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Zweiter Weltkrieg „Unternehmen Bagration“

Die schlimmste Niederlage der deutschen Militärgeschichte war selbst verschuldet

Am 22. Juni 1944, auf den Tag drei Jahre nach dem „Unternehmen Barbarossa“, griff die Rote Armee die deutsche Heeresgruppe Mitte an. Die Abteilung Fremde Heere Ost hatte etwas anderes erwartet. Hitler fantasierte sich in einen völlig unrealistischen Plan. Das hatte katastrophale Folgen.
Sowjet.Vormarsch/Polen/sowjet.Infanterie 2. Weltkrieg/ Sowjetunion 1941-45: Sommeroffensive der Roten Armee, Juli/August 1944. Auf dem Vormarsch Richtung Warschau: Sowjetische Infanteristen verfolgen die Besatzung eines getroffenen deutschen Panzers.- Foto, August 1944. Sowjet.Vormarsch/Polen/sowjet.Infanterie 2. Weltkrieg/ Sowjetunion 1941-45: Sommeroffensive der Roten Armee, Juli/August 1944. Auf dem Vormarsch Richtung Warschau: Sowjetische Infanteristen verfolgen die Besatzung eines getroffenen deutschen Panzers.- Foto, August 1944.
Infanteristen der Roten Armee stürmen an einem abgeschossen Panzer V "Panther" vorbei (Propagandafoto, mutmaßlich gestellt)
Quelle: picture-alliance / akg-images
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Frontal greift man einen starken Gegner nur an, wenn es keine realistische Alternative gibt; sonst ist die Flanke fast immer vorzuziehen. Jedenfalls, wenn man dem klassischen militärischen Sachverstand folgt. In der Abteilung Fremde Heere Ost des Generalstabs des Heeres, der Feindaufklärung der Wehrmacht für die Ostfront, arbeiteten durchweg ausgebildete Generalstäbler. Sie wussten, dass sie eine sowjetische Großoffensive zu erwarten hatten – und sannen darüber nach, wo.

Die Lage der deutschen Truppen in Ostmitteleuropa im Frühsommer 1944 war einigermaßen prekär: Vier Großverbände der Roten Armee, genannt 1. bis 4. Ukrainische Fronten, hatten seit dem 2. Dezember 1943 in mehreren Offensiven fast die gesamte Ukraine zurückerobert. Hauptsächlich betroffen war die deutsche Heeresgruppe Süd (umbenannt in Heeresgruppe Nordukraine). Deren kampfstärkste Verbände, die 1. und Teile der 4. Panzerarmee, konnten gerade noch in einer Art „wanderndem Kessel“ entkommen.

Seit dem 30. März stand die nordwestliche Spitze der Roten Armee nur noch wenige Kilometer entfernt von der weiterhin deutsch besetzten Stadt Brest-Litowsk am Bug. Genau hier hatte am 22. Juni 1941 der deutsche Überfall auf Stalins Sowjetunion begonnen.

Quelle: Infografik WELT

Die deutschen Feindaufklärer schauten auf ihre Karten und erwarteten zweierlei: Aus diesem Frontbogen Richtung Westen werde die sowjetische Sommeroffensive losbrechen, um den kürzesten Weg zur Ostsee zu nehmen, an die Küste zwischen Danzig und Königsberg. Die Folge wäre ein „Super-Stalingrad“, ein Kessel, in dem nicht nur wie 1942/43 an der Wolga eine Armee, sondern zwei ganz Heeresgruppen eingeschlossen wären.

Zweitens sei mit einem Angriff um den 22. Juni zu rechnen, dem dritten Jahrestag des „Unternehmens Barbarossa“ von 1941, sowie mit Ablenkungsangriffen Richtung Minsk auf die Heeresgruppe Mitte und Richtung Bukarest auf die Heeresgruppe Südukraine. Darauf deuteten Verstärkungen der sowjetischen Truppen unter anderem westlich von Smolensk hin.

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Mit dem Datum behielten die Feindaufklärer Recht – aber nur damit. Denn tatsächlich wollten Stalins führende Militärs, die eben keine deutsche Generalstabsausbildung genossen hatten, „mit dem Kopf durch die Wand“. Dafür waren im Aufmarschgebiet westlich von Smolensk anderthalb Millionen Soldaten, fast 6000 Panzer und Sturmgeschütze, 32.000 Geschütze, Mörser und Raketenwerfer sowie knapp 8000 Flugzeuge zusammengezogen worden, um die Heeresgruppe Mitte zu zerschlagen. Ferner standen im Hinterland der deutschen Front etwa 150.000 Partisanen einsatzbereit.

