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Gesundheit Adipositas

OPs und Medikamente – Der Kampf gegen Fettleibigkeit bei Kindern

John Simon, left, a teenager who had a bariatric surgery in 2022, hugs his sister, Haley, after getting a bracelet she made for him in Los Angeles, Monday, March 13, 2023. (AP Photo/Jae C. Hong) John Simon, left, a teenager who had a bariatric surgery in 2022, hugs his sister, Haley, after getting a bracelet she made for him in Los Angeles, Monday, March 13, 2023. (AP Photo/Jae C. Hong)
Mit 14 Jahren wog John Simon (l.) fast 200 Kilogramm, hier mit seiner Schwester Haley
Quelle: AP
Schwere gesundheitliche Probleme, Mobbing in der Schule: Wo Diäten und Sport nicht helfen, setzen Kinder und Jugendliche in den USA zunehmend auf Medikamente und Operationen gegen Fettleibigkeit. Das ist umstritten.

John Simon hatte schon als Baby einen guten Appetit. Als Kleinkind war er pummelig, doch er blieb das auch, als andere längst ihren Babyspeck verloren. In den nächsten Jahren stieg das Gewicht weiter, deutlich mehr als es eine gesunde Entwicklung erwarten ließ. Als John 14 war, wog er fast 200 Kilo und war in einem lebensbedrohlichen Zustand.

Was blieb, war eine Operation. John bekam einen Teil seines Magens entfernt. Jetzt, ein dreiviertel Jahr später, hat er 70 Kilo abgenommen. „Es war wie ein völlig neuer Anfang“, sagt der Jugendliche aus Kalifornien.

Edward Kent aus Minnesota, bei dem eine Fettlebererkrankung diagnostiziert wurde, wog bei 1,80 Meter Größe an die 140 Kilo. Er begann im Januar mit der Einnahme eines Medikaments namens Wegovy, das die Gesundheitsbehörden erst kurz zuvor für Kinder ab zwölf Jahren zugelassen hatten. Seitdem hat er fast 20 Kilogramm verloren. „Das ist eine wichtige Sache“, sagt Edwards Mutter, eine Ärztin. „Es geht um seine Gesundheit.“

Wie John und Edward setzen mehr Jugendliche in den USA auf neue Medikamente, die den Stoffwechsel umkrempeln, und Operationen im Kampf gegen ihre Fettleibigkeit. Es ist eine kleine Minderheit, aber sie wächst. Doch die Maßnahmen sind umstritten: Einige Fachleute mahnen zur Vorsicht, schon im Jugendalter so umfassend einzugreifen.

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Die Betroffenen und ihre Eltern sehen in den offensiven und meist teuren Operationen und Therapien oft die einzige Chance – nach vielen Jahren erfolgloser Versuche, das Gewicht mit Diäten oder Sport in den Griff zu bekommen. „John hat es mit aller Kraft versucht“, sagt seine Mutter. „Es wurde immer schwieriger.“

80 Prozent der Jugendlichen mit Übergewicht tragen die Belastung bis ins Erwachsenenalter weiter mit sich. Das kann beträchtliche Folgen für ihre körperliche und psychische Gesundheit haben. Extremes Übergewicht oder Adipositas kennzeichnet eine krankhafte Zunahme von Körperfett, und mit zunehmendem Übergewicht steigt das Risiko unter anderem für Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes.

John Simon, a teenager who had a bariatric surgery in 2022, exercises with his trainer Chris Robles at El Workout Fitness in Los Angeles, Monday, March 13, 2023. (AP Photo/Jae C. Hong)
Simon bekam einen Teil seines Magens entfernt, trainiert, achtet auf Ernährung
Quelle: AP
John Simon, a teenager who had a bariatric surgery in 2022, cooks dinner for his family in Los Angeles, Monday, March 13, 2023. (AP Photo/Jae C. Hong)
Er wiegt nun 70 Kilo weniger. „Es war wie ein völlig neuer Anfang“, sagt der Jugendliche aus Kalifornien
Quelle: AP

Vor zehn Jahren wurde Adipositas vom amerikanischen Ärzteverband AMA erstmals als komplexe chronische Krankheit anerkannt, sagt Aaaron Kelly vom Zentrum für Adipositas-Medizin im Kinder- und Jugendalter an der Universität von Minnesota. Konstruktive Behandlungsmethoden hinkten dem aber weit hinterher. Er hält es für sinnvoll, rechtzeitig einzugreifen. „Wir müssen früh ansetzen“, sagt er. „Wir dürfen nicht bis später warten, weil es dann zu spät ist.“

Im Januar verabschiedete die Amerikanische Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (AAP) neue Richtlinien dazu. Diese empfehlen, Adipositas-Medikamente für Kinder ab 12 Jahren und chirurgische Eingriffe ab 13 Jahren in Betracht zu ziehen.

Die Richtlinien stießen auf ein äußerst geteiltes Echo. Während viele Betroffene sie mit Erleichterung und Hoffnung vernahmen, kam auch scharfe Kritik aus der Gesellschaft. Die Organisation Mental Health America, die sich der mentalen Gesundheit der Bevölkerung verschrieben hat, nennt die Empfehlungen gefährlich und entmutigend. Damit würde das Stigma in Bezug auf Übergewicht gefestigt und Essstörungen nur verstärkt, lautet die Kritik.

