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Uhren Patek Philippe

Hier entscheidet der Chef, wer eine Uhr kaufen darf

Textchef ICON / Welt am Sonntag
Patek Philippe gilt als Real Madrid der Uhrenbranche: Andere gewinnen auch, aber seltener. Verantwortlich für den Erfolg ist Inhaber Thierry Stern, der uns durch den Firmensitz in Genf geführt hat.
Im Räderwerk: Das Foyer von Patek Philippe in Genf ziert das überdimensionierte Innenleben einer Uhr
Im Räderwerk: Das Foyer von Patek Philippe in Genf ziert das überdimensionierte Innenleben einer Uhr
Quelle: Sébastien Agnetti / 13Photo

Um die drängendste Frage gleich zu klären: Nein, Thierry Stern kommt nicht pünktlich zum Interview. Knapp sieben Minuten beträgt die Verspätung, als der Inhaber der Luxusuhrenmanufaktur Patek Philippe den holzgetäfelten Konferenzraum am Stadtrand von Genf betritt. Ein kurzer Blick hinter der Brille in die Runde: Interviewer, Fotograf, PR-Chefin, Manufakturführer, alle da. Ein präziser Händedruck, ein paar wohlkalkulierte Floskeln, dann sitzt Stern schon am Kopfende des langen Tisches in seinem Ledersessel und fordert mit einem Kopfnicken die ersten Fragen ein: ein Mann, der davon lebt, die Zeit zu messen und der selbst keine zu verlieren hat.

Seine Verspätung würden dem Firmenchef nur Pedanten nachtragen. In einer Welt, in der sich viele damit beschäftigen, Beschäftigungen zu erfinden, um als beschäftigt zu gelten, ist Thierry Stern tatsächlich ein viel beschäftigter Mensch. Es könnte daran liegen, dass ihm die Firma, die er leitet, tatsächlich gehört. Oder daran, dass er der absoluten Nummer eins vorsteht. Patek Philippe, gegründet 1839, das ist für Uhren im höchsten Preissegment das, was Chanel für die Damenmode darstellt oder Real Madrid für den Fußball: Es gibt Herausforderer, die auch mal gewinnen, aber am Ende ist niemand so groß wie man selbst.

„Vertrauen ist die beste Geschäftsgrundlage“

Seit vier Generationen befindet sich das Unternehmen in der Hand der Sterns, 58.000 Modelle von circa 20.000 Euro an aufwärts fertigt man jährlich. Es an der Spitze zu halten, das erfordert immer den ganzen Mann. Und seine Frau Sandrine dazu. Wenn wie momentan die Uhrenmesse Baselworld stattfindet, gilt das umso mehr: Sein Unternehmen gehört dort zu den wichtigsten Ausstellern.

Ansonsten verbringt Stern viel Zeit im Flugzeug zwischen allen Kontinenten und auf Kundenveranstaltungen. Dazu kommen in Genf Gespräche mit fast jedem Werksangehörigen vom Werkzeugmacherlehrling bis zum Meister für die kompliziertesten Kaliber, mit dem Produktionsleiter, dem Museumspersonal und dem Küchenchef der drei Kantinen, den Stern übrigens aus einem Sternerestaurant gelockt hat; denn bei Patek machen sie nicht nur bei ihren Uhren so viel selbst, wie es irgend geht.

Thierry Stern führt die Geschäfte seit 2009
Thierry Stern führt die Geschäfte seit 2009
Quelle: Sébastien Agnetti / 13Photo

Gerade im Moment ist das Gelände nicht sehr ansehnlich: Ein neues, riesiges Gebäude für künftige Produktion und Ausbildung entsteht, fünf Kräne ragen in den Himmel, das Investment umfasst mehrere Hundert Millionen Franken. Stern steht dafür persönlich gerade. Und es ist fast unheimlich: Jeder wird sagen, was für ein geerdeter und lockerer Mann der Chef doch sei, einer, mit dem man ein Bierchen trinken könne – und dabei doch die Ambition in Person.

Obwohl es in seinen Geschäften Kronleuchter gibt und Refugien für gute Kunden, macht Thierry Stern sehr viel anders als die Konkurrenz. Es beginnt in der Manufaktur: Sogar dort, wo Gold- und Platingehäuse entstehen und mit Edelsteinen besetzt werden, sieht man keine Überwachungskameras. „Vertrauen ist die beste Geschäftsgrundlage“, sagt der Führer Daniel Jaquet, ein Senior mit kurzem eisgrauen Haar. Er ist seit 1964 im Unternehmen, arbeitete als Produktionsleiter und könnte wohl über jeden Wasserhahn und jede Fliese ein Stegreif-Referat halten.

