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Essen & Trinken Beliebter Sommerdrink

„Derzeit schlägt der Negroni an Beliebtheit jeden anderen Cocktail“

Perfekte Balance von Campari, Wermut und Gin Perfekte Balance von Campari, Wermut und Gin
Perfekte Balance von Campari, Wermut und Gin
Quelle: Getty Images/Alexander Spatari
Ein ausgewogenes Verhältnis von würzigen und bitteren Noten hat den Negroni zum beliebten Sommerdrink gemacht. Seine gehaltvolle Mischung geht zurück auf einen lebenslustigen Grafen. Das Geheimnis des Drinks ist schnell vermittelt.

„Ein Barkeeper, der einen Messbecher verwendet, ist eigentlich kein Barkeeper, denn ein solcher hat das im Gefühl“, sagt Andrea Di Costanzo, Barchef in der „Villa la Massa“ bei Florenz. „Aber beim Negroni mache ich eine Ausnahme, denn da kommt es auf die exakte Mischung an.“ An der wunderschönen Bar des Hotels, das in einem Renaissance-Gebäude aus dem frühen 16. Jahrhundert untergebracht und von einem weitläufigen Park umgeben ist, hält Di Costanzo ein kleines Referat über die florentinische Aperitif-Kultur, begleitet von praktischen Beispielen in Form einiger typischer Drinks. „Derzeit schlägt der Negroni an Beliebtheit jeden anderen Cocktail“, sagt er.

Ein ehemaliger Arbeitskollege von Di Constanzo, der Florentiner Barmann und Autor Severino Paolo Baldini, hat ein nützliches Buch über den Cocktail und seine Entstehung geschrieben, das voll ist mit Anekdoten zur Barkultur in Florenz und zum gesellschaftlichen Leben in der Toskana. Es heißt „Tutto ciò che non sai sul Negroni“ –alles, was Sie nicht über den Negroni wissen. Dabei sind die Basiskenntnisse schnell vermittelt: Das Geheimnis des Drinks ist die perfekte Balance von Campari, Wermut und Gin.

Um das zu demonstrieren, füllt Di Constanzo ein paar Probiergläser jeweils mit einer dunkelroten und einer hellroten Flüssigkeit und lässt die Gäste kosten. In dem einen befindet sich purer Campari, in dem anderen ein Wermut. „Im Florenz des 19. Jahrhunderts waren die Aperitifs bitter und würzig“, erzählt er. „Man mischte Campari, der seit 1860 aus Mailand bekannt war, mit dunklem Wermut, der aus Turin kam. Man nannte das den Mito, nach Milano und Torino, eigentlich einer der ersten Aperitifs, den wir hatten.“

Je weiter südlich, desto süßer

In der damaligen Zeit entstand im Norden Italiens eine Aperitif-Kultur, die sich allmählich im ganzen Land verbreitete und die bis heute vom Wechselspiel von süßen und bitteren Noten geprägt ist. Man trinkt Wermut, Cynar oder Amaro, manchmal pur, oft aber mit Eis, hier und da mit einem Spritzer Soda und einer Scheibe Zitrone oder Orange. Campari prägt die Mischungen in Mailand, je weiter südlich es geht, desto süßer werden die Getränke, aber immer behalten sie ihren kräutrig-bitteren Geschmack. Der Ursprung von all dem liegt in den Kräuterlikören der Mönche, die ursprünglich wegen ihrer gesundheitlichen Wirkung konsumiert wurden.

Eine Kostprobe vom Mito überzeugt durch ein bekömmliches Miteinander, wenngleich der hohe Alkoholgehalt hervorsticht. „Als die ersten Amerikaner in die Stadt kamen, war ihnen dieser einheimische Cocktail zu schwer“, fährt Di Constanzo fort. „Daraufhin gab man in den Bars und Cafés Soda in das Gemisch aus Campari und Wermut.“ So entstand der Americano, eine kühle und ebenfalls wohl balancierte Erfrischung, bei dem die Flüssigkeiten in einem Verhältnis von 1:1:1 stehen und der von Florenz aus um die Welt ging.

