In einem Interview mit dem Magazin „Bustle“ offenbarte US-Unternehmerin und „Keeping up with the Kardashians“-Star Kourtney Kardashian pikante Details ihres Liebeslebens. Doch statt vom gemeinsamen Liebesglück mit ihrem Verlobten, dem Drummer der Band Blink-182 Travis Barker, zu schwärmen, sprach sie offen und ehrlich über so manche Probleme – auch im Bett.
Demnach haben beide mittels eines ayurvedischen Reinigungsrituals und „Sex-Fasten“ ihrer Liebe neues Leben eingehaucht. Das sei sehr verrückt gewesen, wie die 42-Jährige in dem Interview zugab: „Aber es hat eigentlich alles besser gemacht. Es ist, als könntest du eine Zeit lang kein Koffein haben – aber der erste Matcha-Tee danach ist so gut.“ Neben dem Verzicht auf Sex gehörten eine bewusste Ernährung, Kräuter, Massage und Meditation zum Ritual.
Aber kann „Sex-Fasten“ das Liebesleben überhaupt zum Positiven beeinflussen oder ist das eher Nonsens? Das haben wir Dr. Jörg Signerski gefragt. Er ist Leiter der Ambulanz für Sexualmedizin und Sexualtherapie sowie Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie mit der Zusatzbezeichnung Sexualmedizin an der Universität Göttingen.
Bevor wir aber mit dir in die Welt des Sex-Fastens eintauchen, gestatte uns noch eine kurze Frage:
„Einfach Sex-Fasten des Fastens willens ergibt keinen Sinn!“
Eigentlich sei der Begriff „Sex-Fasten“ ziemlich irreführend, wie Signerski sagt: „Das Wort Fasten löst meines Erachtens eine pseudowissenschaftliche Diskussion los, die aus Sicht der Paartherapie eher Leistungsdruck erhöht und ins Nichts führt.“ Sexual-Psychotherapeuten sehen Sex als einen zentralen Aspekt von Sexualität in der Partnerschaft. „Er ist Ausdruck nonverbaler Kommunikation mit den Themen Nähe, Akzeptanz und Intimität“, sagt der Sexualmediziner. Wieso solle jemand ausgerechnet darauf verzichten in der Partnerschaft? Im Prinzip, so Signerski, bedeutet der bloße Sex-Verzicht dann nichts anderes, als sich anzuschweigen.
Aus verschiedenen Studien sei bekannt, dass weniger Sex durchaus zu einem Leidensdruck und depressiven Symptomen führen kann. „Einfach zu sagen: ‘Hey, ich habe gelesen, Sex-Verzicht ist wichtig, das machen wir jetzt‘ – damit ist keinem geholfen“, stellt der Arzt klar. Stattdessen gehe es vielmehr ums Miteinander. Der zeitweise Verzicht auf Geschlechtsverkehr kann, kombiniert mit anderen Ansätzen, durchaus zielführend sein – und wird so auch bereits sexualtherapeutisch eingesetzt, wie Signerski erklärt. Das sei aber kein Sex-Fasten im eigentlichen Sinne.
In einer Beziehung seien sexuelle Schwierigkeiten häufig Folge davon, dass die nonverbale sexuelle Kommunikation nicht mehr funktioniere. „Dann liegt es an uns, diese gemeinsam mit dem Paar wiederzuerwecken“, so Signerski. Nach dem sogenannten Hamburger Modell, einer Sexualtherapie mit paarorientiertem Ansatz, die seit den 1970er-Jahren im Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf stetig weiterentwickelt wird, bekomme das Paar dann Aufgaben zu sexuellen Kontakten unter verschiedenen Bedingungen gestellt. Ein Paar, welches sich über Sex streitet, könne dann im therapeutischen Kontext als Aufgabe bekommen, auf Geschlechtsverkehr zu verzichten, aber dafür andere Aufgaben zur körperlichen Intimität durchzuführen. „Dabei ist auch Selbstbefriedigung erlaubt“, betont der Sexualtherapeut. So werde dem Paar die Möglichkeit gegeben, neue intime erotische Räume zu eröffnen.