Quelle: Infografik WELT

Der Deckname der Sommeroffensive lautete „Bagration“. So hieß ein 1812 in der Schlacht von Borodino verletzter und wenige Tage später an den Folgen gestorbener General der zarischen Armee, über den sein Gegner Napoleon gesagt haben soll: „Russland hat keine guten Generäle. Die einzige Ausnahme ist Bagration.“

In seiner Alpenresidenz Berghof oberhalb von Berchtesgaden fantasierte Adolf Hitler sich derweil in einen völlig unrealistischen Plan hinein: Er delegierte die Reserven der Wehrmacht größtenteils an die am 6. Juni 1944 eröffnete Westfront, um zunächst dort die amerikanisch-britisch-kanadisch-polnisch-franzöischen Verbände in einer Art erneutem Blitzfeldzug zu schlagen. Nach dem – völlig tatsachenwidrig erwarteten – schnellen Sieg sollten die deutschen Truppen umgehend nach Osten verlegt werden, um die erwartete Sommeroffensive der Roten Armee zu stoppen und die Entscheidungsschlacht des Krieges zu schlagen.

Doch was auf den Generalstabskarten als bewegliche Panzerabwehreinheiten erschien, waren oft nichts anderes als mit Panzerfäusten ausgerüstete Radfahrkompanien, schreibt der Militärhistoriker Karl-Heinz Frieser. Trotzdem gelang es Goebbels und seinem Propaganda-Apparat, Hitlers groteskes Selbstbewusstsein der deutschen Bevölkerung und sogar der militärischen Führung zu vermitteln. „Wir werden siegen, weil wir siegen müssen“, bekannte Generaloberst Alfred Jodl, der als Chef des Wehrmachtführungsstabes eigentlich der wichtigste Ratgeber des „Führers und Reichskanzlers“ sein sollte.

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Die Folgen waren verheerend. Von den offiziell 47 Divisionen der Heeresgruppe erreichten die meisten ihre Stärke nur auf dem Papier. Denn viele Verbände befanden sich in Neuaufstellung oder waren im Hinterland eingesetzt, zur Partisanenbekämpfung. Tatsächlich waren von den nominell 850.000 Soldaten nur 336.000 Mann echte Kampftruppen, von denen zudem nur die Hälfte voll einsatzbereit waren.

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Angesichts von knapp 500 Panzern und Sturmgeschützen, 600 Flugzeugen und 2500 Geschützen war die Heeresgruppe ihrem Gegner um den Faktor neun bis zwölf unterlegen. Das konnte auch nicht durch die (teilweise) höhere Kampfkraft einzelner deutscher Typen gegenüber ihren sowjetischen Pendants ausgeglichen werden.

Hinzu kamen schwere taktische Fehler: Hitler hatte befohlen, bestimmte „feste Plätze“ um jeden Preis zu halten, sich also bewusst einkesseln zu lassen. Solche Stützpunkte sollten in seiner Vorstellung als „Wellenbrecher“ dienen und der imaginierten Gegenoffensive nutzen. Doch damit gab die Wehrmacht den Vorteil der Beweglichkeit auf.

Das Ergebnis war ein enormer Blutzoll: Zwar wurden „nur“ 26.397 gefallene Wehrmachtssoldaten registriert, aber etwa viermal so viele blieben dauerhaft vermisst; es starben in den insgesamt acht Wochen von „Bagration“ also mehr als 130.000 Mann. Noch mehr, fast 160.000, gingen für Jahre in sowjetische Kriegsgefangenschaft, aus der viele nicht zurückkehrten. Hinzu kamen gut 100.000 Verwundete.

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Damit führte die Sommeroffensive der Roten Armee 1944 zur zahlenmäßig schlimmsten Niederlage der deutschen Militärgeschichte – die zudem rein taktisch selbst verschuldet war. Abgesehen von der Tatsache, dass deutsche Soldaten natürlich nichts in der Sowjetunion verloren hatten.

Noch höher fielen die sowjetischen Verluste aus. Zwar sind wie immer alle von offizieller sowjetischer oder heute russischer Seite genannten Angaben unzuverlässig, aber knapp 180.000 Rotarmisten fielen oder blieben dauerhaft vermisst; weitere fast 600.000 wurden erheblich verwundet. Die Verluste der Zivilbevölkerung in den umkämpften Gebieten in Weißrussland (heute Belarus) kann nicht annähernd geschätzt werden, weil schon in den Jahren der deutschen Besatzung seit Sommer 1941 viele Menschen ohne Registrierung gestorben waren.

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