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Meinung USA

Das Märchen von der „privaten Wirtschaft“

Freier Autor
WELT-Autor Alan Posener WELT-Autor Alan Posener
WELT-Autor Alan Posener
Quelle: Claudius Pflug
In einer Rede schwärmt der CEO der Deutschen Börse von einer „private economy“ nach amerikanischem Vorbild. Dabei ist die Vorstellung einer freien, von der Politik vollkommen unabhängigen Wirtschaft eine Illusion – selbst in einem Land wie den USA.

Der Wirtschaftsbeirat Bayern ist eine Interessenvertretung bayerischer Unternehmen. Deren Präsidentin ist eine Europa-Abgeordnete der CSU. Sicher war es reiner Zufall, dass der Beirat wenige Tage vor der Wahl zum Europäischen Parlament eine Brandrede veröffentlichte, die der CEO der Deutschen Börse schon im April bei einer Beiratstagung gehalten hatte.

Das muss aber nicht heißen, dass die Kritik von Börsenchef Theodor Weimer an der Regierung falsch wäre. Auch dass Weimer lange Jahre Vorstandssprecher der skandalgeplagten Bank UniCredit Deutschland war, heißt nicht, dass er nichts von Wirtschaft und Politik verstehen würde. Im Gegenteil.

Deshalb verwundert folgende Passage seiner Rede. Amerikanische Unternehmer hätten ihm gesagt: „Hört auf, eine public economy zu sein, die vor der Schlange sitzt und wartet, bis die Schlange zubeißt. Werdet wie wir eine private economy … Ist doch egal, welcher alter Mann bei uns Präsident wird, wir als Unternehmer führen das Land.“

Puh. Links- und Rechtsradikale glauben zwar, dass „die Kapitalisten“, „Bilderberger“, „Davos-Clique“, Rothschild oder Soros die USA „führen“. Aber der CEO der Deutschen Börse? Vielleicht wollten ihm seine amerikanischen Freunde nur sagen: Wir Firmenchefs brauchen Donald Trump oder Joe Biden nicht, um blühende Wirtschaftslandschaften zu schaffen.

Bidens Subventionspaket wirkt

Doch auch das ist falsch. Trump hat mit massiven Zöllen die amerikanische Wirtschaft geschützt, auch vor europäischer Konkurrenz; Biden hat Trumps Politik fortgeführt und verschärft, etwa mit einem Strafzoll von 100 Prozent auf chinesische Elektroautos. Bidens „Inflation Reduction Act“ (IRA), der in Wirklichkeit die Inflation durch Staatsausgaben befeuert, ist vielleicht das größte Keynesianische Investitionsprogramm aller Zeiten.

Und es wirkt. So sagt die American Clean Power Association, eine Vereinigung von Unternehmen der Solar-, Wind- und Wasserstoffbranche, dass seit Verabschiedung des IRA 83 neue Betriebe entstanden seien; andere Betriebe würden die Produktion hochfahren. Bisher sind dort 270 Milliarden an Subventionen abgerufen worden. Weitere 53 Milliarden sind an die Hersteller von Elektroautos und Batterien gegangen. Da es keine Obergrenze – und keine Schuldenbremse – gibt, könnten die Ausgaben in die Billionen gehen.

Nun kann es sein, dass die Unternehmer, mit denen Weimer sprach, davon nichts mitbekommen haben. Dreiviertel der US-Bürger nämlich wissen gar nicht, was im IRA steht. Übrigens muss man das Programm nicht gut finden. Zwar ist es schön, dass die USA bis 2035 ihre Treibhausgasemissionen gegenüber 2005 um 48 Prozent reduzieren und bis 2050 emissionsfrei sein wollen. Aber Schutzzölle plus Subventionen bedeuten in der Regel nachlassende Innovationskraft und fallende Produktivität.

Wie dem auch sei: Zu behaupten, die USA hätten eine „private economy“, bei der es den Unternehmen gleich sei, wer unter ihnen Präsident ist, wie es Weimer suggeriert, ist schlicht und einfach Unsinn. Oder wie man in den USA sagt: Bullshit.

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