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Partnerschaft Einstein bis Pippi Langstrumpf

Wie Faulenzen die Kreativität fördert

Redakteurin
Einfach mal die Füße hochlegen – das beste Mittel gegen eine kreative Blockade Einfach mal die Füße hochlegen – das beste Mittel gegen eine kreative Blockade
Einfach mal die Füße hochlegen – das beste Mittel gegen eine kreative Blockade
Quelle: Getty Images/EyesWideOpen
Kaum eine Untugend hat einen schlechteren Ruf als das Nichtstun. Dabei ist schon seit der Antike bekannt, dass bewusste Auszeiten die Kreativität befördern. Kein Wunder, dass die großen Geister der Weltgeschichte Meister im Faulenzen waren.

Albert Einstein hatte eine originelle Art, seinen Sohn Eduard dazu zu bewegen, ihn in seinem Sommerhaus bei Berlin zu besuchen: „Sei ein gutes faules Tier“, schrieb er 1931 dem 21-Jährigen. „Streck alle Viere von Dir. / Komm nach Caputh, pfeif auf die Welt / Und auf Papa, wenn Dir’s gefällt.“

Die Zeilen zeugen nicht nur von der Sehnsucht des Vaters nach dem Sohn aus erster Ehe, der in Zürich bei seiner Mutter Mileva Maric lebte. Sie sind auch ein launiges Dokument für die Bedeutung, die der Nobelpreisträger zeit seines Lebens einer Gewohnheit beimaß, von der er behauptete, dass sie seinen wissenschaftlichen Erfolg entscheidend geprägt habe: dem Nichtstun.

Faulenzen. Kaum eine Untugend hat einen schlechteren Ruf. Müßiggang ist aller Laster Anfang! Sich-Regen bringt Segen! Der westliche Wohlstand zeigt, dass sich das protestantische Arbeitsethos bezahlt macht. Doch Fleiß um jeden Preis birgt Gefahren.

Ein neues Verhältnis zur Arbeit

Die Zahlen, die das US-amerikanische Future Forum zur Erforschung des internationalen Berufslebens gerade veröffentlicht hat, bestätigen das. Demnach gaben 42 Prozent der befragten Arbeitnehmer und Führungskräfte in den USA, Deutschland, Australien, Japan, Frankreich und Großbritannien Ende 2022 an, sich ausgebrannt zu fühlen.

Höchste Zeit also, von Einstein mehr zu lernen als die Relativitätstheorie, weniger Hamster im Rad zu sein und stattdessen öfter mal „ein gutes faules Tier“, wie er es seinem Sohn empfahl. Denn bewusste Auszeiten bewahren nicht nur davor, bis zur restlosen Erschöpfung zu schuften und psychische und physische Schäden zu riskieren – sie sind auch die Quelle neuer Kreativität.

Viele Genies wussten die Wirkungen des Müßiggangs zu schätzen. Einstein gehörte zu den konsequentesten Nutzern der schöpferischen Auszeit. Seine Professoren nannten ihn einen Faulpelz. Er war ein eifriger Schwänzer, der die Zeit der Vorlesungen lieber für eigene, private Studien nutzte. Viel häufiger allerdings nutzte er seine Zeit dazu, einfach nur nachzudenken. Geige zu spielen. Spazieren zu gehen.

Albert Einstein behauptete, seine wichtigsten Ideen seien ihm beim Nichtstun gekommen. Die Tatsache, dass er nie Socken trug, habe ihm zudem geholfen, sich zu fokussieren: So musste er sich keine Gedanken über Löcher machen. Ein Genie
Albert Einstein behauptete, seine wichtigsten Ideen seien ihm beim Nichtstun gekommen
Quelle: Sergey Konenkov/Sygma/Sygma via Getty Images

Die besten Ideen, sagte Einstein, seien ihm in diesen Stunden gekommen. Der zündende Gedanke für die Relativitätstheorie soll ihm im Bett eingefallen sein. Darin hielt er sich ohnehin ausgiebig auf. Zehn Stunden Schlaf brauchte er im Schnitt. Manchmal auch zwölf. Kaum verwunderlich, dass er als entspannter, meist freundlicher Zeitgenosse mit viel Sinn für Humor galt. Gute Laune als Effekt des Müßiggangs. Ein Aspekt, für den allein es sich schon lohnen würde, ein Förderprogramm für das rechtschaffene Faulenzen einzurichten.

