Kopfschmerzen. Übelkeit. Schwindel. Müdigkeit. Melancholie. Die Liste der Kater-Symptome liest sich wie die Nebenwirkungen eines starken Medikaments. Jeder, der könnte, würde darauf verzichten. Beim Alkoholkonsum nehmen wir das alle allerdings in Kauf. Freiwillig.
Wir greifen bei einem Kater gern und schnell zu Schmerztabletten. Gut ist das nicht, denn kaum ein Medikament verträgt sich mit Alkohol. Was wäre also, wenn es für den Hangover ein anderes Mittel gebe? Kein Medikament sondern etwas ganz Natürliches, das die Symptome lindert und bekämpft?
Genau das dachten sich auch Christopher Prätsch und Torben Murach. Die zwei Studienfreunde aus Mainz brauten sich mithilfe eines Mediziners und Apothekers eine Mixtur zusammen, die ausschließlich aus natürlichen Stoffen besteht. Auf WG-Partys zeigten sich die Leute sehr interessiert, erzählen Christopher und Torben. So sei es zur Idee der Gründung ihrer Firma one:47 gekommen.
Die Johannes-Gutenberg-Universität Mainz liegt 800 Meter Luftlinie von ihrem Büro entfernt. Am Institut für molekulare Physiologie forschen auch Prof. Dr. Bernhard Lieb und der Student Patrick Schmitt. Die beiden sind die Begründer der Nutrakognosie, einer noch jungen Teildisziplin der Biologie, welche die ernährungsphysiologischen Eigenschaften von Naturstoffen erforscht.
Sie brachten den Hangover-Drink nicht nur in puncto Inhaltsstoffe auf den neuesten Stand und launchten gemeinsam mit den Erfindern eine neue, verbesserte Formel; die Molekularbiologen wollten auch die wissenschaftliche Wirksamkeit des Drinks testen.
„The German Hangover Study“ nennt Patrick Schmitt seine Masterarbeit, in der er den one:47-Drink testen will. Sein Vorhaben war ambitioniert. 214 Männer und Frauen im Alter von 18 bis 65 wurden an die Uni Mainz zum Trinken eingeladen. Schmitt wollte sich nicht nur auf Fragebögen verlassen, sondern die trinkenden Probanden vor Ort testen. 60 Liter Bier und Radler sowie 60 Liter Wein standen zur Verfügung. Und die Probanden tranken und tranken - im Namen der Wissenschaft.
Es ist aktuell die weltweit größte Katerstudie. Das Thema Kater sei zwar ausreichend bekannt, jedoch wenig erforscht, so Schmitt. So sei immer noch nicht geklärt, worauf die Katersymptome konkret zurückzuführen sind.
Aus Sicht der Grundlagenforschung sei dies aber hochinteressant, weil die Aufschlüsselung zwischen molekularer Ursache und konkret empfundener Katerbeschwerde aufgeklärt werden kann. Das war auch das Ziel seiner Studie.
Für diese wurden die Probanden nach Zufallsprinzip in drei Gruppen aufgeteilt: Eine Gruppe bekam ein Placebo, die zweite ein Teilplacebo, das aus Vitaminen und Mineralstoffen bestand, die auch im Anti-Kater-Drink enthalten sind. Die dritte Gruppe erhielt den one:47-Drink.
Ziel der Probanden-Aufteilung war es, genau herauszufinden, wie der one:47-Drink Katerbeschwerden mindern oder präventiv aufhalten kann. Dafür haben die Forscher verschiedene Messwerte erhoben, u.a. Urinproben, um den Flüssigkeitshaushalt zu erfassen. Denn Alkohol - so die Annahme - entzieht dem Körper Wasser. Außerdem haben sie den Leukozyten-Wert und den oxidativen Stress in der Haut gemessen, also der Anteil an freien Radikalen.
Die These der Wissenschaftler: Die antioxidativen Stoffe der Pflanzen im Anti-Kater-Drink sollen freie Radikale im Körper fangen. Gibt es von ihnen zu viele, kann die Reparaturfunktion einer Zelle überfordert sein. Und das führt zu oxidativem Stress.
Wie genau soll der Anti-Hangover-Drink den Kater aufhalten?
