Mädchen sind besser als Jungen bei Sprachen, Jungen sind besser in Mathe. Pisa und andere Tests belegen den Befund. Vergleichstests können aber nicht erklären, warum das so ist, erstens; und zweitens, warum der Unterschied in verschiedenen Ländern verschieden stark ausgeprägt ist. So ist der sprachliche Vorsprung der Mädchen in England, der Mathe-Vorsprung der Jungen in Deutschland besonders auffällig.
Eine neue internationale Studie hat gezeigt, dass die Leistungsunterschiede stark mit dem Vorurteil der Lehrperson zusammenhängen. Das wird keine ehrliche Lehrkraft überraschen. Man bildet sich früh ein Urteil über die Kinder, und das Urteil wird bestätigt; das wiederum hat mit der Funktionsweise unseres Gehirns zu tun. Wir suchen nach Bestätigung und neigen dazu, Falsifizierungen nicht wahrzunehmen.
Was tun? Das Phänomen des Lehrervorurteils als selbst erfüllende Prophezeiung ist seit Langem bekannt, nicht nur bei Sprachen und Mathe. Viele Erwachsene erinnern sich an den Lehrer, dem sie nichts recht machen konnten, an die rettende Lehrerin, die bereit war, dem angeblich hoffnungslosen Fall eine zweite Chance zu geben. Referendare trainieren durchaus, ihrem Vor-Urteil zu misstrauen. Selbstkontrolle allein reicht aber nicht.
Nötig ist die interpersonelle Überprüfung: gegenseitiges Hospitieren unter Lehrkräften etwa, gegenseitige Hilfe bei Korrekturen. Der Epochenunterricht, bei dem alle Fächer Aspekte eines gemeinsamen Themas beleuchten, ist auch deshalb so spannend, weil die im Team arbeitenden Lehrkräfte merken, wie verschieden ein Kind von verschiedenen Kollegen beurteilt wird.
Eltern sollten aufhorchen
Teamarbeit, Austausch, Hospitation, Supervision sind unabdingbar. Gerade in einer Zeit, da viele Lehrkräfte Seiteneinsteiger sind. Leider sind gerade in Deutschland viele Lehrer Einzelkämpfer: je älter, desto ausgeprägter.
Sie weisen darauf hin, dass Teamarbeit aufwendig ist und dass die Stunden dafür fehlen. Was stimmt. Aber letztlich erleichtert das Arbeiten im Team die Arbeit in der Klasse. Idealerweise würde der Unterricht erst um 9 Uhr beginnen, so dass in der ersten Stunde Zeit für Teamgespräche wäre.
Eltern aber sollten aufhorchen, wenn ihr Kind einem Rollenklischee entspricht. Gerade, wenn es zu ihrem eigenen Vorurteil passt. Dass Mädchen gut in Sprachen sind, Jungen dafür in Mathe, ist kein Naturphänomen. Dass Menschen Bestätigung für ihre Vorurteile suchen hingegen schon.