Es ist schon bemerkenswert, dass ausgerechnet mit der Industrialisierung, am Beginn des wirtschaftlichen Fortschritts, als es auf Kreativität und Produktivität ankam wie nie zuvor, jener Rhythmus zu Ende ging, der es der Mehrheit ermöglicht hat, regelmäßig zur Ruhe zu kommen: die Aufteilung der Woche in Werktage und den Sonntag.

Und auch, wenn nicht jeder in der Kirche innere Einkehr fand, so bestand doch dort wenigstens für alle regelmäßig die Möglichkeit, für eine Stunde ungestört vor sich hin zu dösen. Seit die Maschinen das Leben bestimmen, ist damit Schluss. Wir haben uns daran gewöhnt, dass die Laufbänder immer in Gang sind. Und haben keine Ahnung, was uns an geistigen Impulsen und Innovationen verloren geht, weil wir uns zu viel Zeit für Transpiration und zu wenig für Inspiration nehmen.

Auch Tanzen ist eine Auszeit
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Der Autor Bernd Imgrund, der gerade einen überaus lesenswerten Essay über das Faulsein veröffentlicht hat („Faul! Vom Nutzen des Nichtstuns“, Hirzel), erinnert daran, dass die Pause schon in der Antike große Wertschätzung genoss. So bezeichnete der griechische Philosoph Sokrates die Muße als „Schwester der Freiheit“.

In der biblischen Schöpfungsgeschichte braucht sogar Gott einen Ruhetag, nachdem er die Erde geschaffen hat. Und in den Zehn Geboten, die Moses dem Volk Israel überbrachte, mahnt Gott gleich an dritter Stelle, den Feiertag zu heiligen, um sich mit sich und seiner Beziehung zum Höchsten zu beschäftigen. Der alttestamentarische König Salomo wusste: „Wer seine Tätigkeit einschränkt, erlangt Weisheit.“

Dass die guten Ideen dann kommen, wenn die alltäglichen Aufgaben ruhen, das bestätigt auch die naturwissenschaftliche Forschung. Der Neurowissenschaftler Alex Pouget von der US-amerikanischen Universität von Rochester ist davon überzeugt, dass wir die besten Entscheidungen ohne große Anstrengungen treffen, unbewusst.

Es lohnt sich also, bei der nächsten Fahrt mit dem ICE statt auf den PC zu starren, einfach mal stundenlang aus dem Fenster zu schauen und Wiesen, Hügel und Kleingärten vorbeihuschen zu lassen. Vor allem im Halbschlaf.

Eines der größten Probleme in Partnerschaften

Kaum eine Untugend hat einen schlechteren Ruf als das Nichtstun. Dabei ist schon seit der Antike bekannt, dass bewusste Auszeiten die Kreativität befördern. Kein Wunder, dass die großen Geister der Weltgeschichte Meister im Faulenzen waren

Der Chemiker August Kekulé behauptete jedenfalls, in einem solchen Dämmerzustand auf seine berühmteste Entdeckung gestoßen sein: Die 1865 veröffentlichte Struktur des Benzolrings. Eine ihm im Traum erschienene Schlange, die sich in den Schwanz biss und in der Alchemie als Symbol des Kreises gilt, habe ihn auf die bahnbrechende Erkenntnis der kreisförmigen Anordnung der Kohlenstoffatome gebracht.

Auch Johann Sebastian Bach berichtete, zwischen Schlafen und Wachen eine Menge musikalischer Ideen gefunden zu haben. Das Problem sei nur, „morgens beim Aufstehen nicht auf sie zu treten“. Bach war übrigens besonders radikal darin, sich Auszeiten zu nehmen. 1705, er war gerade 20 und schon ein gut bezahlter Organist im thüringischen Arnstadt, ließ er sich vier Wochen Urlaub genehmigen, um den von ihm verehrten Komponisten Dietrich Buxtehude in Lübeck aufzusuchen. Zu Fuß. Als er zurückkehrte, waren vier Monate vergangen.

Johann Sebastian Bach machte mit 20 einfach mal vier Monate blau. Ein erfolgreicher Komponist wurde er trotzdem – oder deshalb
Johann Sebastian Bach machte mit 20 einfach mal vier Monate blau. Ein erfolgreicher Komponist wurde er trotzdem – oder deshalb
Quelle: picture alliance/akg-images
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Sein Arbeitgeber, die Stadt Arnstadt, war über die verspätete Rückkehr nicht erfreut. Bach machte sich nicht viel daraus, gab stattdessen an der Orgel neue, experimentelle Klänge zum Besten, die bei den Bürgern für Verwunderung sorgten. Er wurde dennoch einer der wichtigsten Komponisten der Musikgeschichte. Ob die Reise nach Lübeck daran Anteil hatte?