Diese Uhren kann nicht jeder kaufen

Fragt man Stern, wie man in der Uhrmacherei eine Ikone erschaffe, sagt er ohne Zögern: „50 Prozent sind Glück.“ Man stelle sich vor, ein CEO einer Aktiengesellschaft würde so etwas von sich geben – der wäre wohl am nächsten Tag nicht mehr da. Dazu passt, dass Stern immer wieder betont, er sei nicht zu einem Verkauf seiner Firma zu bewegen, selbst wenn ihm das „zehn Milliarden oder so“ bringen könne. Geld fällt als finale Motivation aus – und das macht ihn glaubwürdig, wenn er sagt, Leidenschaft für Uhrenbau sei das, was seine Firma zusammenhalte.

In der Produktpolitik ist Patek Philippe dafür bekannt, dass man Modelle nicht einfach so erstehen kann. Speziell bei den „Grandes Complications“ will der Chef einiges über die Käufer wissen und entscheidet dann, ob der Klient das Stück erhält. Es gibt generell kein Wachstum auf Stückzahl komm raus – und was auf den ersten Blick gewagt erscheint, erweist sich auf den zweiten als eine gute Methode, stets neue Begehrlichkeiten zu wecken.

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Jede Uhr, die das Unternehmen je gebaut hat, kann es auch wieder reparieren. Mit zuweilen extremen Folgen: Der Leiter der Abteilung für die komplexesten Modelle sitzt gerade an einer Taschenuhr aus dem 19. Jahrhundert. Sogar die Minutenrepetition, also das Schlagwerk, funktioniert noch reibungslos, nur der ewige Kalender ist kaputt. Für ihn hatten die Konstrukteure ein Verfahren entwickelt, von dem keine Pläne mehr existieren. Nun hat der heutige Uhrmacher also genau einen Versuch, das Stück auseinanderzunehmen, die Mechanik zu durchschauen, zu rekonstruieren und das Ganze wieder einzubauen – oder alles ist hin, inklusive des eigenen Rufs. Geld verdient Patek Philippe mit seinem Service übrigens nicht.

Das ist die teuerste Taschenuhr der Welt

Was für ein Rekordpreis: Bei einer Auktion in der Schweiz wurde diese Uhr aus dem Hause Patek Philippe für gut 19 Millionen Euro versteigert. Es sei die komplizierteste Uhr, die jemals erstellt wurde.

Quelle: Reuters

Den Willen zur Traditionspflege stellt das Haus in einem eigenen Museum aus. Selbst in Genf, diesem Nabel der Uhrenwelt, ist dieser Ort ein Highlight. Seine Wurzel hat die Tradition in den Lehren Calvins – Schmuck war den Menschen danach verboten – und so entwickelte man ein Schmuckstück, das mit der Zeitmessung einen praktischen Nutzen hatte: Heute sind rund 2000 Uhren zu besichtigen, darunter auch Modelle von Konkurrenten wie Breguet, weil auf dessen Gründervater Abraham Louis ab Ende des 18. Jahrhunderts einfach viele Innovationen zurückgehen. Eine Reise durch die Geschichte von der Sonnenuhr bis zu Patek Philippes „Grandmaster Chime“, der kompliziertesten mechanischen Armbanduhr der Welt, die man zum 175. Jubiläum im Jahr 2014 herausbrachte.

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Nach dem Rundgang hat man garantiert einen neuen Begriff vom Reichtum der Tradition, die Stern fortführt. Seit der Gründung 1839 arbeiteten nur die besten Uhrmacher bei dem Unternehmen, vereinfacht bedeutet das: Wer im 19. Jahrhundert in Europa eine Krone auf dem Kopf hatte, der besaß eine Patek Philippe. Man erfand die Aufzugskrone ohne Schlüssel – und auch im 20. Jahrhundert, als die Armbanduhren sich durchsetzten, war man technisch zumeist führend.

Bei einer so gloriosen Vergangenheit besteht die Gefahr, bequem zu werden. Das dürfte aber nicht passieren, solange Stern die Firma steuert. Man könnte ihn als besessen von Innovation bezeichnen. Viele Leute hatten ihn das Geschäft gelehrt, bevor er an die Spitze rückte. Einer der Einflussgeber war nach der langen Zeit resigniert und melancholisch geworden: „Alles ist erfunden“, meinte der einmal, erzählt Stern, „es gibt nichts Neues mehr. Man braucht es nicht zu versuchen, auch du nicht, Thierry.“ Und heute steht der Patek-Philippe-Chef Tag für Tag auf, um zu beweisen, dass dieser Mann Unrecht hatte.

