![Weichmacher - Sonnencreme unter Schadstoffverdacht – was ist dran?](https://cdn.statically.io/img/cdn.test.de/file/image/b7/44/dec8f202-cbab-4a7c-b92e-cc6f40c1b297-web/6105720_weichmacher-sonnencreme-a202403.jpg)
Unbedenklich? Derzeit wird untersucht, ob bestimmte Komponenten in Sonnenschutzmitteln ein Gesundheitsrisiko darstellen. © Alamy Stock Photo / Vlad Deep
Sonnencreme steht plötzlich im Verdacht, gesundheitsschädlich zu sein. Die Verunsicherung der Verbraucher kommt auch bei uns an. Wir geben Antworten auf häufige Fragen.
Es ist eine Nachricht, die aufschreckt: In Urinproben Hunderter Kita-Kinder und Erwachsener haben Behörden Anfang des Jahres vermehrt ein Stoffwechselabbauprodukt von Weichmachern nachgewiesen. Sein Name: Mono-n-hexylphthalat. Zuerst wurde das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen fündig, dann das Umweltbundesamt bei der vorläufigen Datenauswertung der Deutschen Umweltstudie.
Das Kritische daran: Der Stoff gilt als fortpflanzungs- und gesundheitsgefährdend. Aber woher kommt er? Wieso tritt er plötzlich gehäuft auf? Die Suche nach Ursachen läuft. Klarheit gibt es bisher keine – nur Mutmaßungen. Als eine mögliche Quelle werden Sonnenschutzmittel genannt, auch weil die Urinproben aus den Sommermonaten auffällig erhöht waren – was ist da dran? Wir haben den Wissensstand zusammengetragen.
Alle Fragen im Überblick
- Welcher Stoff wurde in den Urinproben nachgewiesen?
- Sind die unter Verdacht geratenen Weichmacher in Kosmetika erlaubt?
- Könnte ein Sonnenschutzfilter die Quelle für die Belastung sein?
- Wie gesundheitsgefährdend sind die bisherigen Schadstofffunde im Urin?
- Hat die Stiftung Warentest auch schon Weichmacher in Sonnencreme nachgewiesen?
Weichmacher und UV-Filter in der Diskussion
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Welcher Stoff wurde in den Urinproben nachgewiesen?
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Er hat den komplizierten Namen Mono-n-hexylphthalat, kurz MnHexP. Er kann als Stoffwechselabbauprodukt verschiedener Weichmacher im Körper entstehen, auch aus dem Weichmacher Di-n-hexylphthalat (DnHexP).
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Sind die unter Verdacht geratenen Weichmacher in Kosmetika erlaubt?
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Der bewusste Einsatz von DnHexP in Kosmetikprodukten ist laut EU-Kosmetikverordnung verboten. Derzeit werden auch andere Ausgangsstoffe, die zum Auftreten des Abbauprodukts MnHexP führen könnten, als mögliche Quellen überprüft.
Die Ursachenforschung läuft in verschiedene Richtungen: Weichmacher können etwa aus bestimmten Kunststoffverpackungen in Kosmetika und Lebensmittel übergehen. Produkte können aber auch im Herstellungsprozess unbeabsichtigt verunreinigt werden – in die Diskussion geraten ist ein häufig eingesetzter UV-Filter.
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Könnte ein Sonnenschutzfilter die Quelle für die Belastung sein?
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Das ist derzeit völlig offen. Im Verdacht steht der UV-Filter Diethylamino Hydroxybenzoyl Hexyl Benzoate, kurz DHHB. Offenbar kann bei seiner Herstellung als unerwünschtes Nebenprodukt der Weichmacher DnHexP entstehen, der wiederum vom menschlichen Körper zu MnHExP verstoffwechselt werden könnte.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) weist darauf hin, dass neben Sonnenschutzmitteln auch andere Produkte als Quellen infrage kämen. Bisher liegen dem BfR „keine belastbaren Informationen vor, dass kosmetische Mittel, die UV-Filter enthalten, tatsächlich in relevanten Größenordnungen mit Stoffen verunreinigt sind, die zur Bildung von MnHexP führen könnten“.
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Wie gesundheitsgefährdend sind die bisherigen Schadstofffunde im Urin?
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Das Bundesinstitut für Risikobewertung beschäftigt sich fortlaufend mit der Thematik und schreibt in einer Stellungnahme, dass sowohl die Aufnahme des Abbauprodukts MnHexP als auch die seiner möglichen Ausgangsstoffe „so weit wie möglich reduziert werden sollte“.