Wenn es nach den Forschungsergebnissen von Charles Hillman geht, wäre das durchaus möglich. Der Psychologe von der Universität Illinois wies anhand von Hirnscans bei 241 Probanden nach, dass schon eine 20-minütige Pause mit körperlicher Bewegung die Hirnaktivität enorm anregen kann. Reaktionszeiten verbesserten sich ebenso eklatant wie das Konzentrationsvermögen. Was mag da wohl ein viermonatiger Fußmarsch bei einem musikalisch Höchstbegabten wie Bach bewirkt haben?

Leonardo da Vinci traf ebenfalls der Vorwurf der Arbeitsverweigerung. Das Universalgenie der Renaissance galt als undiszipliniert. Ständig brachte er Werke nicht zu Ende. Auch die „Mona Lisa“ blieb unvollendet. Er verärgerte seine Auftraggeber, weil er langsam war. Für sein Mailänder „Abendmahl“ brauchte er drei Jahre.

Leonardo da Vinci brauchte sehr lang für seine Werke, weil er viel sinnierte. Es hat sich gelohnt
Leonardo da Vinci brauchte sehr lang für seine Werke, weil er viel sinnierte. Es hat sich gelohnt
Quelle: picture alliance/© Darchivio/opale.photo

Manchmal soll er tagelang nur auf dem Gerüst gesessen haben, ohne einen Pinselstrich zu tun. Worüber er in diesen Stunden wohl sinnierte? Fest steht, dass er mit viel Muße eines der berühmtesten Wandgemälde der Welt schuf, dessen geheimnisvolle Botschaften bis heute Kunsthistoriker und Theologen rätseln lassen. Leonardo da Vinci hatte sein eigenes Tempo und hat es trotzdem weit gebracht. Das sollte allen Eltern Trost und Hoffnung sein, denen die Geduld mit dem verträumten Nachwuchs abhandengekommen ist.

Und dann sollten sie sich auch unbedingt noch Pippi Langstrumpfs Ode an die Faulheit anhören. „Faul sein ist wunderschön“, singt sie mit Tommy und Annika, während die drei auf dem Kleinen Onkel durch den schwedischen Sommer reiten und Dinge lernen, die auf keinem Lehrplan stehen. Wie man Freundschaften pflegt zum Beispiel oder ohne Mami und Papi Krisen bewältigt. Es ist kein Liebeslied an das notorische Faulenzen, sondern an das Abenteuer. „Liebe Mutter, glaub es mir“, singen sie. „Wenn ich wiederkomm, will ich fleißig sein, das versprech ich dir.“

Von Pippi Langstrumpf, hier gespielt von Inger Nilsson, können Eltern Geduld mit faulen Kindern lernen
Von Pippi Langstrumpf, hier gespielt von Inger Nilsson, können Eltern Geduld mit faulen Kindern lernen
Quelle: picture-alliance/dpa/epa Pressensbild/Delden

Ja, „es gibt kein Recht auf Faulheit in unserer Gesellschaft“, wie Bundeskanzler Gerhard Schröder einst betonte. Zumindest, wenn man arbeiten kann. Wer andere ohne Not für sich schwitzen lässt, ist unsozial. Die Trägheit des einen, ist die Ausbeutung des anderen. Als der sozialistische Agitator Paul Lafargue eine Broschüre unter dem Titel „Das Recht auf Faulheit“ veröffentlichte, war sein Schwiegervater Karl Marx, der die Arbeitskraft zum wichtigsten Wert des Wirtschaftslebens erhob, entsetzt.

Faulheit ist kein Ideal. Mit ihr schadet man sich selbst, beraubt sich der Möglichkeit, mit den eigenen Talenten zu wuchern, verspielt das Glück, das es bedeutet, etwas in Bewegung zu setzen, sein Leben selbst zu meistern. Fleiß bleibt also eine Tugend. Arbeit aber, die keine Atempause lässt, ist Teufelswerk.

Der Philosoph Johann Gottlieb Fichte, Sohn eines armen Bandwebers und erfahren in Kinderarbeit, sagte es so: „Der Mensch soll angstlos, mit Lust und mit Freudigkeit arbeiten und Zeit übrig behalten, seinen Geist und sein Auge zum Himmel zu erheben, zu dessen Anblick er gebildet ist.“

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