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Toxische Freundschaft: Typische Warnsignale und wie Sie damit umgehen

Eine toxische Freundschaft kann viele Gesichter haben. Welche Warnsignale es gibt und wie man sich aus solch einer ungesunden Verbindung befreit, lesen Sie hier.
Toxische Freundschaft Diese Warnsignale sollten Sie erkennen
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Toxische Freundschaften rauben Energie und machen unglücklich – diese Red Flags gibt es.

Wahre Freundschaft vs. toxische Freundschaft

Der Begriff “toxische Beziehung” wird häufig im Kontext von romantischen oder familiären Verhältnissen verwendet. Seltener wird die toxische Freundschaft thematisiert. Dabei sind ungesunde freundschaftliche Beziehungen kein seltenes Phänomen. Aber wie erkennt man sie eigentlich?

Die psychologische Beziehungsforschung beschreibt eine Freundschaft als eine positive und freiwillige Beziehung, die von tiefer emotionaler Nähe, gegenseitiger Sympathie und ausgewogener Wechselseitigkeit geprägt ist. Gute Freund:innen unterstützen sich, sind da füreinander und freuen sich aufrichtig mit- und füreinander, wenn es etwa einen Anlass wie einen tollen, neuen Job oder eine andere positive Entwicklung gibt. Nach einem Treffen oder einem Telefonat miteinander fühlt man sich normalerweise bestärkt, wahrgenommen, angenommen und sicher. Positives Empowerment. Bei toxischen Freundschaften sieht das anders aus.

Toxische Freundschaft: Ungesunde Symbiose

Eine toxische Freundschaft fühlt sich ermüdend an. Ständige Kritik, Manipulationen, egoistische Aktionen, Neid oder Missgunst prägen das Miteinander. Auch kann die Zuneigung an bestimmte Bedingungen geknüpft sein: Vielleicht muss erst eine gewisse Verhaltensweise an den Tag gelegt oder eine bestimmte Anforderung erfüllt werden, damit die vermeintliche Freundschaft sich positiv anfühlt. Allerdings ist eine ungesunde Freundschaft nicht immer direkt als solche zu erkennen. Denn häufig wird das "Opfer" so geschickt manipuliert, dass es die Red Flags der toxischen Freundschaft nicht erkennt.

Erst wenn deutlich wird, wie kräftezehrend das Miteinander ist, das eigene Wohlbefinden oder sogar die mentale Gesundheit durch ständige Kritik oder Missgunst bereits leidet, wird deutlich, dass die Balance gekippt ist – und dass diese Freundschaft keine gesunde Freundschaft ist. Zwar gibt es in diesem Konstrukt meist eine Person, die mehr gibt, stets ein offenes Ohr hat und trotzdem toxische Sprüche hinnehmen muss, allerdings gibt es keine klare Rollenverteilung von Opfer und Täter:in. Vielmehr handelt es sich um eine komplexe, ungesunde Symbiose zweier Menschen.

Toxische Freundschaft: So fühlt sie sich an

Die Psychologin Vasia Toxavidi verwendet das englische Wort "toxic" interessanterweise nicht im Sinne der eigentlichen Bedeutung "giftig", sondern als Akronym, das sich aus den Anfangsbuchstaben mehrerer Wörter zusammensetzt:

  • t: "tiring" – ermüdend
  • o: "obstructive" – hinderlich
  • x: "exhausting" – anstrengend
  • i: "intimidating" – einschüchternd
  • c: "conditional" – an Bedingungen geknüpft, abhängig

Toxische Freundschaft: Diese 5 Red Flags deuten darauf hin

1. Neid und Missgunst

Missgunst hat in einer gesunden Freundschaft keinen Raum und sollte deshalb eindeutig als Warnsignal gewertet werden. Sie macht sich in einer unausgewogenen Freundschaft meistens dann bemerkbar, wenn es eigentlich Grund zur Freude gibt: Sie haben nach längerer Zeit des Alleinseins wieder eine neue Beziehung, die Beförderung am Arbeitsplatz ist nach großem persönlichen Einsatz endlich durch oder der Umzug in die neue Traumwohnung steht fest. Unangemessene und abwertende Sprüche wie: "Naja, der Chef hatte bestimmt einen Hintergedanken bei der Beförderung", "Du hast halt einfach nur Glück" oder "Na? Wie hast du den Makler bestochen?" sind Red Flags und können auf eine toxische Freundschaft hinweisen. Mit diesen Aussagen wird Ihr eigener Verdienst heruntergespielt und Ihre Freude gezielt gedämpft.

2. Einseitigkeit

Hören Sie Ihrem Gegenüber immer aufmerksam zu, stehen mit Rat und Tat beiseite, doch sobald Sie aus Ihrem Leben erzählen, reißt die andere Person das Wort an sich, ohne auf Sie und Ihr Anliegen einzugehen? Oder sind Sie es, die vielleicht generell im Restaurant die Rechnung übernehmen (auch, wenn die andere Seite finanziell ähnlich aufgestellt ist, wie Sie selbst)? Wie bereits erwähnt, beruht eine gute Freundschaft auf Wechselseitigkeit. Einseitigkeit ist eine weitere Red Flag für eine toxische Freundschaft. Die Beziehung findet nicht auf Augenhöhe statt und die Balance ist nicht gegeben. Während eine Partei unter dieser Situation leidet, profitiert die andere von dem Ungleichgewicht.

