Letzte Woche war ich im polnischen Poznan, von wo – da hießen Stadt und Provinz offiziell Posen – vor 180 Jahren mein deutschsprechender jüdischer Urgroßvater nach Westen aufbrach, um sein Glück zu machen. Beim Rundgang durch die Stadt fallen einem viele deutsche Markennamen und Ketten auf, von teuren Küchengeräten bis Billigtextilien, noch mehr aber ein anderer deutscher Export: die zahllosen Dönerbuden.
In den vergangenen Jahrzehnten sind viele türkischstämmige Menschen aus Deutschland nach Osten aufgebrochen, um ihr Glück zu machen. Sie sind, auch dank der EU, so erfolgreich, dass der wichtigste Lieferbetrieb für deutsche Dönerbuden im polnischen Szczecin – früher Stettin – zu finden ist.
So geht kulturelle Aneignung, das kulturelle Im- und Exportgeschäft, seit Jahrtausenden – und nicht erst, seit eine semitische Prinzessin aus dem heutigen Libanon auf dem Rücken eines notgeilen Stiers nach Kreta kam und Europa gründete. Die Griechen waren stolz auf ihre – meist erfundenen – asiatischen Wurzeln, importierten Architektur und Göttinnen, astronomische und mathematische Kenntnisse aus Ägypten und Mesopotamien. Jahrhunderte später kehrten die von den Griechen weiterentwickelten Kenntnisse über die Araber und den Hof des deutschen Staufer-Kaisers Friedrich II. nach Europa zurück.
Wenn also Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Berliner Dönerbudenbesitzer Arif Keles bei seinem Staatsbesuch in die Türkei mitnahm, um mit ihm gemeinsam beim Bankett einen Döner zuzubereiten und zu servieren, so hat das schon seine Richtigkeit.
Entgegen allen Träumereien der „Identitären“ (deren Sprecher übrigens sein Geld mit dem Vertrieb eines amerikanischen Massenprodukts, des T-Shirts, verdient) und ihrer islamistischen Spiegelbilder gibt es keine klar konturierten kulturellen Identitäten – war die Welt doch immer schon ein Mischmasch einander bekämpfender und befruchtender kultureller Produkte.
Dass Steinmeier in Istanbul von Pro-Hamas-Demonstranten empfangen wurde, bezeugt ja den Erfolg eines anderen deutschen Exports, des Antisemitismus damaliger Identitärer, der in den 1920er-Jahren eine Verbindung mit dem Islamismus einging und nun reimportiert wird; und eines westlichen Exports, der Meinungsfreiheit.
Darauf also einen „Alman-Döner“, wie die nicht nur an der Warthe, sondern auch am Bosporus populäre deutsche Weiterentwicklung des Lammfleischgerichts in der Türkei genannt wird. Dazu eine Coke. Wohl bekomm’s.