Zu den hierzulande weniger bekannten Eigenschaften von Elton John gehört seine exzessive Sammelleidenschaft. Im Laufe seiner Karriere als Musiker hat er nicht nur eine beachtliche Menge an bunten Sonnenbrillen, glitzernden Anzügen und klobigen Plateauschuhen angehäuft, überliefert sind auch regelmäßige Besuche bei Tower Records am Sunset Boulevard in Los Angeles, wo der Popstar sich in den 1970er-Jahren gerne hunderte Schallplatten auf einen Schlag zulegte.
Seit Beginn der 90er sammelt er zudem zeitgenössische Fotografien. Gemeinsam mit seinem Ehemann David Furnish hat er eine private Kollektion zusammengetragen, die an Umfang und Tiefe kaum zu überbieten sein dürfte. Mehr als 7000 Arbeiten spannen einen zeitgeschichtlichen Bogen von der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart, die Bandbreite der Fotografen reicht von längst zu Klassikern gewordenen Erneuerern der Modefotografie wie Irving Penn und Herb Ritts bis hin zu Pulitzer-Preisträger Julio Cortez oder dem Jungstar Tyler Mitchell, der in seinen Bildern afroamerikanische Utopien entwirft.
Nachdem Teile der Sammlung bereits 2016 in der Tate Modern zu sehen waren, zeigt das Victoria & Albert Museum in London ab kommendem Samstag unter dem Titel „Fragile Beauty“ (bis 5. Januar 2025) rund 300 Abzüge von 140 Fotografen, gruppiert nach Themen wie „Mode“, „Berühmtheit“, „Der männliche Körper“ und „Amerikanische Fotografie“.
Wie es sich für einen ernsthaften Sammler gehört, hat Elton John sich bei seinen Anschaffungen ganz offensichtlich nicht an ihrem Wertsteigerungspotenzial orientiert, sondern an seinen persönlichen Vorlieben – ähnlich wie bei einer Schallplattensammlung. So verwundert es nicht, dass sich die Lebensthemen des Musikers in den Bildern wiederfinden, darunter das Streben nach Gleichberechtigung und Anerkennung, die Selbstinszenierung als Künstler und Entertainer, die Suche nach Zugehörigkeit außerhalb der traditionellen Bindungen, die Lust an der Ausschweifung, aber auch die Erfahrung von Verlust und Trauer.
Der Kampfgeist und die Ausbruchsstimmung der 1960er-Jahre repräsentiert etwa eine Aufnahme des Bürgerrechtlers Malcolm X, die von zeitgenössischen Musikerporträts von Aretha Franklin, Chet Baker oder den Beatles flankiert wird. Mit erotischen Begegnungen und familiären Konstellationen außerhalb der Norm beschäftigen sich wiederum Toni Bianchi mit seiner Serie „Fire Island Pines“ über ein sagenumwobenes schwules Refugium auf einer Insel vor Long Island sowie Nan Goldin mit ihrem monumentalen Langzeitprojekt „Thanksgiving“, das zwischen 1973 und 1999 in ihrem unmittelbaren Umfeld entstand und im V&A als zusammenhängende Installation zu sehen sein wird.
Besonderen Raum nimmt Marilyn Monroe ein, der Elton John 1973 die Ballade „Candle in the Wind” widmete. Die Hollywood-Ikone ist auf drei Bildern zu sehen, die auf dem Höhepunkt ihres Ruhms entstanden. Auf einem berühmten Porträt von Richard Avedon aus dem Jahr 1957 trägt sie ein Paillettenkleid und blickt nachdenklich in die Ferne. Die Magnum-Fotografin Eve Arnold hat sie während einer Drehpause bei den Außenaufnahmen des Westerns „Nicht gesellschaftsfähig“ in der Wüste von Nevada verewigt. Ein Motiv aus der Reihe „The Last Sitting“ von Bert Stern entstand kurz vor Marilyn Monroes Tod im Jahr 1962. Die Dreierkonstellation gleicht einer Meditation über eine Existenz zwischen innerer Befindlichkeit und äußerer Projektion.
Es spricht für den Humor von Elton John, dass er sich selbst zum Anschauungsobjekt gemacht hat. Ein Porträt von David LaChapelle zeigt den Popstar beim „English Breakfast“ – mit zwei Spiegeleiern auf den Augen, die farblich mit der Serviette auf seinem Schoß und Teetasse in seiner Hand harmonieren.