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Geschichte Comedy-Boom der 1990er

„Hurz!“ – Als Kerkeling, Lück und Nontschew die Deutschen bespaßten

Am 4. Juli 1991 lief die letzte Folge von „Total Normal“. Hape Kerkeling trug darin eine Parodie vor, die zu den Sternstunden deutscher Komik gehört. Zuvor gelang ihm ein Coup, der diplomatisch heikel war. Diverse weitere Comedy-TV-Shows der 1990er wurden Klassiker.
Managing Editor Geschichte
Gewann mit „Total Normal“ etliche Preise: Hape Kerkeling Gewann mit „Total Normal“ etliche Preise: Hape Kerkeling
Gewann mit „Total Normal“ etliche Preise: Hape Kerkeling
Quelle: picture alliance/United Archives/kpa
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Jede Ära hat ihre Schlagwörter. Ein Begriff, der in den 1990er-Jahren vielfach die Runde machte, um den vorherrschenden Zeitgeist zu beschreiben, war „Spaßgesellschaft“. Feuilletonisten bemängelten damit eine Hinwendung zu hedonistischer, neon-bunter und bisweilen infantiler Kultur – während deren Protagonisten denselben Begriff im positiven Sinn verwendeten.

Zwar sang Markus schon 1983 „Ich geb Gas, ich will Spaß“, aber nun legten viele noch eine Schippe drauf. „Friede, Freude, Eierkuchen“ lautete dementsprechend das Motto der ersten Loveparade 1989, die in den 90ern dann alljährlich in Berlin stattfand. Und auch wenn es eher schlechtgelaunte Gegenströmungen wie den Grunge gab und viele ganz „normale“ Popmusik bevorzugten, konnte man der allerorts laufenden Wumm-Bumm-Musik kaum entgehen, prägten Techno-Beiträge wie „Piep, piep, kleiner Satellit“ den überdrehten Party-Ton der Stunde. Gute Laune war angesagt.

Denn der Kalte Krieg war just vorbei, Deutschland friedlich wiedervereint, und die US-Regierung glaubte an ein „russisches Wunder“, an Kooperation statt Konfrontation mit dem ehemaligen Gegner. Der US-Autor Francis Fukuyama spekulierte gar, ob nun das „Ende der Geschichte“ erreicht sei, ein weltweiter Siegeszug westlicher liberaler Demokratie.

Kriege, Krisen und Wirtschaftsprobleme gab es freilich trotzdem noch, und nicht zu knapp. Aber in der Wahrnehmung vieler war die Dekade mit einem breiten Lächeln versehen. Das schlug sich auch in der deutschen TV-Unterhaltung der 1990er nieder, in der ein wahrer Comedy-Boom einsetzte.

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Etliche junge Talente starteten durch, darunter Hape Kerkeling, der 1989 bis 1991 mit sieben Ausgaben der ARD-Show „Total Normal“ neue Maßstäbe setzte. Die Reihe konzipierte er mit Pianist Achim Hagemann als Sidekick und Co-Autor Angelo Colagrossi. Sie war ein Mix aus anarchischen Scherzen, bei denen unwissende Normalbürger involviert wurden, Parodien, Sketchen und ironischen Show- und Musikeinlagen vor Studiopublikum. An zwei Highlights kann sich noch heute fast jeder erinnern:

Als Bundespräsident Richard von Weizsäcker am 25. April 1991 die niederländische Königin Beatrix im Berliner Schloss Bellevue erwartete, ließ sich Kerkeling in einer großen Limousine und begleitet von Kameras dorthin chauffieren, verkleidet in einem blauen Kostüm mit Perlenkette, Hut und Perücke sowie mit holländischem Akzent fortwährend betonend: „Ich bin die Beatrix!“

Verkleidet als Königin Beatrix der Niederlande: Hape Kerkeling vor Schloss Bellevue
Verkleidet als Königin Beatrix der Niederlande: Hape Kerkeling vor Schloss Bellevue
Quelle: picture alliance/dpa/Hammer

Die Sicherheitskräfte ließen die falsche Königin zunächst passieren, womit Kerkeling ursprünglich gar nicht gerechnet hatte, wie er später sagte. Ihm sei durchaus mulmig gewesen, und er habe sich gefragt, welchen Straftatbestand die Aktion wohl erfülle. Nach ein paar Minuten auf dem Areal, in denen Kerkeling als Beatrix „lecker Mittagessen“ einforderte, flog der Schwindel auf, und der Komiker wurde vom Gelände befördert. Weizsäcker soll die Einlage mit Humor genommen haben, vom niederländischen Königshaus wurde keine Reaktion bekannt.

