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Geschichte TV-Monopol

Wie die ARD private Sender blockierte

Um die Zeitungsverleger in den 1960er-Jahren am Einstieg ins Fernsehgeschäft zu hindern, improvisierte der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine Zwischennutzung von TV-Technik. Die war eigentlich für das ZDF gedacht.
Leitender Redakteur Geschichte
Familie vor dem Fernseher, 1960 Fernsehen Fernsehempfaenger. - Familie vor dem Fernsehgeraet. - Foto, Bundesrepublik Deutschland, 1960. Familie vor dem Fernseher, 1960 Fernsehen Fernsehempfaenger. - Familie vor dem Fernsehgeraet. - Foto, Bundesrepublik Deutschland, 1960.
Als Fernsehen ein Ereignis war: Familie vor dem "Hausaltar" (um 1960)
Quelle: picture-alliance / akg-images
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Vollendete Tatsachen schaffen – das war wohl das eigentliche Ziel, das die Intendanten der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland, kurz ARD, umtrieb. Für den 6. Juni 1961 war die Unterzeichnung des Staatsvertrages über das Zweite Deutsche Fernsehen vorgesehen, das als gemeinsame Anstalt der Länder an die Stelle des von der Bundesregierung favorisierten, aber vom Bundesverfassungsgericht am 28. Februar untersagten „Adenauer-Fernsehens“ treten sollte.

Vor Mitte 1962, das war klar, würde das ZDF den eigenen Betrieb nicht aufnehmen können – tatsächlich wurde es dann sogar erst der 1. April 1963. Doch die Technik für den Betrieb stand bereits im Frühjahr 1961 zur Verfügung, Sendeanlagen für ein bisher nicht genutztes Frequenzband. Die Ministerpräsidenten der Bundesländer hatten den ARD-Intendanten Mitte März 1961 nahegelegt, diese Technik übergangsweise zu nutzen. Damit wollten sie Begehrlichkeiten von anderen Seiten ausschalten – außer der Bundesregierung hatten sich auch viele Verleger deutscher Zeitungen für den Betrieb eines zweiten Programms interessiert. In West-Berlin gab es sogar schon seit einem Jahr eine „Fernsehgesellschaft der Berliner Tageszeitungen mbH“, zu der sich alle sieben Verleger mit dem gleichen Anteil am Stammkapital zusammengeschlossen hatten.

Ein Kameramann filmt vor der Urteilsverkündung das Amtsschild des Bundesverfassungsgerichts. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe hat am 28.02.1961 das Urteil im Fernsehstreit zwischen dem Bund und den klagenden Ländern Hessen, Niedersachsen, Hamburg und Bremen verkündet. Die "Deutschland-Fernsehen-GmbH" wurde als verfassungswidrig erklärt.
Bei der Arbeit: Kameramann am 28. Februar 1961 vor dem Bundesverfassungsgericht
Quelle: picture alliance / Heinz-Jürgen

Der Hauptkritikpunkt der Verleger, vom sozialdemokratischen Arno Scholz („Der Telegraf“) über Franz Karl Maier vom liberalen „Tagesspiegel“ bis hin zu Axel Springer (Ullstein Verlag), war eindeutig: Die ARD-Sender hatten seit Ende 1956 nach und nach eigene Werbefenster in ihr Programm aufgenommen – und machten damit den werbefinanzierten privaten Medien Konkurrenz.

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Springer, der im bewegten Bild einen wesentlichen Zukunftsmarkt erkannte, brachte es auf den Punkt: „Im Zeitalter der schnellsten Nachrichtenübermittlung auf dem Bildschirm leben wir Zeitungsverleger im Zeitalter der Postkutsche. Unsere Wettbewerber, die vom Staat ins Leben gerufenen öffentlich rechtlichen Anstalten, sind dagegen echte Kinder des Jet- und Düsenflugzeugzeitalters.“

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Er fragte: „Ist es fair, sinnvoll und klug, die technische Weiterentwicklung der Zeitung dadurch zu behindern, dass der Staat ganz einseitig öffentlich rechtlichen Anstalten das Recht des Sendens gibt?“ Zumal die ARD, „trotz aller Privilegien, trotz aller Sonderstellung, trotz aller Befreiung von Körperschaftssteuer und Umsatzsteuer, trotz Gebührenzwangs auch noch in schöner Unbekümmertheit sich auf den freien Markt begab und sich Anzeigenteile zulegte“.

