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Meinung „Schmonzes“

Der Rabbi und die Nummer mit dem S-EX

Rabbiner Joel Berger (Mitte) 1999 bei der Eröffnung der Geschäftstelle des Zentralrates der Juden in Berlin. Die Zeremonie verfolgen der verstorbene frühere Zentralratsvorsitzende Ignatz Bubis (links), der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog (rechts) und das frühere Zentralrats-Präsidiumsmitglied Michel Friedman. Rabbiner Joel Berger (Mitte) 1999 bei der Eröffnung der Geschäftstelle des Zentralrates der Juden in Berlin. Die Zeremonie verfolgen der verstorbene frühere Zentralratsvorsitzende Ignatz Bubis (links), der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog (rechts) und das frühere Zentralrats-Präsidiumsmitglied Michel Friedman.
Rabbiner Joel Berger (Mitte) 1999 bei der Eröffnung der Geschäftstelle des Zentralrates der Juden in Berlin. Die Zeremonie verfolgen der Zentralratsvorsitzende Ignatz Bubis (links)..., Bundespräsident Roman Herzog (rechts) und Zentralrats-Präsidiumsmitglied Michel Friedman
Quelle: picture-alliance / dpa
In „Der Mann mit dem Hut“ erzählt der baden-württembergische Landesrabbiner Geschichten aus seinem bewegten Leben unter zwei Diktaturen und im Schwabenland. Das Buch verschweigt dabei pikante Details.

Rabbiner Joel Berger hatte gerade seine Biografie vorgestellt, da kam er schon auf mich zu: „Deine Mutter hat bestimmt wieder etwas daran auszusetzen...“, tönte seine sonore Stimme mit dem ungarischen Akzent.

Es ist offensichtlich: der Rabbi kennt meine Mutter ziemlich gut. Als Jugendlicher hatte er in Ungarn zwei Diktaturen überlebt. Zuerst die Nazis und dann die Kommunisten. 1980 wurde er Landesrabbiner von Baden-Württemberg.

Anstatt mit totalitären Regimen hatte er es fortan mit meiner Mutter zu tun.

Regelmäßig erklärte sie ihm, gerne auch öffentlich, dass seine Thorainterpretationen falsch seien und er als Lehrer untauglich. Auch ich war kein Fan des Rabbis.

Das änderte sich schlagartig, nach dem er mich mitnahm auf eine Studienreise in seine Heimatstadt Budapest. Dort erlebte ich den zuweilen starrsinnigen Mann, wie ich ihn zuvor nicht kannte.

Umgeben von den Spuren seiner Jugend war er ein Getriebener der Vergangenheit: „Gibt es das noch?“, „da muss es gewesen sein“ und „dort war es geschehen.“ Die Synagoge, in der er als Kind betete. In ihrem Hof wurden bereits seine Eltern getraut.

Das Rabbinerseminar, in dem er lernte. Der Bolzplatz auf der Donauinsel, wo seine Passion für den Fußball entstand. „Das war das einzige Vergnügen, das die Kommunisten uns ließen.“

Auch Kommunisten wussten, was Schikane ist

Von der Insel aus schweift unser Blick hinüber zu seinem Elternhaus: „Fromme Juden wurden von den Kommunisten verfolgt.

Die haben sogar am Sabbat bei uns angerufen, um zu sehen, ob wir den Hörer abheben, denn das ist für Juden am Sabbat verboten. So funktionierte ihre perfide Schikane!“

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In seiner Biografie beschreibt der Rabbi, auf welch brutale Weise am gleichen Donauufer, direkt gegenüber der elterlichen Wohnung, die ungarischen Nazis, ermutigt durch ihre deutschen Besatzer, Juden ermordeten.

Stets zu dritt, an Armen und Beinen aneinandergefesselt, wurde der mittlere erschossen und riss so die anderen beiden bei lebendigem Leib in die Fluten.

Und dann dieses obszöne Autokennzeichen

Mord und Verfolgung durch die Nazis. Später Demütigung, Inhaftierung und Vertreibung durch die Kommunisten. Das alles hatte er erlebt. Ich sah meinen Lehrer in seiner Heimat, die ihm keine mehr war, und verstand vieles, was mir zuvor verborgen blieb.

Aber auch meine Mutter kennt den Rabbi zu gut. Selbst ohne sein Buch gelesen zu haben, wusste sie: „Bestimmt hat er verschwiegen, dass er jahrelang mit diesem obszönen Autokennzeichen S-EX durch Stuttgart gefahren ist.“

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