Ähnlich subversiv war eine Aktion, die Kerkeling in der letzten Ausgabe der Reihe am 4. Juli 1991 präsentierte. Im Frack und mit angeklebtem Bart trat er, begleitet von Hagemann, als angeblicher polnischer Opernsänger auf, der ein vermeintlich ernstgemeintes und höchst künstlerisch-intellektuelles Werk intonierte. Kerkeling sang mit Inbrunst und Kunstpausen: „Der Wolf,… das Lamm,… auf der grünen Wiese. Das Lamm… schreit: Hurz!“

Anstatt das lächerlich zu finden und ob der wiederholten „Hurz!“-Ausrufe als Quatsch abzutun, versuchten sich Teilnehmer aus dem nichtsahnenden Publikum in einer anschließenden Diskussion in geradezu rühriger Weise an ernsten Interpretationen und Nachfragen zu dem vermeintlichen Kleinod neuer E-Musik. Eine Variante von „Des Kaisers neue Kleider“, urkomisch und mit Fremdschäm-Faktor.

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Eine weitere Comedy-Kultshow startete 1990: „Schmidteinander“ mit Harald Schmidt und dem damaligen „MAD-Magazin“-Chefredakteur Herbert Feuerstein, der das Konzept der Sendung erarbeitet hatte. Es war an die Late-Night-Shows aus den USA angelegt, allerdings nur lose, nicht als schlichte Kopie. Der Ablauf war deutlich anarchischer und verspielter. Das Format ging zunächst nur im dritten Programm des WDR am späten Sonntagabend auf Sendung, wurde dann aber so populär, dass es 1994 in die ARD wanderte, wo es am späten Samstagabend lief. Ab Ende 1995 knüpfte Schmidt auf Sat.1 mit der werktäglichen „Harald Schmidt Show“ daran an, die sich sehr viel enger an die US-Late-Night-Vorbilder wie David Letterman anlehnte. Zuvor hatte Thomas Gottschalk 1992 bis 1995 mit „Gottschalk Late Night“ auf RTL das werktägliche Late-Night-Format nach US-Vorbild in Deutschland etabliert.

1993 ging bis 1998 noch ein Comedy-Format in Serie, das die Dekade prägte: „RTL Samstag Nacht“. Nach dem Vorbild der US-Show „Saturday Night Live“ und in der Tradition der legendären ARD-Sketch-Reihe „Klimbim“ aus den 1970er-Jahren konzipiert, erlangten diverse Einlagen des Ensembles Kultstatus. Darunter die Interview-Parodie „Zwei Stühle – eine Meinung“ mit Olli Dittrich und Wigald Boning, die als „Die Doofen“ auch „Lieder, die die Welt nicht braucht“ zum Besten gaben. Oder Mirco Nontschew als Märchen-Man und als Wetterfrosch, der vom „Wetter, Wetter, Wetter“ am Ende der „Samstag-Nacht-News“ erzählte, die von Esther Schweins und Stefan Jürgens moderiert wurden.

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Quelle: N24 Doku

Letztere Parodie auf die TV-Nachrichten stand in der Tradition von „Rudis Tagesshow“ aus den 80ern, die auch eine andere Comedy-Reihe der 90er inspirierte: „Die Wochenshow“. Sie lief von 1996 bis 2002 auf Sat.1 und wurde von Ingolf Lück moderiert. Der rief Anke Engelke nach ihren Einsätzen „Danke, Anke“ zu, was zu einem geflügelten Wort wurde. Bastian Pastewka spielte diverse denkwürdige Rollen, unter anderem den Sexberater Brisko Schneider.

Die Liste der 90er-Comedy-Klassiker ließe sich noch länger fortführen. Nicht fehlen darf die Reihe „Vivasion“ mit Stefan Raab, die 1993 bis 1998 auf dem Musiksender Viva lief und einige Elemente der Late-Night-Show „TV total“ vorwegnahm (z.B. Einspieler per Knopfdruck), mit der Raab ab 1999 auf ProSieben zu sehen war. Wie Harald Schmidt, der bald den Beinamen „Dirty Harry“ weghatte, setzte Raab häufig auf rustikale, ja gehässige Pointen. Wenn die zu sehr auf Kosten anderer gingen, konnte das schon mal juristische Folgen haben. Neben Schmidt sollte Raab die Late-Night-Szene nach der Jahrtausendwende prägen. Schmidt beendete schließlich 2014 die letzte Inkarnation seiner Show; im Folgejahr nahm Raab bei „TV total“ seinen Abschied.

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