In der Erzählung des Barkeepers kommt an dieser Stelle der Conte Camillo Luigi Manfredi Negroni ins Spiel, ein reicher Erbe, der sich für seinen Wohlstand nicht schämte. In seinem Pass stand als Berufsbezeichnung „Benestate“, was so viel bedeutet wie „wohlgestellt“. Sein Vater hatte für ihn eigentlich eine Karriere beim Militär vorgesehen, doch der junge Graf hing zu sehr am guten Leben, er verbrachte seine Zeit lieber an der Bar und stellte Frauen nach. Statt zur Armee ging er nach Texas, um Pferde zu züchten, auch dort trank er nicht zu knapp.

Als er 1919 nach Florenz zurückgekehrt war und man ihm in seinem Stammlokal „Café Casoni“ einen Americano servierte, schmeckte das dem Grafen überhaupt nicht. Was hatte das Soda im Glas verloren? Daraufhin sah sich der Barmann unter seinen Vorräten um. Wodka? Nein, das passte nicht. Gin? Schon eher, wegen der Würze. Also gab der Barmann Wacholderschnaps statt Soda in den Cocktail und goss ein. Der Graf war sichtlich angetan von der Mischung, und wie bei Meg Ryan in der Lebenskomödie „Harry und Sally“ wollten auch andere Gäste das, was er hatte. Der Negroni war geboren.

Im Rivoire Café in Florenz werden Negronis schon zur Mittagszeit serviert
Im Rivoire Café in Florenz werden Negronis schon zur Mittagszeit serviert
Quelle: Maremagnum/Getty Images

Heute zählt der Drink zu den Bestsellern in Lokalen wie dem „Caffé Gilli“, das seinen Betrieb bereits 1733 aufgenommen hat und zu den ältesten Bars der Stadt gehört. Oder dem „Café Rivoire“, das 1872 auf der Piazza della Signora eröffnete und von dessen Außenbereich man auf die David-Skulptur von Michelangelo blickt. Trotz der Touristenströme, die sich Tag für Tag über die Piazza schieben, bewahrt das Servicepersonal Gelassenheit, hier muss man keine Hemmungen haben, schon zur Mittagszeit einen Negroni Sbagliato zu trinken.

Dieser prickelnde Drink ist ein Hybrid aus Americano und klassischem Negroni, der Gin wird durch möglichst stark perlenden Prosecco ersetzt. Negroni schmeckt aber nicht nur in Traditionslokalen, in denen die Kellner noch Krawatten tragen, sondern auch in trendigen Bars wie dem „Manufattura“ im Ausgehquartier Oltrarno, wo die Barleute ihren Wermut selbst herstellen.

Für den Negroni im „Manifattura“ stellen die Mitarbeiter ihren eigenen Wermut her
Für den Negroni im „Manifattura“ stellen die Mitarbeiter ihren eigenen Wermut her
Quelle: REDA&CO/Universal Images Group via Getty Images
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Bei Andrea Di Costanzos Einführung in die florentinische Barkultur haben die Teilnehmer inzwischen den zweiten Drink zu sich genommen, die Stimmung steigt hörbar. Jetzt macht sich der Barchef an den Negroni. Dazu gibt er die Zutaten in hohe Rührbecher, die bis zum Rand mit Eiswürfeln gefüllt sind. Dann verrührt er mit langsamen, konsequenten Drehungen. „Das Umrühren ist wichtig“. Doch es darf nicht zu lange dauern, weil sonst das Eis schmilzt und den Drink verwässert.

Jetzt gießt Di Constanzo den Negroni in Tumbler, die wiederum bis zum Rand mit Eis gefüllt sind. Eine ganze Scheibe Orange kommt dazu und noch einmal zwei oder drei Drehungen mit dem Rührlöffel. Graf Negroni soll es vorgezogen haben, dass die Zutaten seines Drinks nicht verrührt wurden. Bei ihm kam der Gin am Ende hinzu. „So hat man anfangs die ölige Schwere des Gins“, erklärt Di Costanzo. „Und darauf folgt gleich die kühle Würzigkeit und Bitterkeit von Wermut und Campari.“ Wenn Camillo Negroni hätte arbeiten müssen, wäre sicher ein guter Barchef aus ihm geworden.

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