Das Logo von 1963 des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF).
Das erste Logo des ZDF
Quelle: picture-alliance / dpa

Die ARD-Intendanten und die Ministerpräsidenten fürchteten wohl, dass diese Sichtweise sich durchsetzen könnte, wenn technisch fertiggestellte Sendeeinrichtung weiterhin ungenutzt blieben, weil das Zweite Deutsche Fernsehen erst noch aufgebaut werden musste. Also beschloss man die vorübergehende Nutzung – eben: vollendete Tatsachen schaffen.

Den Länderchefs hatte bei ihrem Vorschlag an die ARD eher der Aufbau von Regionalsendern vorgeschwebt (wie sie dann erst von 1964 bis 1969 als nun dritte Programme auf Sendung gingen). Das nicht ausgesprochene, aber politisch unverkennbare Ziel war, eine von den Länderregierungen beeinflussbare Konkurrenz zu den privaten und daher unabhängigen Regionalzeitungen aufzubauen.

Der Hessische Rundfunk hatte daraufhin schon vorab, am 1. Mai 1961, über die Antennenmasten in seinem Sendegebiet die Ausstrahlung eines eigenen Programms begonnen. Doch dafür waren sowohl zu wenig „Fernsehteilnehmer“, also: Gebührenzahler, erreichbar als auch die zu hohe Aufwendungen für die Inhalte notwendig.

ARCHIV - HANDOUT - Das Logo der Nachrichtensendung «Tagesschau», wie es ab 1952 verwendet wurde (undatierte Aufnahme). Ihre Premiere erlebte die «Tagesschau» vor 60 Jahren - am 26. Dezember 1952. Zunächst gab es nur drei Sendungen pro Woche: montags, mittwochs und freitags. Die ARD-«Tagesschau» erneuert ihre Erkennungsfanfare, teilte ARD-aktuell-Chefredakteur Kai Gniffke am Dienstag (11.09.2012) der Nachrichtenagentur dpa mit. Foto: NDR (zu dpa 0373 vom 11.09.2012 - ACHTUNG: Verwendung nur für redaktionelle Zwecke im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Tagesschau und bei Nennung der Quelle «NDR») +++ dpa-Bildfunk +++
Sendemasten und Weltkarte - so meldete sich die "Tagesschau"
Quelle: picture alliance / dpa

So begann die ARD am 1. Juni 1961, über die für das künftige ZDF vorgesehene Technik ein zweites Programm auszustrahlen. Das bis dahin einzige Fernsehen in der Bundesrepublik lief von 17 Uhr bis Mitternacht, das neue Angebot startete sogar erst um 20 Uhr mit der „Tagesschau“. Es schlossen sich Wiederholungen von Spielfilmen und Magazinen, hinzu kamen ein Kulturmagazin und wenigstens im ersten halben Jahr „experimentelle Programme“.

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Der Großteil des ausgestrahlten Inhalts aber war – wie schon immer im deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehen – eher seichte Unterhaltung: Donnerstags etwa lief erst „Unterhaltung“ nach der „Tagesschau“, dann ein „Kriminalfilm“, freitags folgten auf „Unterhaltung“ laut Programmschema „Spiele“, also Quizshows und Ähnliches.

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Eine echte Innovation brachte allerdings auch dieses Programm mit sich: die „Sportschau“. Sie feierte am Sonntag, dem 4. Juni 1961 Premiere. Allerdings gab es zu dieser Zeit noch keine Fußball-Bundesliga, also widmete sich die neue Sendung um 21.30 Uhr zunächst „Berichten und Ergebnissen vom Wochenende“. WELT berichtete seinerzeit, die „Sportschau“ leide „freilich darunter, dass sie lange nach den entsprechenden Rundfunksendungen ausgestrahlt wird. Für manchen ist manches dann nicht mehr aktuell.“

Start der Sportschau am 4.6.1961
Anfangs waren die Berichte kaum aktuell: Die erste "Sportschau" mit Ernst Huberty (M.)
Quelle: WDR

Konkurrenz machte dem gebührenfinanzierten Fernsehen also ausschließlich der gebührenfinanzierte Hörfunk – für die ARD-Intendanten dürfte das eine ziemlich beglückende Situation gewesen sein. Zumal ihre öffentlich-rechtlichen Anstalten in der Aufbauphase des ZDF für dieses weitgehend aus Wiederholungen bestehende Programm die Hälfte der Gebühren bekamen, die „Fernsehteilnehmer“ eigentlich für das künftige zweite Programm zahlten.

Immerhin: Auf dieses Geld musste die ARD nach dem Sendestart des ZDF wieder verzichten. Nicht aufgeben wollten die Intendanten dagegen die Werbeeinnahmen. An ihnen halten die öffentlich-rechtlichen Sender bis heute fest, trotz aller Gebühren.

Dieser Artikel wurde erstmals im Juni 2021 veröffentlicht.

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