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Meinung "Fuhrs Woche"

Milch und Käse sind europäisches Kulturgut

Kuh und Milch Kuh und Milch
Die Kuh und ihr Produkt – Bestandteil der europäischen Kultur
Quelle: dpa/DPA
Nachdem Eckard Fuhr mit Sojaersatzmilch konfrontiert wurde ist ihm klar, dass "Sojapampe" der guten Milch nicht das Wasser reichen kann.

Diese Woche hat mir die Schriftstellerin Karen Duve Sojaersatzmilch zum Tee angeboten. Sie trinkt keine richtige Milch mehr oder jedenfalls kaum noch welche. Das ist eines der Ergebnisse eines Selbstversuches, sich ethisch verantwortungsvoll zu ernähren. Ihr Buch darüber erscheint demnächst.

Karen Duve ist eine sehr sympathische, humorvolle Frau, ohne jede lustfeindliche Verbohrtheit. Aber bei der Milch ist ihr Verdammungsurteil noch entschiedener als beim Fleisch. Man müsse sich fragen, sagt sie, ob Milch nicht ein völlig überflüssiges Produkt sei, wenn drei Viertel der erwachsenen Weltbevölkerung sie ohnehin nicht vertrügen. Laktose-Intoleranz sei beim Menschen die Regel, nicht die Ausnahme.

Warum also solle man Millionen von Hochleistungskühen ganze Milchozeane abmelken und Jahr für Jahr brutal ihre Kälber von ihnen trennen? Ein sehr altes Stück Käse in ihrem Kühlschrank erinnert sie noch an ihre unbeschwerten Milchzeiten. Manchmal riecht sie daran.

Ich hätte zum Tee ganz gern ein Käsebrot gegessen. Allein schon aus kulturellem Selbstbehauptungswillen. In Europa ist die Laktose-Intoleranz nun einmal nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Und der Europäer ist nicht zuletzt durch die Milch geworden, was er ist. Die Milchwirtschaft prägt heute noch weithin die europäische Kulturlandschaft. Die Vielfalt der Milchprodukte, vor allem die des Käses, ist für mich ein kultureller Wert, zu dessen Verteidigung ich auf jede Barrikade steigen würde, welche Obrigkeit auch immer ein Soja-Surrogat-Regiment errichten möchte.

Von Karen Duve fürchte ich nichts. Ich glaube, sie würde Rohfleischessen propagieren, wenn Vegetarismus oder Veganismus zur Staatsdoktrin würden. Doch beängstigend ist es schon, welchen Sog moralischer Rigorismus entfalten kann, wenn die Anker kulturellen Herkommens erst einmal gelichtet sind. Ich habe nicht die geringste Lust auf solche Entdeckungsreisen. Früher aß Karen Duve gern Hähnchenpfanne für 2,99. Das muss wirklich nicht sein und ist ja auch eine Art von Kulturverlust. Aber muss man deswegen am Ende bei Sojapampe landen?

Der Autor ist Korrespondent Kultur und Gesellschaft der „Welt“-Gruppe.

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