Schon seit einiger Zeit müssen sich günstigere Smartphones nicht mehr hinter den Flaggschiff-Modellen der großen Hersteller verstecken. Denn viele Funktionen der Top-Geräte gibt es bereits in Smartphones, die nur halb so viel kosten wie die Pro-Modelle von Apple und Samsung.
Mit dem Nothing Phone (1) und dem Google Pixel 6a haben Nutzer nun die Auswahl zwischen zwei neuen Smartphones, die viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. WELT hat im Test beide Geräte gegeneinander antreten lassen.
Design
Google hat mit seinen Pixel-Smartphones längst eine eigene Design-Sprache gefunden, die sich durch die horizontale Kameraleiste auf der Rückseite auszeichnet. Überhaupt ist das der Ort, wo sich die Geräte-Designer noch austoben können, denn die Vorderseite der meisten Smartphones ist heute komplett mit einem Display überzogen.
Auch wenn Google seinem Pixel 6a einen Aluminiumrahmen spendiert hat, die Rückseite ist aus Plastik. „Man will aber kein Plastik anfassen“, sagt Carl Pei, der Chef von Nothing, der zuvor Oneplus mitgegründet hatte. Das Nothing Phone (1) hat deswegen vorn und hinten kratzfestes Gorilla Glass 5. Das muss man wissen, denn wirklich fühlen kann man den Unterschied zwischen den beiden Modell-Rückseiten nicht.
Trotzdem hat sich Nothing etwas Besonderes einfallen lassen, das so kein anderes Smartphone hat: Die Rückseite ist transparent. Das sieht nicht nur interessant aus, es erfüllt auch einen Zweck. Denn dort sind 900 Micro-LEDs untergebracht, die einzeln oder in Gruppen individuelle Leuchtmuster signalisieren können und mit Klingeltönen synchronisieren. Nothing nennt das ein Glyph-Interface, das bei Anrufen und Benachrichtigungen aufleuchtet.
So können unterschiedlichen Kontakten Leuchtmuster zugeordnet werden. Der Nutzer erkennt dann auch bei einem stummgeschalteten Gerät, wer gerade anruft. Vorausgesetzt, das Smartphone liegt mit dem Display nach unten auf dem Tisch. Die LEDs können aber auch den Ladestatus anzeigen und bei einer Videoaufnahme zugeschaltet werden, um Licht zu spenden.
Man darf gespannt sein, was sich Nothing dafür noch so alles einfallen lässt. Auch wenn der Rest des Phone (1) mit seinem kantigen Aluminium-Rahmen aussieht wie ein iPhone, wird aufgrund der Rückseite niemand das Smartphone jemals mit einem anderen Modell verwechseln.
Kamera
Selbst bei den Mittelklasse-Geräten übertrumpfen sich die Hersteller oftmals mit der Zahl der Kameralinsen auf der Rückseite. Nothing und Google machen da nicht mit, beide haben sich für eine Dual-Kamera aus Weitwinkel und Ultraweitwinkel entschieden. Google hat bei seinen Pixel-Phones in der Vergangenheit über die Software und die Algorithmen so viel geleistet, dass die Kameras dieser Smartphones mit zu den besten auf dem Markt gehören.
Im Vergleich liefern beide Modelle gute Ergebnisse ab. Die Qualität der Fotos ist bei ausreichend Licht vergleichbar, bei wenig Licht zeigt das Pixel 6a mehr Details in den Aufnahmen. Zwar können beide Geräte auch zoomen, aber das erledigt eben nicht die Optik, entsprechend fällt die Qualität deutlich ab, je mehr in das Bild gezoomt wird. Vor allem hier macht sich der Unterschied zu den Top-Geräten der Konkurrenten bemerkbar, die dafür eine eigene Kamera eingebaut haben.
Unterschiede gibt es beim Filmen. Zwar können beide Modelle Aufnahmen in der hohen 4K-Auflösung machen, das Nothing Phone (1) aber leider nur mit 30 Bildern in der Sekunde. Das Pixel 6a schafft doppelt so viele, die Videos wirken dann flüssiger. Der Grund dafür d��rfte der leistungsfähigere Tensor-Chip von Google sein, der im Pixel 6a steckt. Im Nothing Phone (1) arbeitet ein angepasster Snapdragon 778G+, der eher ins Mittelklasse-Segment gehört.
Allerdings kann das Pixel mit der Ultraweitwinkel-Kamera nur in der schwächeren Full-HD-Auflösung filmen, das Phone (1) schafft auch mit dem Ultraweitwinkel noch 4K. Umgekehrt liefert das Pixel 6a von Google bei seinen 4K-Aufnahmen mit der HDR-Funktion mehr Kontraste. Nothing kann das nur bei Aufnahmen bis zu Full HD. Bei der Selfie-Kamera hat das Phone (1) mit 16 Megapixel eine doppelt so hohe Auflösung wie das Pixel 6a.
