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Geschichte Siebenjähriger Krieg

900 tote Briten setzten in Europa eine verhängnisvolle Mechanik in Gang

Mit Preußens Einfall in Sachsen 1756 begann der Siebenjährige Krieg, heißt es. Tatsächlich setzte die Invasion erst den Schlusspunkt hinter eine Reihe von Konflikten zwischen Frankreich und England in Amerika und Indien.
Freier Autor Geschichte
Die Herrscher von Brandenburg-Preußen

Am Ende des Dreißigjährigen Krieges war Brandenburg ruiniert. Doch in wenigen Generationen machten seine Kurfürsten und Könige daraus die zweite Großmacht im Heiligen Römischen Reich.

Quelle: WELT

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Die Frage, wie lang der Siebenjährige Krieg dauerte, ist gar nicht so leicht zu beantworten. Aus preußisch-deutscher Perspektive war der Fall klar: Am 29. August 1756 überschritt Friedrich der Große mit seiner Armee die sächsische Grenze und entfesselte damit einen Krieg, den erst der Frieden von Hubertusburg am 15. Februar 1763 beendete. Doch dabei wird ausgeblendet, dass dieser Konflikt ein regelrechter Weltkrieg war, der auch in Asien, Amerika und Afrika geführt wurde und zwischen 850.000 und 1,2 Millionen Menschen das Leben kostete.

Denn der Siebenjährige Krieg war eingebettet in ein globales Ringen, das sich England und Frankreich auf (fast) allen Kontinenten lieferten. Sowohl in Indien als auch in Nordamerika herrschte seit Beginn der 1750er-Jahre ein unerklärter Kleinkrieg zwischen beiden Mächten. Zuvor hatte ihre Rivalität bereits den Österreichischen Erbfolgekrieg (1740–1748) geprägt, dessen Ende im Frieden von Aachen im Grunde nur ein Waffenstillstand gewesen war. Auch waren die britischen Auseinandersetzungen mit regionalen Machthabern in Amerika und Indien 1763 keineswegs abgeschlossen, sondern schleppten sich bis 1765 weiter. Es wurde sogar vorgeschlagen, den Zeitraum von der englischen Glorious Revolution 1689 bis zum Untergang Napoleons 1815 zum „Zweiten Hundertjährigen Krieg“ zu erklären.

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"Unsere Leute sahen nichts als Bäume": Am Monongahela-Fluss rieben Franzosen und Indianer Edward Braddocks Korps auf
Quelle: Wikipedia / Public Domain

So weit will Marian Füssel nicht gehen. In seinem neuen Buch „Der Preis des Ruhms“ lässt der Göttinger Historiker den ersten Schuss des Siebenjährigen Krieges bereits am 9. Juli 1755 fallen. Damals löschte eine französische Truppe zusammen mit verbündeten Indianern ein 2200 Mann umfassendes britische Expeditionskorps im Ohio-Tal aus, was den French and Indian War eröffnete.

Füssel breitet ein faszinierendes Panorama aus. In flüssiger Sprache wechselt er federleicht von den unbekannten Urwäldern Indiens zu den berühmten Schlachtfeldern, auf denen Friedrich der Große oder Ferdinand von Braunschweig ihre Siege oder Niederlagen einfuhren. Zugleich bietet er das ganze Themenspektrum moderner Geschichtswissenschaft, von der Wirtschafts- und Sozial- über die Mentalitäts- bis zur Alltagsgeschichte.

Vor allem aber: Jedes Gefecht, jede diplomatische Wendung, die aufregenden Schilderungen aus dem Lagerleben oder von den Heimatfronten werden elegant mit einem prallen Panorama zeitgenössischer Berichte verwoben, sodass ein Geschichtsbuch im besten Sinne des Wortes entsteht. Damit füllt sich eine Zeitkapsel, die die Epoche des Siebenjährigen Krieges in fulminanter Form lebendig werden lässt.

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Etwa den Krieg in Nordamerika. Hier trafen an der Grenze zwischen Kanada und den englischen Kolonien, an den Großen Seen und im Ohio-Tal französische und britische Interessen aufeinander. Beide Kontrahenten versuchten, mit dem Bau von Forts ihre Positionen abzusichern, was die benachbarten Indianerstämme zur Parteinahme zwang. Während die Franzosen darauf setzten, Gewinne aus dem Land zu ziehen, gingen die Briten zu seiner Besiedlung über. In einem Vertrag sicherte der Sprecher der Irokesenföderation, Häuptling Tanaghrisson, ihnen zunächst Schutz zu.

George Washington receives a message from chief Half-King whilst travelling from Alexandria to Wills Creek in 1754 at the start of the French and Indian war. George Washington, 1732 -1799. First President of the United States. From The History of Our Country, published 1900. (Photo by: Universal History Archive/Universal Images Group via Getty Images) Getty ImagesGetty Images
George Washington als Landvermesser machte 1754 mit einer Gruppe Franzosen kurzen Prozess
Quelle: Universal Images Group via Getty

Wie angespannt die Lage war, erfährt der Leser aus dem Tagebuch eines jungen Landvermessers mit Namen George Washington (der 1789 erster Präsident der USA wurde). Der überfiel mit Tanaghrisson und seinen Leuten im Mai 1754 einige Dutzend Franzosen unter Führung von Coulon de Villiers, Sieur de Jumonville, der überprüfen sollte, ob die Briten beim Bau eines Forts eine Grenzverletzung begangen hätten. Im Kampf machten seine Verbündeten kurzen Prozess, schreibt Washington: „Die Indianer skalpierten die Toten und nahmen den größten Teil der Waffen an sich.“

