Wenn Sie das lesen, bin ich hoffentlich in Apulien, auf den Spuren des vielleicht größten Kaisers, den das Heilige Römische Reich hervorbrachte, des Staufers Friedrich II. Er war zugleich König von Sizilien und Jerusalem, wohl der letzte deutsche Kaiser, der das universalistische Erbe Roms wirksam verkörperte, das heute in der Europäischen Union fortlebt.
Linke können mit Kaisern wenig anfangen; aber es gab eine Zeit, da die Rechte Friedrich verehrte, besonders der Kreis um den Dichter Stefan George, das „heimliche Deutschland“. George habe „inmitten einer morschen und rohen Zivilisation“ eine menschlich-künstlerische Würde verkörpert und verkündet, „in der Zucht und Leidenschaft, Anmut und Majestät sich vereinen“. Das schrieb kein Rechter, sondern der Linke Klaus Mann.
Damals waren „rechts“ und „weltoffen“ kein Gegensatz. Über Palermo, wo Friedrich der Staufer aufwuchs, schrieb der Georgianer Ernst Kantorowicz: „Auf den Märkten ging in buntem Durcheinander das Volk den Geschäften nach: Normannen und Italiener, Sarazenen, Deutsche, Juden und Griechen.“ Der junge König habe allein diese Märkte durchstreift, alles in sich aufgenommen. „Ob da wohl irgendein weiser Imam die Stelle eines Chiron bei dem Knaben übernahm?“
Kantorowicz lobt das Neben-, Mit- und Durcheinander der Kulturen in Palermo, das darum „Nabel der neuen, hier zu gebärenden Welt“ gewesen sei. Klingt ein bisschen wie Berlin heute. Aber der heutige Rechte ist von den blassen Gedanken der Identitären angekränkelt, träumt von der Trennung der Kulturen und Rassen, von massenhafter Remigration und schöner Isolation. Germanien wieder germanisch, wie zu Zeiten des Cherusker-Rebellen Hermann. Mit Rom und dem Reich kann er nichts anfangen.
Friedrich gelang es, durch Verhandlungen mit dem Emir das von den Muslimen besetzte Jerusalem zurückzugewinnen. Ihm kamen seine Kenntnisse islamischer und arabischer Bräuche und sein Respekt vor der Kultur seiner Gegner sehr zugute. Als er in Jerusalem übernachtete, ließen die Muslime den Muezzin schweigen, um die religiösen Gefühle des Kaisers nicht zu verletzten.
Friedrich aber meinte: „Ihr tut Unrecht, meinetwegen euren Kultus, eure Gebräuche, eure Religion zu ändern. Das brauchtet ihr nicht, selbst wenn ihr in meinem Lande wäret.“ So berichtet es Kantorowicz. Wichtig ist weniger, ob Friedrich sich wortwörtlich so geäußert hat; wichtig ist, dass deutsche Konservative einst diese Haltung lobten. Ein Alexander Gauland hingegen würde vermutlich den Kaiser „in Anatolien entsorgen“ wollen, und seinen jüdischen Biografen gleich mit.
Sizilien und Apulien sind, wie Andalusien, Zeugnis dafür, dass kulturelle Appropriation, wirtschaftlicher und intellektueller Austausch das Wesen Europas ausmachen; darum sind wir heute nicht das imaginierte Deutschland der weltfremden Identitären, sondern wie Palermo vor 800 Jahren, „Nabel der neuen Welt“.