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In den sozialen Medien wurde auf mögliche Ursachen für Übergewichtigkeit wie Junk Food und Video-Spiele statt Bewegung verwiesen und der Vorwurf an Ärzteschaft und Eltern gerichtet, dass sie es sich so zu leicht machten. Bei aller berechtigter Begeisterung über neue Medikamente dürften die nicht-medikamentösen Ansätze nicht aus dem Blick verloren werden, mahnt auch David Ludwig, Endokrinologe an der Kinderklinik in Boston. „Besonders bei Kindern müssen Ernährung und Bewegung bei der Vorbeugung und Behandlung von Fettleibigkeit weiter an erster Stelle stehen“, schreibt er in der medizinischen Fachzeitschrift „JAMA“.

Oft aber reiche das nicht, betonen die Fachleute. Die Forschung zeige, dass schwerer Fettleibigkeit mit Ernährung und Bewegung alleine nicht beizukommen sei. Mehr als 240 Krankheiten und Gesundheitsprobleme würden mit Adipositas in Verbindung gebracht, und die Anzeichen zeigten sich oft schon früh, erklärt die Chirurgin Janey Pratt von der Universität Stanford. „Wenn sie zu mir kommen, sind bereits wichtige Organe betroffen“, sagt die Ärztin, die auch John Simon operiert hat, über die Patienten.

Body-Mass-Index von 75

Bei John machten sich Gelenkschmerzen und Kurzatmigkeit schon in der Grundschule bemerkbar. Mit zwölf litt er an einer so starken Schlafapnoe, also dem wiederholten Aussetzen der Atmung während des Schlafs, dass er tagsüber Kaffee brauchte, um wach zu bleiben. In der Schule wurde er gehänselt, angegriffen und gemobbt. John entwickelte Angstzustände und war als Sechstklässler zwei Monate lang zur Therapie im Krankenhaus.

„Sie beschimpften mich, schlugen mich, schubsten mich“, sagt John. „Ich musste viel durchmachen.“ Er versuchte es mit Diäten und Sport und verlor fast 20 Kilo. Doch durchhalten konnte er nicht, das Gewicht kam zurück – und noch mehr, bis John schließlich einen Body-Mass-Index (BMI) von 75 erreichte. Als ideal gilt bei Erwachsenen ein BMI von 18,5 bis 24,9, Adipositas wird definiert ab einem BMI von 30. Für Kinder gilt der BMI als nicht geeignet, zeigte aber bei John eine klare Tendenz.

Er wandte sich mit einem Hilferuf an den Kinderarzt Callum Rowe in Los Angeles. Der verwies den Jugendlichen an die Universität Stanford, wo John auf die Chirurgin Pratt traf. Die Anmeldungen für das dortige Chirurgie-Programm hätten sich seit der Veröffentlichung der AAP-Richtlinien verdoppelt, sagt die Ärztin.

Studien zufolge verlieren Kinder, die sich einer entsprechenden Operation unterziehen, im Durchschnitt ein Viertel bis ein Drittel ihres Körpergewichts. Aber etwa ein Viertel der Kinder nähmen dann wieder zu und müssten weiter behandelt werden, sagt Pratt. Bei der Einnahme des Medikaments Wegovy hat eine klinische Studie eine durchschnittliche Gewichtsabnahme von 16 Prozent über knapp 16 Monate hinweg gezeigt. Wird eine solche Behandlung jedoch abgebrochen, kommen die Kilos der Forschung zufolge wieder zurück. Andererseits können bei der Einnahme auch ernste Nebenwirkungen auftreten, wie etwa Entzündungen der Bauchspeicheldrüse.

Bei Edward Kent hat das Adipositas-Medikament gut angeschlagen. Es habe seinen Heißhunger „wie mit einem Lichtschalter“ ausgeknipst, sagt die Mutter. Die letzte Untersuchung ergab normale Leberwerte für den Jungen.

John Simon, a teenager who had a bariatric surgery in 2022, sits for a photo in his classroom at Van Nuys Middle School in Los Angeles, Monday, March 13, 2023. (AP Photo/Jae C. Hong)
„Ich möchte einfach ein glückliches, gesundes Leben führen“, sagt John Simon heute
Quelle: AP
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Und bei John Simon verbesserten Leberfunktion und Blutzuckerwerte, wie die Ärztin Pratt sagt. Die Arthritis wurde besser, der Jugendliche kann sich leichter bewegen, und auch der Schlaf ist erholsamer geworden.

An den psychischen Folgen trägt John aber noch schwer. Die Angriffe an seiner Schule waren so heftig, dass Lehrkräfte den Jungen begleiten mussten, wenn er den Unterrichtsraum wechselte. Im kommenden Schuljahr geht John auf eine neue Schule, in der er auf einen unbelasteten Neuanfang hofft. „Ich möchte einfach ein glückliches, gesundes Leben führen“, sagt der inzwischen 15-Jährige. „Ohne die Schmerzen. Und ohne das Gewicht.“

AP/krei

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