Der eidesstattliche Bericht eines Engländers kam der Sache wohl näher: „Der Halbkönig (Tanaghrisson) nahm seinen Tomahawk und spaltete dem französischen Captain den Kopf, nachdem er ihn zuvor gefragt hatte, ob er ein Engländer sei, und dieser ihm antwortete, er sei Franzose. Er nahm dann sein Gehirn aus dem Schädel, wusch seine Hände damit und skalpierte ihn.“

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"Unsere Leute sahen nichts als Bäume": Am Monongahela-Fluss rieben Franzosen und Indianer Edward Braddocks Korps auf
Quelle: Wikipedia / Public Domain

Ein Jahr später, im Juli 1755, waren es der britische General Edward Braddock und seine Männer, die gegen die ungewohnte Kampfesweise der Indianer den Kürzeren zogen, nachdem er sich mit einem riesigen Tross durch unwegsames Gelände bis an den Monongahela, einen Quellfluss des Ohio, gekämpft hatte. Obwohl zahlenmäßig in der Übermacht – 2200 Engländer gegen rund 250 Franzosen und 640 Verbündete – , geriet er in einen Hinterhalt.

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Was folgte, schilderte der Pfarrer Heinrich Mühlenberg, Begründer der lutherischen Kirche in Nordamerika (sein Sohn Frederick wurde der erste Sprecher des US-Repräsentantenhauses), in einem Brief: „Unsere Leute sahen nichts als Bäume ... Zwey oder 3. Officirer welche in America geboren und der Wilden Fecht-Art verstundten baten den Herrn General Braddock inständig, er möchte ihnen erlauben ... mit den Wilden nach ihrer Art fechten dürften. Er wollte es aber nicht erlauben ... machte mit Bataillon Quarré, feuerten mit Canonen und Musqueten, dass die Bäume zitterten, worüber die Feinde nicht erschracken, sondern desto beßere Gelegenheit bekamen, in den ganzen Haufen zu treffen.“ Die Briten verloren fast 900 Mann an Toten und Verwundeten.

The Delawares on the warpath during the French and Indian War, 1754–1763. From The History of Our Country, published 1900. (Photo by: Universal History Archive/Universal Images Group via Getty Images) Getty ImagesGetty Images
Die Kampfweise der Indianer und das Skalpieren ihrer Feinde schockierte Briten und Franzosen
Quelle: Universal Images Group via Getty

Die Rückschläge der englischen Truppen setzten in Europa eine verhängnisvolle Mechanik in Gang. Dort galt es seit dem Spanischen Erbfolgekrieg (1701–1714) als ausgemacht, dass England und Österreich gegen den Hegemonialanspruch Frankreichs zusammenstanden. Seit den ersten beiden Schlesischen Kriegen (1740–1742 und 1744/1745), in denen Friedrich der Große der Kaiserin Maria Theresia Schlesien entrissen hatte, war der Preußenkönig zum Partner Ludwigs XV. geworden, während Russland abwartete.

Nun aber erkannte man in London, dass Österreich kaum für englische Interessen in Übersee als Partner in einem europäischen Konflikt zur Verfügung stehen würde. Hinzu kam die Sorge um Hannover, das seit 1714 mit England in Personalunion verbunden war. Um Preußen in Schach zu halten, bot die britische Diplomatie der russischen Zarin Elisabeth ein Bündnis an.

Friedrich der Große sah sich eingekreist und wurde seinerseits in London wegen eines Defensivabkommens vorstellig. Diese Konvention von Westminster, am 16. Januar 1756 geschlossen, brachte Frankreich endgültig auf die Seite Österreichs, dessen Staatskanzler Wenzel Anton von Kaunitz-Rietberg seit Längerem an einer Revolution des überkommenen Bündnissystems gearbeitet hatte. Beide Mächte schlossen am 1. Mai 1757 den Vertrag von Versailles. Zuvor hatte bereits eine französische Flotte das britisch besetzte Menorca eingenommen. Am 18. Mai erklärte England Frankreich den Krieg.

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Da für England die russische Option nicht mehr von Interesse war, wurde die noch nicht ratifizierte Konvention von Sankt Petersburg widerrufen. Die enttäuschte Zarin, ohnehin kein Freund Friedrichs, trat daher der Koalition gegen England und Preußen bei. Auch das Heilige Römische Reich stellte sich mehrheitlich gegen beide.

Noch bevor Friedrich seine Armee zum Präventivschlag nach Sachsen führte, eskalierte im Sommer 1756 auch in Indien die Situation. Regionale Rivalitäten hatten die französische Compagnie des Indes Orientales und die British East India Company bewogen, ihre Truppen zu mobilisieren. Hinzu kam, dass der Herrscher von Bengalen im Juni die wichtige britische Niederlassung Kalkutta eroberte. Zahlreiche Gefangene fielen den Strapazen zum Opfer. Umgehend wurde eine britische Expeditionsarmee in Marsch gesetzt. Die Nachricht, dass Großbritannien Frankreich den Krieg erklärt hatte, machte die Konflikte in Amerika, Europa und Indien endgültig zu Teilen eines Weltkrieges.

Marian Füssel: „Der Preis des Ruhms. Eine Weltgeschichte des Siebenjährigen Krieges“. (C. H. Beck, München. 656 S. 32 Euro)

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Dieser Artikel wurde erstmals im Februar 2020 veröffentlicht.

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