So entsteht eine Uhren-Ikone

Aber was, außer Glück, braucht es denn nun, wenn man eine Ikone erschaffen will? Thierry Stern mag die Frage, er holt kurz Luft und beginnt zu sprechen. Auch das beherrscht er, PR-Gewäsch voller Superlative ist ihm fremd. Zuerst einmal, sagt er, sei das Erfahrungssache. Er beobachte nun schon so lange die unterschiedlichen Märkte, ihre Erfordernisse und Eigenheiten – und dann heiße es „zuhören“: Den eigenen Leuten, den Händlern, den Kunden, der Presse. Die Kunst bestehe darin, zu wissen, wann man weghören müsse, denn es dürften nicht zu viele Leute mitreden, wenn das Ergebnis originell werden solle.

Das wieder sei der Kern des Geheimnisses – die Überraschung. Sie müsse spürbar sein, wenn auch nicht zu groß: „Wenn ich bei der Vorstellung einer Uhr Worte wie ,Thierry, das ist perfekt‘ höre oder ,Das entspricht unseren Erwartungen zu 100 Prozent‘, weiß ich: Das wird keine Ikone.“ So habe sich jüngst die Entscheidung, eine Fliegeruhr zu präsentieren, im Nachhinein bewährt – gerade weil man sein Haus damit nicht verbinde.

Instandsetzung mithilfe von Messuhr, Handstichel und Handdrehmeißel
Instandsetzung mithilfe von Messuhr, Handstichel und Handdrehmeißel
Quelle: Sébastien Agnetti / 13Photo
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Der eigentliche Design- und Konstruktionsprozess sei dann vor allem eine Frage der Disziplin, sagt Stern in seinem schwarzen Ledersessel an der Spitze des Konferenztisches. Das bedeute auch, die Leute zu bremsen, ihnen klarzumachen, bestimmte Dinge nicht auszuprobieren: „Stellen Sie sich vor, ich hätte einen Uhrmacher, der etwas beherrscht, das nie wieder jemand können wird. Was wäre gewonnen?“ Es muss ein schwieriger Moment sein, als Chef einem hoch motivierten Mitarbeiter solche Grenzen zu setzen.

Hinzu kommt für Stern: Die beste Idee hilft nichts, wenn man sich nicht über Jahre um kleinste Details kümmert. Allein das Gehäuse erfordert viel Geduld. Man bespricht Materialen und Größe, man skizziert es, man verwirft es, man zeichnet es stark vergrößert noch einmal, man fängt wieder von vorn an, man baut es in Wachs, im besprochenen Werkstoff – und das sieht zuweilen grauenhaft aus, dabei hat man es nicht einmal poliert, was alles wieder zerstören kann. Thierry Stern wirft die Hände in die Luft: Dann das Zifferblatt, bis zu 50 Mal müsse man da ansetzen, da ist man dann immer noch nicht beim Werk. Aber aufgeben sei eben niemals eine Option.

Inmitten der digitalen Revolution

Dann ist es, wie es immer ist, wenn man mit jemandem redet, der wirklich etwas zu sagen hat: Die Gesprächszeit ist um, obwohl man gefühlt gerade erst angefangen hat. Der Fotograf braucht noch einige Minuten für die Bilder – Stern steht auf, geht stracks in die Lobby und posiert vor der Installation eines riesigen Uhrwerks an der Wand. Er lächelt, feixt, Kopf hoch, Kopf leicht gesenkt, ein paar Sprüche auf Französisch fliegen durch die Luft, die vorbeieilenden Mitarbeiter nehmen keine Notiz, sie kennen das schon. Dem Interviewer dröhnt der Kopf, aber er tröstet sich schnell: Es ist gut zu wissen, dass auch inmitten der digitalen Revolution außerhalb der IT-Branche zuweilen Brillanz regiert.

Eine letzte Frage geht noch: Was definiert eine Patek Philippe, was macht sie erkennbar? Zum ersten Mal zögert Stern: „Das ist schwer zu sagen. Sie muss ... ja, sie muss leicht zu sehen sein, also einfach abzulesen, aber schwer zu durchschauen.“ Allein über diesen Satz könnte sein Besucher jetzt drei Wochen lang nachdenken. Doch da ist Thierry Stern auch schon wieder weg. Diesmal mit mehr als sieben Minuten Verspätung im Gepäck.

Die Uhrenmesse Baselworld findet vom 23. bis 30. März statt.

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Am Sonntag wird die Uhr eine Stunde vorgestellt

Dieses Wochenende beginnt die Sommerzeit. In der Nacht von Samstag auf Sonntag werden die Uhren um 02:00 Uhr um eine Stunde vorgestellt. Sich das zu merken, ist gar nicht so leicht.

Quelle: N24/Katharina Puche

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