Regierungskritisch: Schriftsteller Roberto Saviano
Quelle: Getty Images
Italien ist im Herbst das Gastland der Frankfurter Buchmesse. Doch drei Monate davor tobt ein Streit darüber, wer zur offiziellen Delegation gehört – oder lieber nicht. Jetzt gab es eine Entschuldigung. Wird sie die Wogen glätten?

Eigentlich können Italiener in Deutschland – dem Land der Italienliebhaber – doch gar nichts falsch machen, und deshalb schien der italienische Gastland-Auftritt bei der Buchmesse in Frankfurt lange ein Selbstläufer. Doch drei Monate vor dem Termin im Oktober tobt ein epischer Streit darüber, wer zur offiziellen Delegation gehört, gehören will – oder lieber nicht. Alles begann mit der Namensliste der offiziellen Autorendelegation. Dass der regierungskritische Roberto Saviano, einer der bekanntesten Schriftsteller Italiens, darauf fehlte, sorgte für einen Eklat – und seit Wochen für Streit. Es war ein krasser Fauxpas von offizieller Seite, Saviano nicht nominiert zu haben.

Aus Solidarität mit dem Schriftsteller, der seit seinem Mafia-Enthüllungsbuch „Gomorrha“ (2006) unter Polizeischutz lebt, erklärten daraufhin einige Autoren, ebenfalls nicht Teil der offiziellen Delegation sein zu wollen, so etwa Paolo Giordano („Die Einsamkeit der Primzahlen“) und Sandro Veronesi.

Im Weiteren folgte ein Offener Brief italienischer Schriftsteller an Innocenzo Cipolletta (den Präsidenten des italienischen Verlegerverbandes) und Juergen Boos, den Direktor der Frankfurter Buchmesse. Der Brief prangerte nicht nur den „Störfall Saviano“, sondern den allgemeinen Trend der italienischen Politik zur Einmischung in die Kultur an. Dieser Trend hatte sich etwa im April bei der kurzfristigen Ausladung von Antonio Scurati im staatlichen Fernsehsender RAI gezeigt. Vermutlich auch wegen dieser Erfahrung hatte Scurati die Einladung, als Teil der offiziellen Gastlanddelegation nach Frankfurt zu reisen, bereits vorab ausgeschlagen.

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Inzwischen hat das Buchmesse-Italien in Gestalt des italienischen Verlegerpräsidenten Innocenzo Cipolletta eine Entschuldigung an Saviano ausgesprochen. Man habe ihn nicht ausschließen wollen. Saviano habe, so Cipolletta gegenüber dem „Corriere della sera“, schlichtweg nicht auf der allerersten Vorschlagsliste der italienischen Verlage gestanden. Hm. Hatte Savianos Verlag ihn etwa nicht nominiert? Wollte man eventuell sogar prüfen, ob Melonis Funktionäre ihn überhaupt vermissen? Gewiss nicht Mauro Mazza, der für den Gastland-Auftritt verantwortliche Sonderbeauftragte der Meloni-Regierung, der die Öffentlichkeit noch nach dem Eklat um den fehlenden Saviano wissen ließ, es habe halt „originellere Autoren“ gegeben. Hm. Man kennt es sonst eher von autoritären Staaten, dass sie Rechnungen mit ihren Kritikern so persönlich begleichen. Saviano wird übrigens zur Buchmesse fahren, nur nicht als Teil der offiziellen Delegation. Durchaus wahrscheinlich scheint es, dass bestimmte Kreise auf die Saviano-Sabotage stolz waren.

Meloni versus Saviano

Saviano hat nämlich einen mehrjährigen Rechtsstreit mit Giorgia Meloni hinter sich. Er hatte die „Fratelli d’Italia“-Politikerin und Matteo Salvini von der Lega im Jahr 2020 in einer Talkshow als „Bastarde“ bezeichnet. Meloni verklagte Saviano daraufhin wegen Beleidigung, nach jahrelangem Justizverfahren wurde Saviano im Oktober 2023 zu 1000 Euro Geldstrafe verurteilt.

Jenseits der Causa Saviano bleibt festzuhalten: Es geht bei der kollektiven Polemik um die Teilnahme am Gastland-Auftritt unter Italiens rechter Regierung auch um das heute so beliebte „Zeichen setzen“ und „Haltung zeigen“, das vor allem der plakativen Selbstdarstellung nach Social-Media-Logiken dient.

Die Wahrheit ist: Italiens offizielle Autorendelegation setzt sich keineswegs aus mehrheitlich regierungstreuen oder -unkritischen Schriftstellern zusammen, denn unter diesen Vorzeichen wäre womöglich gar keine Delegation zustande gekommen. Warum also sollten Schriftsteller den Gastland-Auftritt Italiens nicht nutzen, um Italien in ihrem ganz persönlichen und literarischen Sinne zu repräsentieren?

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