Sexualität

5 Fragen zum Thema sexuelles Wohlbefinden – und die aufklärenden Antworten

Obwohl unsere Gesellschaft aufgeschlossener wird, sind viele Themen noch ein Tabu – wir klären mit 5 Fragen rund um das Thema sexuelles Wohlbefinden auf.
Rear view of topless young woman standing on balcony
Rear view of topless young woman standing on balconyWestend61

Es gibt viele Fragen zum Thema sexuelles Wohlbefinden – hier sind einige Antworten darauf

Selbst in diesen aufgeschlossenen, zunehmend sexpositiven Zeiten ist es nicht immer leicht, über Schlafzimmerangelegenheiten zu sprechen. Vielleicht ist das der Grund, warum die Sex Talks der Autorin und Podcast-Moderatorin Emma-Louise Boynton bei The London Edition – bei denen sie mithilfe einer Expert:innenrunde Themen rund um Sex und den Körper erforscht und behandelt – jeden Monat ausverkauft sind.

Alles begann damit, dass Boynton eine Sexualtherapie begann, nachdem es ihr von zwei neu gewonnenen Freunden bei einer Dinnerparty empfohlen wurde, als sie gestand, dass sie beim Sex mit einem Partner keinen Orgasmus bekommen konnte. "Ich war nicht sehr sexuell und es war mir einfach egal", erzählt sie. "Ich dachte irgendwie, ich sei sexuell kaputt, aber die Erfahrung war revolutionär. Anders als bei den meisten Therapien, bei denen es kein wirklich greifbares Ergebnis gibt, außer dass man sich etwas besser fühlt, gibt es bei der Sexualtherapie ein konkretes Resultat. Als ich am Ende meiner Sexualtherapie angekommen war, konnte ich beim Sex mit einem Partner zum Orgasmus kommen, was großartig war."

Boynton startete ihre Sex Talks, um über sexuelles Wohlbefinden aufzuklären

Da Boynton seit ihrer Jugend unter einer Essstörung litt, ging es bei der Sexualtherapie vor allem darum, ihre Beziehung zu ihrem Körper zu entschlüsseln, nachdem sie viele Jahre lang einen ständigen Krieg gegen ihn geführt hatte. "Ich habe meinen Körper nicht als Quelle des Vergnügens gesehen, ich hatte nicht erkannt, wie die Tentakel dieser – leider sehr verbreiteten – Krankheit in so viele Bereiche meines Lebens eingedrungen waren", sagt sie. "Ich wollte etwas schaffen, was die Art von Gesprächen, die ich im Rahmen der Sexualtherapie geführt habe, für mehr Menschen zugänglich macht – also habe ich Sex Talks ins Leben gerufen."

Mit dem Ziel, ehrliche Gespräche über Sex und weibliches Vergnügen zu normalisieren und zu eröffnen sowie "kollektive Sorgen und Ängste" abzubauen, lädt die Veranstaltung verschiedene Expert:innen ein, ihre Erkenntnisse mitzuteilen, und gibt den Teilnehmer:innn die Möglichkeit, anonyme Fragen an das Podium zu stellen. Boyntons wichtigste Lehren von ihrer eigenen Reise? "Zwei Dinge waren für mich von entscheidender Bedeutung", sagt sie. "Die erste war die Erkenntnis, dass ich niemals Spaß am Sex haben würde, wenn ich das Leben in meinem eigenen Körper absolut verabscheue", sagt sie freimütig. "Und beim zweiten ging es um Kommunikation – etwas, was mein Sexualtherapeut in jeder einzelnen Sitzung sagte.

Im Folgenden verrät Boynton die Fragen, die in ihren Sessions am häufigsten auftauchen – und beantwortet sie. 

Ich kann beim penetrativen Sex nicht zum Orgasmus kommen – stimmt etwas mit mir nicht?

Nein! Dieses Thema kommt bei so ziemlich jeder Sex-Talks-Veranstaltung auf, und ich finde, es zeigt sehr deutlich, wie phallozentrisch unser allgemeines Verständnis von Sex nach wie vor ist. Untersuchungen zeigen, dass etwa 80 Prozent der Frauen nicht allein durch penetrativen Sex zum Höhepunkt kommen können, und die Mehrheit der Frauen (ebenfalls etwa 80 Prozent) benötigt die Stimulation der Klitoris, um zum Höhepunkt zu kommen. 
Das Problem ist, dass heteronormativer, partnerschaftlicher Sex lange Zeit (in Pornos, im Kino und in den Medien) so dargestellt wurde, dass die männliche Lust im Vordergrund stand. Diese Darstellungen verstärken eine monolithische Sichtweise von Sex (d. h., dass Sex die vaginale Penetration durch einen Penis beinhaltet) und lassen alle anderen wunderbaren Aspekte von Sex außer Acht, wie z. B. Oralverkehr, der der Schlüssel zum Vergnügen sein kann. Wenn Sie in der Lage sind, auf andere Weise zum Orgasmus zu kommen, z. B. durch Oralverkehr, sollten Sie das Ihrem Sexualpartner mitteilen, damit er weiß, wie er Sie zum Kommen bringen kann. Und wenn Sie es nicht können, warum dann nicht einfach versuchen?

Ich hatte noch nie einen Orgasmus – bin ich kaputt?

Dieses Thema kommt bei Sex Talks ebenfalls häufig zur Sprache und spiegelt genau das Problem wider, das ich hatte, als ich zur Sexualtherapie ging. Das Erste, was ich zu meinem Sexualtherapeuten sagte, war: "Ich glaube, ich bin kaputt." Was ich nicht wusste – und was viele Menschen nicht wissen –, ist, dass Orgasmusschwierigkeiten tatsächlich sehr verbreitet sind. Etwa 43 Prozent der Frauen leiden irgendwann in ihrem Leben an einer sexuellen Dysfunktion, und das kann an vielen absolut lösbaren Faktoren liegen.

Ich litt unter "situativer Anorgasmie", d. h., man kann nur unter bestimmten Umständen einen Orgasmus haben, z. B. bei der Selbstbefriedigung oder mit einem bestimmten Partner. Ich habe die brillante Dr. Karen Gurney vor einiger Zeit dazu interviewt, und sie sagte mir, dass der häufigste Grund hierfür bei Frauen darin liegt, dass sie entweder nicht genug darüber wissen, wie sie sich selbst Vergnügen bereiten können, oder dass sie nicht in der Lage sind, die Arten von Vergnügen zu vermitteln, die mit einem Partner am besten funktionieren.

Ein weiterer häufiger Faktor sei, dass Menschen "beim Sex durch Gedanken abgelenkt werden, die ihnen durch den Kopf gehen, wie nahe sie dem Orgasmus sind oder was die andere Person denkt. Daher sind sie nicht mehr in ihrem Körper präsent." Das hat mich sehr berührt. Wenn man einmal eine "schlechte" sexuelle Erfahrung gemacht hat, ist es leicht, die darauf folgende Angst in zukünftige sexuelle Erfahrungen mitzunehmen, was natürlich eine große Ablenkung ist.

Unabhängig davon, ob Sie noch nie einen Orgasmus hatten oder aus bestimmten Gründen Schwierigkeiten damit haben, ist der beste Anfang die Selbstbefriedigung. Lernen Sie Ihren Körper mit einem großartigen Sex Toy kennen (ich empfehle Lelo, Maude oder Smile Makers) und finden Sie heraus, was Ihnen guttut und was nicht, und zwar ganz ohne den Druck der Anwesenheit einer anderen Person. Wenn Sie erst einmal wissen, was Ihnen Freude bereitet, können Sie Ihre Sexualpartner:innen besser vermitteln, wie sie Ihnen Vergnügen bereiten können. Mein Sexualtherapeut hat mich immer wieder darauf hingewiesen, dass großartiger Sex auf Kommunikation, Kommunikation und Kommunikation beruht.

Ich habe das Gefühl, dass ich beim Sex nicht feucht genug werde – was soll ich tun?

Diese Frage kam kürzlich bei einer Sex-Talks-Veranstaltung auf, bei der wir über sexuelle Scham und deren Überwindung diskutierten. Florence Bark, die den brillanten Sex-Podcast F*cks Given mitmoderiert, sagte, ihr bester Sex-Ratschlag sei, mehr Gleitmittel zu verwenden. Und ich stimme ihr zu. Wie Florence feststellte, war Gleitgel in ihrer Kindheit mit einem echten Stigma behaftet, als ob man es nur dann benutzen würde, wenn etwas mit einem nicht stimmt. Die "Nässe" eines Menschen ändert sich ständig – im Laufe des Tages, des Monats und des Jahres! Gleitmittel machen den Sex immer besser: Also hören Sie auf, sich Sorgen zu machen und benutzen Sie viel davon. 

Ist es falsch zu masturbieren, wenn ich in einer Beziehung bin?

Ganz und gar nicht. Wie die Mitbegründerin der sexuellen Wellness-App Ferly, Billie Quinlan, kürzlich auf der Sex-Talks-Bühne sagte: Ihre Beziehung zu Sex beginnt bei Ihnen selbst. Ihre Sexualität ist etwas Lebendiges, Atmendes, das kultiviert und genährt werden muss", sagte sie. Wenn Sie in einer Beziehung masturbieren, bedeutet das nicht, dass der Sex mit Ihrem Partner nicht gut genug ist. Selbstbefriedigung ist einfach ein wichtiger Bestandteil der Selbstfürsorge und etwas, wofür wir alle versuchen sollten, uns Zeit zu nehmen, egal ob wir in einer Beziehung sind oder nicht.

Ich bin Mitte zwanzig und habe meine Jungfräulichkeit noch nicht verloren – ich mache mir Sorgen, dass mit mir etwas nicht stimmt.

Der Begriff der "Jungfräulichkeit" sollte völlig abgeschafft werden, denn er privilegiert eine bestimmte Art von Sex gegenüber anderen. Wenn man nie mit jemandem Sex hat, der einen Penis hat, heißt das dann, dass man noch nie Sex hatte? Entgegen der landläufigen Meinung ist Jungfräulichkeit auch kein physischer Zustand, denn das Jungfernhäutchen reißt nicht, wie viele von uns zu glauben pflegen. Bei einigen kann es beim ersten Geschlechtsverkehr reißen, aber das ist keine universelle Erfahrung.

Wir alle wachsen und entwickeln uns unterschiedlich schnell, und es sollte nicht so ein großer Druck herrschen, wann man etwas sexuell tun "sollte" – die Sexualtherapeutin Kate Moyle hat das Wort "sollte" aus ihrem Therapieraum verbannt, und die Vorstellung, dass man bis zu einem bestimmten Alter Geschlechtsverkehr haben "sollte", steht ganz oben auf der Liste der "Sollte"-Vorstellungen, die wir so schnell wie möglich loswerden müssen.

Dieser Artikel erschien im Original auf Vogue.co.uk.