Pietro Antonio Domenico Bonaventura Trapassi. Seinen wirklichen Namen kennt heute kaum einer mehr; aber sein Theaterpseudonym Metastasio hat zumindest bei Barockopernliebhabern nach wie vor einen guten Klang. Denn im 18. wie frühen 19. Jahrhundert hatten die formvollendeten Libretti Metastasios (1698 bis 1782) ein weit längeres Bühnenleben als die Opern für die sie geschrieben worden waren.
Sein erstes Bühnenbuch entstand für den Komponisten Nicola Porpora und den Starkastraten Farinelli. 1729 wurde er als Hofpoet zum Kaiser nach Wien berufen. Obwohl er in seinen letzten vier Lebensjahrzehnten kaum mehr kreativ war, erfuhren die meisten seiner 28 Libretti um die 100 Vertonungen – durch die bekanntesten Barockkomponisten bis hin zu Mozart und über ihn in der Musikgeschichte hinaus.
Das gilt auch für „L’Olimpiade“, die erstmals in der Vertonung von Hofkomponist Antonio Caldara 1733 in Wien aufgeführt wurde. Vivaldi, Pergolesi, Hasse, Cimarosa, Cherubini, Jommelli sind nur die berühmtesten Nachfolger. Selbst Gaetano Donizetti versuchte sich noch im Zeitalter der Romantik an dem Text – und scheiterte. Was aber war so toll an Metastasio? Seine Geschichten hatten Moral und waren staatstragend, für das Zeitalter der Repräsentationsoper wichtig. Aber sie waren auch eloquent und witzig, seine Worte waren so poetisch wie formvollendet musikalisch.
Hurtig, ja sportiv rauscht bereits die Ouvertüre durch. Und sportlich ist schließlich auch der Hintergrund dieser Oper, die das bereits im Titel offenbart. Denn die Kulisse – nicht für Zehnkämpfe, aber für allerlei amouröse Kurzstrecken-Scharmützel – sind die Olympischen Spiele. Aber eben nicht in Paris, sondern noch am Originaltatort, dem griechischen Olympia.
Und zu ziemlich uraltgriechischer Zeit spielt auch diese Liebesgeschichte im Dreieck. Licida bittet seinen Freund Megacle, unter seinem Namen am olympischen Wettkampf teilzunehmen. Dieser ahnt zunächst nicht, dass es sich bei dem Siegespreis um seine eigene Geliebte Aristea handelt. Das darf natürlich nicht sein, und am glücklichen Ende bekommt sich das für einander bestimmte Paar. Und auch Licida und Argene finden zusammen.
Traumsicher eingespielte „L’Olimpiade“
Das Sujet ist die Barockoper der Stunde. Und während man gerade in Paris kurz vor dem aktuellen Anstecken des Olympischen Feuers an der Seine die „L’Olimpiade“-Version-Vivaldis von 1734 spielen wird, hat Château de Versailles Spectacles bereits die Domenico-Cimarosa-Version von 1784 aufgeführt unter dem absoluten Spezialisten Christophe Rousset. Der stilkundige Cembalist und Orchesterleiter weiß mit seiner Formation Les Talens Lyiques traumsicher, so zart wie hart, so rasant wie gelassen das jeweils punktgenau zu klingen hat.
Zudem hören wir mit Vergnügen die Sopranistinnen Rocio Pérez (Aristea) und Marie Lys (Argene), sowie die Mezzos Maite Beaumont (Megacle) und Mathilde Ortscheidt (Licida). Auch zwei Tenöre sind aufgeboten, darunter Josh Lovell als König Clistene mit seiner bombigen Höhe.
1784 kam diese Vertonung durch den jungen Domenico Cimarosa für eine Theatereinweihung in Vincenza heraus. Sie weist musikalisch schon auf dessen Buffa-Opern voraus, obwohl es hier nur ausdrucksvolle, orchesterbegleitete Rezitative und lange da-Capo-Arien gibt; bis sich am guten Ende die Pseudointrigen vital in einem miteißenden Finale aller Beteiligten auflösen. Hoffentlich werden die echten Spiele in Paris genauso unterhaltsam, temporeich und gefühlvoll mitreißend.
Auch bei den Potsdamer Musikfestspielen ist man derzeit in Bewegung, nur nicht ganz so hochleistungssportiv. Deren selbst flinken Fingers die Flöte spielende Prinzipalin Dorothee Oberlinger hat als Motto den „Tanz“ ausgegeben. Und steht im schnuckeligen Schlosstheater des Neuen Palais auch selbst am Pult ihres frischen Ensembles 1700 – in einer weiteren Oper nach Metastasio: „Adriano in Siria“, ebenfalls erstmals von Caldara in Wien herausgebracht, aber eben auch 1746 in Berlin vom dortigen Hofkomponisten Carl Heinrich Graun.
Da liebt der eigentlich historisch schwule Kaiser Hadrian, der seinen Lustknaben Antinoos zum Gott erhoben hat, opernmärchenhaft die mit Farnaspe verbundene syrische Prinzessin Emirena, die er mitsamt ihrem polternden Königsvater Osra in der Partherhauptstadt Antiochia besiegt hat. Aber versprochen ist er Sabina, die wiederum von seinem Günstling Aquilo begehrt wird. Bis sich nach dreieinhalb Stunden binnen Sekunden sämtliche Beziehungsknoten durch die plötzliche Milde des Imperators in allgemeinem Wohlgefallen auflösen.
Was aber hat das mit Tanz zu tun? Zur damaligen Zeit gastierte in Berlin die italienische Starballerina La Barberina, die auch vom Hofmaler Pesne porträtiert wurde. Ihr waren im „Adriano“ die Intermezzi zwischen den drei Akten und am Ende gewidmet. Die sind jetzt freilich von Massimiliano Toni in syrisch-folkloristischer Art für Nay, eine arabische Endkantenflöte (gespielt auch im Duett mit Oberlinger), Perkussion und Clavicymbalon neu komponiert worden – als bewusste Fremdkörper zwischen der barocken Wohlgesetztheit. Sie bleiben auch inhaltlich isoliert in der Verkörperung durch Valerie Lauer.
Regisseurin Deda Christina Colonna ist hingegen nicht viel eingefallen. Vor zwanzig rauf- und runterfahrenden Jalousien auf zwei Stockwerken, die pompejanische Wände, einen Garten oder Akanthuselemente zeigen, posieren die Verliebten wie Verrückten in bunten Stoffbahnen oder Saunadecken einigermaßen fade.
Doch die Musik belebt das Geschehen ungemein, mehr noch die Gesangskünste der drei Countertenöre Valer Sabadus wie der Sopranisten Bruno de Sá und Federico Fiorio. Auch die Sopranistinnen Roberta Mameli und Keri Fure sowie der hohe Tenor David Tricou schlagen sich vokal fabelhaft. So trägt Metastasio, im Verein mit den elegisch-schönen Melodien Grauns, einen weiteren Sieg des Singens davon.