3. Egoismus und Rücksichtslosigkeit

Ein weiteres Warnsignal für eine ungesunde Freundschaft sind Rücksichtslosigkeit und egoistische Verhaltensweisen. Stehen die Bedürfnisse der einen Person stets im Vordergrund, werden Entscheidungen eiskalt ohne jegliche Rücksichtnahme getroffen oder werden rote Linien regelmäßig überschritten, ist dieses Verhalten ein sehr deutliches Anzeichen für eine toxische Freundschaft. Der anderen Person ist es scheinbar egal, wie Sie sich fühlen. Sie geht zielsicher ihren Weg, ohne dabei auf Ihre Gefühle zu achten.

4. Manipulation

Menschen mit narzisstischen Tendenzen haben ein besonderes Talent, andere zu ihren eigenen Gunsten zu manipulieren. Während deutliche Manipulationsversuche auch für sehr gutmütige Personen meist zu durchschauen sind, ist die Mikromanipulation, bei der eine Person sehr subtil manipuliert wird, oft nur sehr schwer als solche zu erkennen. Häufig wird diese erst bemerkt, wenn es zu spät ist. Diese Form der Manipulation dient dazu, die Kontrolle über die Emotionen des "Opfers" zurückzugewinnen. Die Person, von der die Manipulation ausgeht, schlüpft dafür gerne selbst in die Opferrolle, um so Mitleid und Schuldgefühle beim Gegenüber hervorzurufen. Auch Krankheiten oder andere Informationen, die beim Gegenüber instinktiv Besorgnis auslösen, können für Mikromanipulation genutzt werden.

5. Emotionaler Mülleimer

Sich Sorgen, Wut und Frust von der Seele zu reden, ist normal und tut gut – und ist unter Freund:innen selbstverständlich. Hört das Gegenüber dabei empathisch zu, gibt tolle Impulse und erfrischende Denkanstöße oder ist einfach präsent und fühlt mit, sieht die Welt danach meistens schon wieder viel sonniger aus. Geschieht dies jedoch einseitig und regelmäßig, ohne dass die Person sich das, was Sie ihr geraten haben, zu Herzen nimmt oder Ihnen aktiv zuhört, wenn Sie Kummer haben, dann sind Sie unfreiwillig zu einer Art emotionalem Mülleimer geworden. Die von Ihnen aufgebrachte Zeit und Energie wird nicht geschätzt, sondern als etwas Selbstverständliches genommen – ein Warnsignal.

Toxische Freundschaft: Das Gespräch suchen und sich selbst hinterfragen

Gibt es eine Person in Ihrem engeren Kreis, die Ihnen Ihre Energie oder Lebensfreude nimmt oder die Ihre Zuneigung von Bedingungen abhängig macht? Dann besteht Redebedarf. Suchen Sie zunächst das Gespräch, wenn Ihnen trotz der Missstände etwas an der Person liegt. Vielleicht stecken Verlustängste, ein schlechtes Selbstwertgefühl oder eine traumatische Erfahrung aus der Kindheit hinter diesem Verhalten, vielleicht hat sie selbst gerade eine schlechte Phase und ist deswegen zu weniger Empathie fähig – und vielleicht ist die Person sich nicht bewusst, was ihr Verhalten in Ihnen auslöst. Schreiben Sie sich am besten zuvor auf, welche Punkte Sie besprechen möchten, denn sonst könnten Sie schnell (wieder) in die Ecke gedrängt werden oder aufgrund der emotionalen Anspannung wichtige Aspekte vergessen.

Auch gilt es, die eigenen Verhaltensmuster zu hinterfragen: Welcher Anteil in Ihnen erlaubt es der anderen Person, so übergriffig, dominant oder respektlos mit Ihnen umzugehen? Gilt es vielleicht, alte Wunden zu heilen, an Ihrem eigenen Selbstwertgefühl zu arbeiten oder haben Sie generell ein Problem damit, sich abzugrenzen und geraten häufiger an übergriffige Personen, die Ihre Grenzen nicht akzeptieren? Dann kann – so tragisch es klingt – eine toxische Freundschaft Sie sogar auf Ihren eigenen Weg der Heilung bringen.

Toxische Freundschaft: Dann sollten Sie die Verbindung ganz beenden

Auch wenn Sie Mitleid mit der anderen Person empfinden, sollten Sie unbedingt für klare Verhältnisse sorgen. Die gewaltfreie Kommunikation eignet sich sehr gut, um Ihre Emotionen und Erkenntnisse mitzuteilen, ohne dass sich Ihr:e Freund:in dabei angegriffen fühlt. Beschreiben Sie Ihre Wahrnehmungen ohne Bewertungen. Ein Beispiel: "Du hast diese Entscheidung ohne mich getroffen. Dadurch fühle ich mich übersehen und es macht mich traurig." Beschreiben Sie, welche Emotionen gewisse Aktionen in Ihnen hervorrufen.

Sollte das Gespräch zu nichts führen, ist es ratsam, den Kontakt einzuschränken oder sogar endgültig abzubrechen und diesen Schritt per Email oder Brief zu kommunizieren. Vielleicht möchten Sie auch die schönen Erinnerungen an die gemeinsame Zeit noch einmal betonen, denn auch die schönen Momente sollten bedacht werden. So endet die Freundschaft mit einem weniger bitteren Nachgeschmack.

Sollten als Antwort auf Ihr Schreiben Anfeindungen kommen, bleiben Sie bei sich und lassen Sie weitere Grenzüberschreitungen nicht zu. Und ganz wichtig: Schauen Sie noch einmal genau hin. Welche Ihrer eigenen Verhaltensmuster und Glaubenssätze haben diese toxische Freundschaft überhaupt möglich gemacht?

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