Unter diesen Voraussetzungen kann die sexuelle Enthaltsamkeit die Beziehung nachhaltig festigen
Eigentlich stammt der Begriff des Fastens aus einem religiösen Kontext, wie Signerski betont. Unter dieser Betrachtungsweise könne das Konzept durchaus ergiebiger sein. „Es kann etwas Gestalterisches sein, um sich auf etwas vorzubereiten. Es ist in ein Ritual eingebunden, man lässt nicht nur einfach etwas weg, sondern beschäftigt sich vermehrt mit etwas anderem“, sagt er. Genau darauf komme es an. Wenn ein Paar sich vornehme, den Geschlechtskontakt wegzulassen und stattdessen Intimität auf andere Art und Weise wie zum Beispiel mehr streicheln oder kuscheln auszuleben, könne das durchaus zielführend sein, um die Beziehung zu stärken. Dafür brauche es aber einen Rahmen und ein Ziel.
Zudem könne Fasten die eigene Wahrnehmung fördern und andere Perspektiven eröffnen. Aber auch das beinhalte nicht bloß den Verzicht auf Geschlechtsverkehr, sondern ist weitaus komplexer. Es ginge viel mehr darum, sich über sexuelle Bedürfnisse auszutauschen beziehungsweise sich diesen bewusst zu werden. Dann gebe jeder in der Beziehung eher etwas dazu, statt wie beim Fasten etwas wegzunehmen. „Wenn es beide wollen, kann es auch eine Art Spiel sein. Wenn sich Paare vornehmen, 14 Tage lang keinen Sex zu haben, aber Flirts erlauben, kann der Sex am Ende intensiver wahrgenommen werden“, beschreibt der Sexualmediziner.
Den Effekt, den viele beim vermeintlichen „Sex-Fasten“ beschreiben – eben, dass der Geschlechtsverkehr viel intensiver sei als sonst – könne mit Paaren in einer Fernbeziehung verglichen werden. „Natürlich steigt das sexuelle Verlangen, wenn man sich nur alle 14 Tage sieht. Wenn die Fernbeziehung endet und man zusammenlebt, merkt man, dass das nach drei bis vier Wochen weg ist“, so Signerski. Das sei ganz natürlich. Dieser Effekt sage aber nichts über die allgemeine sexuelle Zufriedenheit oder die Stabilität der Paarbeziehung an sich aus.
Wieso entscheiden sich aber auch Singles für das, was als „Sex-Fasten“ bezeichnet wird?
„Ich glaube, auch hier liegt einfach eine falsche Begriffswahl vor“, meint Signerski. Auch in diesen Fällen ginge es eher um Selbstreflexion. Das Schlagwort „Sex-Fasten“ liefert dann nur eine scheinbar einfache Antwort: „Vielmehr sollte man sich aktiv mit seinen sexuellen Wünschen und Fantasien auseinandersetzen, um herauszufinden, wie das Sexualleben besser funktionieren kann. Es geht immer um Kommunikation und auch um individuelle Bedürfnisse.“ Das könne für jeden unterschiedlich sein. Dabei ist sich der Sexualmediziner sicher: „Viele Paare würden, selbst wenn sie Sex haben und gleichzeitig ihre Wahrnehmung von einzelnen Bedürfnissen fördern würden, ebenfalls eine Steigerung ihrer Beziehungsqualität erleben.“
Wie lange aber so eine sexlose Phase andauern kann, sollte jeder für sich entscheiden, betont Signerski: „Ich hasse Sexverbote und –regeln. Sexualität ist so vielfältig und ein bunter Blumenstrauß, das kann nicht ultimativ beantwortet werden.“ Die einzige Norm, die es dabei gebe, sei, dass man sich selbst und keinen anderen schaden dürfe. Ohne Frage sei Sexualität für das persönliche Wohlbefinden wichtig: „Durch die Ausschüttung von Oxytocin und Endorphinen werden wir glücklicher. Aber wir wissen auch: Wenn Paare länger zusammen sind, sagt die Häufigkeit von Geschlechtsverkehr nichts über die Paarstabilität aus.“
Viel wichtiger sei es, wie das Paar mit Konflikten umgeht. Wenn Paare wenig Sex haben, bestehe indes natürlich auch die Gefahr, dass Intimität zusammenbreche. „Aber da geht es eben auch bei einem Sex-Verzicht darum, die eigenen Grenzen einfach abzustecken, sodass alle zufrieden sind“, fasst es der Sexualmediziner zusammen.
Manch einem gibt Micro-Cheating, also das Online-Flirten mit anderen Personen als den Partner, auch einen gewissen Kick für die eigene Beziehung. Was hinter diesem Phänomen steckt, erfährst du hier: