Als wir in das neu gebaute Haus zogen, Bauhausstil, Beton und Glas, außer Rollrasen wenig Grün, haben wir alles begrünt, was begrünbar war. Wilder Wein, echter Wein, Efeu. Bauhaus ist schick, aber nicht gerade hygge. Zwanzig Jahre später ist der Garten, obwohl er letztes Jahr für den Einbau einer Erdwärmepumpe von Bohrmaschinen umgepflügt wurde, voller Bäume, Büsche, Blumen und Gräser. Was „Biomasse“ bedeutet, weiß nur, wer einen Garten hat.
Wer einen Garten hat, weiß aber auch: Irgendwas ist immer. Jetzt ist der Geräteschuppen undicht. Rasenmäher und Fahrräder, Spaten, Rasensaat und Dünger: Alles wird nass. Konstruiert wurde der Schuppen aus zwei L-förmigen Betonfertigteilen, wie im Rest der Siedlung, Flachdach rauf, die Kanten versiegelt, bitte sehr. Den haben wir auch begrünt: mit Efeu. Nun sind die Fugen porös geworden, teils von allein, teils mithilfe des Efeus, der, als wäre er mit unheimlicher Intelligenz beseelt, jeden Winkel durchwurzelt, jede Fuge auf undichte Stellen abgesucht hat.
Der Handwerker kam: Alles neu abdichten, inklusive Dach – „aber erst muss das Grünzeug runter, damit wir sehen können, was gemacht werden muss. Kann ich für Sie machen, kostet, sagen wir ... “. Schon gut, mache ich selbst. Gesagt, getan. Meine Frau machte Fotos von mir beim Efeu-Ausrupfen auf dem Schuppendach – und ich als Sozialmedien-Junkie postete sie auf Facebook.
Ich will nicht sagen, dass ich die Besserwisserei nicht erwartet hätte. Aber trotzdem hat sie mich irritiert. Tjaha, Efeu sei doch bekannt als Fassaden-Zerstörer; warum ich nicht vorher einen Architekten gefragt habe; und Flachdächer seien sowieso Schrott. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Schon gar nicht auf Facebook.
Der ärgerlichste Einwurf ist der gegen das Flachdach schlechthin. Ein Überbleibsel aus dem berühmten Berliner Dächerstreit von 1928, bei dem es – Siedlung mit Flachdach versus Siedlung mit Spitzdach – allerdings mehr um ästhetisch-weltanschauliche als praktische Fragen ging: internationale Moderne gegen deutsche Tradition. Es stimmt, dass es eine Weile dauerte, bis Architekten und Bauhandwerker lernten, Flachdächer zu bauen, die auch im regnerischen Klima Nordeuropas dichthielten. Und dass bis heute immer wieder gepfuscht wird, leider.
Im Garten zählt auch das Praktische
Mein Haus aber hat ein Flachdach, das ist dicht, und da stehen jetzt flächendeckend Solarpaneele drauf. Ich kann das Dach begehen und eventuelle Schäden am Dach und an den Paneelen früh erkennen. Beim Schuppen hingegen – „kommt ja nicht darauf an“ – wurde gepfuscht. Und unsere Begrünung hat nicht gerade geholfen.
Der frühere Chef einer großen Lokalzeitung lobte mich zwar: „Rein ökologisch war das doch lobenswert – mehr Grün ist immer gut.“ Aber man darf eben ein Projekt, ob groß oder klein, nie allein ästhetisch oder ökologisch betrachten. Auch das Praktische und Finanzielle muss stimmen. Und umgekehrt. Trotzdem: Das Entgrünen hat Spaß gemacht. Und inmitten des üppigen Gartens sieht so eine entblößte Bauhaus-Betonwand ziemlich gut aus. Was fange ich jetzt damit an?