Eine Neubewertung der Datenlage bestätigt vorangegangene Modellrechnungen des BfR: Die in den Urinproben nachgewiesenen Konzentrationen an MnHexP geben keinen Anlass für eine erhöhte Besorgnis und stellen kein unmittelbares Gesundheitsrisiko dar. Auch von Sonnenschutzmitteln, die mit DnHexP verunreinigt seien, gehe nach aktuellem Wissensstand keine akute Gefahr aus, unerwünschte gesundheitliche Beeinträchtigungen seien „sehr unwahrscheinlich“.
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Hat die Stiftung Warentest auch schon Weichmacher in Sonnencreme nachgewiesen?
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Ja, in unserem aktuellen Test von Sonnenschutzmitteln haben wir die Produkte erstmals auf Weichmacher untersucht. In 4 von 20 wurden wir fündig und wiesen DnHexP nach – alle vier enthalten den UV-Filter DHHB. Die analysierten Konzentrationen bergen gemäß der Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung kein akutes Gesundheitsrisiko. Wir bewerten diese Produkte im Prüfpunkt kritische Inhaltsstoffe mit Ausreichend und insgesamt mit Befriedigend.
Von den Anbietern erwarten wir eine strengere Qualitätskontrolle. Denn der Test zeigt auch: Die Verunreinigungen lassen sich vermeiden. Sechs weitere Sonnencremes im Test setzen ebenfalls DHHB ein, in ihnen fanden wir den besagten Weichmacher aber nicht.
Sonnencremes enthalten in der Regel deutlich niedrigere Mengen des UV-Filters DHHB als die EU-Kosmetikverordnung erlaubt. Diese lässt bis zu 10 Prozent zu. In unseren Test-Tabellen geben wir enthaltene UV-Filter immer transparent an, so auch bei Sonnenschutzmitteln für Erwachsene – jedes zweite hat DHHB als Inhaltsstoff. Er wird in der Tabelle unter „Art des Sonnenschutzfilters“ mit dem Buchstaben „j“ aufgeführt.
Was beim Sonnenschutz weiterhin gilt
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Sollte ich jetzt besser auf Sonnencreme verzichten?
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Nein! Es bleibt unerlässlich, die Haut umfassend vor schädigender UV-Strahlung zu schützen. Keiner der bisher vorliegenden Verdachte rechtfertigt einen Verzicht. Klar belegt ist hingegen, dass UV-Licht Sonnenbrand und langfristig sogar Hautkrebs verursachen kann. Regelmäßiges, großzügiges Eincremen, dicht gewebte Kleidung und ausgiebige Schattenpausen schützen.
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Kann ich Sonnenschutzmittel mit dem UV-Filter DHHB weiter verwenden?
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Ja. Das Bundesinstitut für Risikobewertung hält eine gesundheitliche Beeinträchtigung für unwahrscheinlich. Das gelte auch, wenn Sonnenschutzmittel bis zu 10 Prozent eines mit bis zu 0,3 Prozent DnHexP verunreinigten UV-Filters enthalten würden – eine großzügige Annahme. Die von uns im Test ermittelten DnHexP-Konzentrationen liegen deutlich darunter.
Auch das Chemische- und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe hat bereits reagiert und Sonnenschutzmittel auf DnHexP untersucht. In einem Teil der Produkte wurden die Experten fündig. Die nachgewiesenen Gehalte liegen aber ebenfalls durchweg unter denen in der Modellrechnung des Bundesinstitut für Risikobewertung, sodass von ihnen keine gesundheitliche Beeinträchtigung ausgehen sollte.Tipp: Die Stiftung Warentest beschäftigt sich regelmäßig mit Themen zur Hautkrebsvorsorge und -behandlung, etwa beim Test von Hautscreening-Apps und bei der Bewertung von Medikamenten bei aktinischer Keratose, einer Vorstufe von weißem Hautkrebs.
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Wie sollte ich mich und mein Kind vor der Sonne schützen?
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Sonnencremes, -lotionen und -sprays sind wichtige Hilfsmittel – auch solche mit dem UV-Filter DHHB. Wer vorsorglich auf ihn verzichten möchte, findet in unserer Datenbank auch Produkte, die kein DHHB enthalten: In unserem Test von 19 Sonnenschutzmitteln für Kinder im Jahr 2023 waren es sieben, die den Filter nicht einsetzten – aber nicht alle hielten den versprochenen Sonnenschutz ein. Im aktuellen Test von Sonnencreme für Erwachsene kamen zehn ohne aus.
Tipp: In unseren Test-Tabellen geben wir enthaltene UV-Filter an, achten Sie in der Zeile zu den Sonnenschutzfiltern auf den Buchstaben „j“, der für DHHB steht.
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