Das Produkt knüpft an drei Punkten der Katerentstehung an. Zum einen führt der Drink dem Körper Antioxidantien zu. Diese sorgen dafür, dass der oxidative Stress in der Leber und im Gehirn vermindert wird. Zudem ist der Drink als solches eine Kohlenhydrat-Elektrolyt-Lösung und hat einen rehydrierenden Effekt, ähnlich wie bei Trinklösungen, die bei Durchfall eingesetzt wird. Auf diese Weise wird es für den Körper einfacher, Wasser aufzunehmen und zu resorbieren. Er verliert in der Summe weniger Wasser und das wiederum mindert auch den Kater. Mit dem Flüssigkeitsverlust beim Alkoholkonsum werden zudem größere Mengen an Vitaminen und Mineralstoffen aus dem Körper ausgespült. Durch den Drink sollen diese dem Körper wieder zugeführt werden und ebenfalls dazu beitragen, die Katersymptome zu mindern.
Das sind die Ergebnisse der Untersuchung:
Wie sich zeigte, hatten die Versuchsteilnehmer, die den Pflanzen-Cocktail erhielten, die wenigsten Kater-Symptome: Im Vergleich zur Placebo-Gruppe war die Intensität der Kopfschmerzen um 34 Prozent geringer und Übelkeit war um 42 Prozent reduziert, Gleichgültigkeit beziehungsweise Apathie fiel um 27 Prozent schwächer aus und Ruhelosigkeit zeigte gegenüber Placebo eine Reduktion um 41 Prozent. Insgesamt erfasste die Studie 47 Symptome von Durst bis Tinnitus und Lichtempfindlichkeit bis Impulsivität.
Der Kontrollgruppe, die lediglich Mineralstoffe und Vitamine ohne den Pflanzenextrakt erhielt, erging es in etwa wie der Placebo-Gruppe, das heißt sie konnte keine positiven Effekte verbuchen. „Wir sehen also deutlich, dass die Pflanzenauszüge beim Alkoholabbau im Körper interagieren und damit bei der Vorbeugung oder Behandlung von Kater-Erscheinungen helfen beziehungsweise die Probleme lindern“, fasst Schmitt in der Studie, veröffentlicht im Fachmagazin „British Medical Journal“ (BMJ), zusammen.
Sein Fazit: „Die Pflanzenextraktmischung stellt nach gegenwärtigem Kenntnisstand die einzige wissenschaftlich belegte Möglichkeit dar, um gegen Kater-Beschwerden zu intervenieren.“
Besondere Erkenntnis: Alkoholkonsum führt nicht zu Dehydration.
Schmitt weist auf ein weiteres Ergebnis der Untersuchung hin: Ein Flüssigkeitsverlust infolge von Alkoholkonsum ist de facto nicht festzustellen. „Das ist ein Mythos aus den 1950er-Jahren. Tatsächlich kommt es aber nicht zu einer Dehydration infolge von Alkohol.“
Für die Zukunft könnte sich der Biologe weitere Untersuchungen vorstellen, um aus den verschiedenen Pflanzenstoffen einen einzelnen Wirkstoff herauszufiltern, der für die positiven Effekte gegen Kater-Beschwerden hauptsächlich verantwortlich ist. „Dann könnte man aus einer Substanz eventuell auch ein Medikament herstellen“, meint Schmitt.
Der ein oder andere wird sich jetzt denken: Warum soll ich diesen Drink kaufen und einnehmen, wenn ich genauso gut zu Aspirin oder Ibu greifen kann?!
Davon rät Molekularbiologe Schmitt allerdings dringend ab: „Medikamente sollten generell niemals in Kombination mit Alkohol eingenommen werden, da sowohl der Alkohol, die Abbauprodukte des Alkohols sowie auch das Medikament in der Leber verstoffwechselt werden und es dabei zu schwerwiegenden Wechselwirkungen kommen kann.“
Im Gegensatz dazu hat man durch eine Ernährungsoptimierung, wie beispielsweise durch den Anti-Kater-Drink, die Möglichkeit, dem Schlimmsten vorzubeugen, so Schmitt. Ganz ohne Nebenwirkungen. Deshalb muss man den Shot auch vor und nach dem Alkoholkonsum einnehmen.