Display
Auf den ersten Blick gleichen sich die Displays sehr: Mit mehr als 400 Bildpunkten pro Zoll sind sie scharf und farbkräftig. Beide haben einen Fingerabdruck-Sensor unter dem Display. Das Nothing Phone (1) hat ein OLED-Display mit 6,55 Zoll (16,6 Zentimeter) Durchmesser, der Rahmen ist symmetrisch und schmaler als beim Pixel 6a, das ein 6,1 Zoll (15,5 Zentimeter) großes OLED-Display hat.
Auffallend ist der Unterschied beim Scrollen durch Webseiten. Hier ist die Darstellung auf dem Phone (1) flüssiger, was an der Bildwiederholfrequenz von 120 Bilder pro Sekunde (Hertz) liegt. Das Pixel 6a kommt nur auf 60 Hertz.
Software
Zum Glück verzichten beide Hersteller auf Bloatware, also auf unnötige und vorinstallierte Apps, mit denen andere Hersteller ihre Geräte überladen, weil sie von den Entwicklern dafür bezahlt werden. Das Pixel 6a läuft natürlich mit dem unveränderten Android 12, aber auch das Nothing Phone (1) hat sich dabei zurückgehalten, das Android 12 zu verändert.
Kleine Anpassungen gibt es nur bei den Schnelleinstellungen und der Konfiguration für das Glyph-Interface. Nothing verspricht Android-Updates für weitere drei Jahre und Sicherheitsupdates für vier Jahre. Google liefert bei seinen Pixel-Smartphones üblicherweise mindestens drei Jahre Android-Updates und mindestens fünf Jahre Sicherheitsupdates.
Das Pixel hat jedoch einige Software-Funktionen, auf die Nutzer des Nothing-Phones neidisch sein dürften. So kann die Rekorder-App ihre Aufnahmen in Echtzeit transkribieren. Das funktioniert auch auf Deutsch und erkennt sogar die Interpunktion. Im Test hat das sehr beeindruckend funktioniert.
Außerdem beherrscht das Pixal 6a die Live-Übersetzung – und zwar App übergreifend. Das funktioniert unter anderem in WhatsApp, Signal, Twitter, Instagram und Snapchat. Sogar fremdsprachige Videos oder Audios werden mit Untertiteln übersetzt. In der Google Foto App haben Nutzer des Pixel 6a zudem die Möglichkeit, beispielsweise störende Personen im Hintergrund mit einem „magischen Radierer“ zuverlässig zu entfernen.
Akku
Beide Smartphones haben genug Strom für den ganzen Tag, das Pixel 6a kommt mit einem Akku von 4400 Miliamperestunden (mAh), das Nothing Phone (1) hat mit 4500 mAh unwesentlich mehr. Während das Pixel 6a mit 18 Watt über ein Kabel geladen werden kann, sind es beim Nothing Phone (1) 33 Watt. Damit kann der Akku innerhalb von einer Stunde komplett gefüllt werden.
Beim Pixel-Konkurrenten ist sogar drahtloses Laden mit 15 Watt möglich, dafür wurde der Snapdragon-Chip extra angepasst. Und wer etwa Ohrhörer hat, die sich drahtlos laden lassen, kann dies ebenfalls mit dem Nothing Phone (1) als Stromspender machen, weil das Modell auch umgekehrtes Laden beherrscht, dann aber nur noch mit fünf Watt.
Fazit
Beide Smartphone-Modelle sind leistungsstark, doch jedes von ihnen hat Stärken und Schwächen. Nutzer müssen entscheiden, wie wichtig ihnen etwa drahtloses Laden ist, das nur mit dem Nothing Phone (1) geht. Auch das Glyph-Interface ist ein echter Hingucker. Nothing ist als Neueinsteiger hier der Herausforderer, während Google mit dem Pixel 6a ein solides Gerät präsentiert, das zudem noch deutlich besser gegen Wasser und Staub geschützt ist.
Und es kann über seine Software einige beeindruckende Tricks, die voraussichtlich nie auf das Nothing Phone (1) kommen werden. Das Pixel 6a gibt es nur in einer Konfiguration mit einem Arbeitsspeicher von sechs Gigabyte und einem internen Speicher von 128 Gigabyte. Es kostet 459 Euro. Das Phone (1) von Nothing gibt es mit acht oder zwölf Gigabyte Arbeitsspeicher und 128 und 256 Gigabyte internem Speicher zwischen 469 und 549 Euro.
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