Weichmacher Sonnen­creme unter Schad­stoff­verdacht – was ist dran?

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Weichmacher - Sonnen­creme unter Schad­stoff­verdacht – was ist dran?

Unbe­denk­lich? Derzeit wird untersucht, ob bestimmte Komponenten in Sonnen­schutz­mitteln ein Gesund­heits­risiko darstellen. © Alamy Stock Photo / Vlad Deep

Sonnen­creme steht plötzlich im Verdacht, gesund­heits­schädlich zu sein. Die Verunsicherung der Verbraucher kommt auch bei uns an. Wir geben Antworten auf häufige Fragen.

Es ist eine Nach­richt, die aufschreckt: In Urin­proben Hunderter Kita-Kinder und Erwachsener haben Behörden Anfang des Jahres vermehrt ein Stoff­wechsel­abbau­produkt von Weichmachern nachgewiesen. Sein Name: Mono-n-hexylph­thalat. Zuerst wurde das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen fündig, dann das Umweltbundesamt bei der vorläufigen Daten­auswertung der Deutschen Umwelts­tudie.

Das Kritische daran: Der Stoff gilt als fort­pflan­zungs- und gesund­heits­gefähr­dend. Aber woher kommt er? Wieso tritt er plötzlich gehäuft auf? Die Suche nach Ursachen läuft. Klarheit gibt es bisher keine – nur Mutmaßungen. Als eine mögliche Quelle werden Sonnenschutzmittel genannt, auch weil die Urin­proben aus den Sommermonaten auffällig erhöht waren – was ist da dran? Wir haben den Wissens­stand zusammen­getragen.

Weichmacher und UV-Filter in der Diskussion

Welcher Stoff wurde in den Urin­proben nachgewiesen?

Er hat den komplizierten Namen Mono-n-hexylph­thalat, kurz MnHexP. Er kann als Stoff­wechsel­abbau­produkt verschiedener Weichmacher im Körper entstehen, auch aus dem Weichmacher Di-n-hexylph­thalat (DnHexP).

Sind die unter Verdacht geratenen Weichmacher in Kosmetika erlaubt?

Der bewusste Einsatz von DnHexP in Kosmetik­produkten ist laut EU-Kosmetik­ver­ordnung verboten. Derzeit werden auch andere Ausgangs­stoffe, die zum Auftreten des Abbau­produkts MnHexP führen könnten, als mögliche Quellen über­prüft.

Die Ursachen­forschung läuft in verschiedene Richtungen: Weichmacher können etwa aus bestimmten Kunst­stoff­verpackungen in Kosmetika und Lebens­mittel übergehen. Produkte können aber auch im Herstellungs­prozess unbe­absichtigt verunreinigt werden – in die Diskussion geraten ist ein häufig einge­setzter UV-Filter.

Könnte ein Sonnen­schutz­filter die Quelle für die Belastung sein?

Das ist derzeit völlig offen. Im Verdacht steht der UV-Filter Diethylamino Hydroxybenzoyl Hexyl Benzoate, kurz DHHB. Offen­bar kann bei seiner Herstellung als unerwünschtes Neben­produkt der Weichmacher DnHexP entstehen, der wiederum vom menschlichen Körper zu MnHExP verstoff­wechselt werden könnte.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) weist darauf hin, dass neben Sonnen­schutz­mitteln auch andere Produkte als Quellen infrage kämen. Bisher liegen dem BfR „keine belast­baren Informationen vor, dass kosmetische Mittel, die UV-Filter enthalten, tatsäch­lich in relevanten Größen­ordnungen mit Stoffen verunreinigt sind, die zur Bildung von MnHexP führen könnten“.

Wie gesund­heits­gefähr­dend sind die bisherigen Schad­stoff­funde im Urin?

Das Bundes­institut für Risiko­bewertung beschäftigt sich fort­laufend mit der Thematik und schreibt in einer Stellungnahme, dass sowohl die Aufnahme des Abbau­produkts MnHexP als auch die seiner möglichen Ausgangs­stoffe „so weit wie möglich reduziert werden sollte“.

Eine Neube­wertung der Daten­lage bestätigt voran­gegangene Modell­rechnungen des BfR: Die in den Urin­proben nachgewiesenen Konzentrationen an MnHexP geben keinen Anlass für eine erhöhte Besorgnis und stellen kein unmittel­bares Gesund­heits­risiko dar. Auch von Sonnen­schutz­mitteln, die mit DnHexP verunreinigt seien, gehe nach aktuellem Wissens­stand keine akute Gefahr aus, unerwünschte gesundheitliche Beein­trächtigungen seien „sehr unwahr­scheinlich“.

Hat die Stiftung Warentest auch schon Weichmacher in Sonnen­creme nachgewiesen?

Ja, in unserem aktuellen Test von Sonnenschutzmitteln haben wir die Produkte erst­mals auf Weichmacher untersucht. In 4 von 20 wurden wir fündig und wiesen DnHexP nach – alle vier enthalten den UV-Filter DHHB. Die analysierten Konzentrationen bergen gemäß der Einschät­zung des Bundes­instituts für Risiko­bewertung kein akutes Gesund­heits­risiko. Wir bewerten diese Produkte im Prüf­punkt kritische Inhalts­stoffe mit Ausreichend und insgesamt mit Befriedigend.

Von den Anbietern erwarten wir eine strengere Qualitäts­kontrolle. Denn der Test zeigt auch: Die Verunreinigungen lassen sich vermeiden. Sechs weitere Sonnen­cremes im Test setzen ebenfalls DHHB ein, in ihnen fanden wir den besagten Weichmacher aber nicht.

Sonnen­cremes enthalten in der Regel deutlich nied­rigere Mengen des UV-Filters DHHB als die EU-Kosmetik­ver­ordnung erlaubt. Diese lässt bis zu 10 Prozent zu. In unseren Test-Tabellen geben wir enthaltene UV-Filter immer trans­parent an, so auch bei Sonnenschutzmitteln für Erwachsene – jedes zweite hat DHHB als Inhalts­stoff. Er wird in der Tabelle unter „Art des Sonnen­schutz­filters“ mit dem Buch­staben „j“ aufgeführt.

Was beim Sonnen­schutz weiterhin gilt

Sollte ich jetzt besser auf Sonnen­creme verzichten?

Nein! Es bleibt unerläss­lich, die Haut umfassend vor schädigender UV-Strahlung zu schützen. Keiner der bisher vorliegenden Verdachte recht­fertigt einen Verzicht. Klar belegt ist hingegen, dass UV-Licht Sonnenbrand und lang­fristig sogar Haut­krebs verursachen kann. Regel­mäßiges, groß­zügiges Eincremen, dicht gewebte Kleidung und ausgiebige Schatten­pausen schützen.

Kann ich Sonnen­schutz­mittel mit dem UV-Filter DHHB weiter verwenden?

Ja. Das Bundes­institut für Risiko­bewertung hält eine gesundheitliche Beein­trächtigung für unwahr­scheinlich. Das gelte auch, wenn Sonnen­schutz­mittel bis zu 10 Prozent eines mit bis zu 0,3 Prozent DnHexP verunreinigten UV-Filters enthalten würden – eine groß­zügige Annahme. Die von uns im Test ermittelten DnHexP-Konzentrationen liegen deutlich darunter.
Auch das Chemische- und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe hat bereits reagiert und Sonnen­schutz­mittel auf DnHexP untersucht. In einem Teil der Produkte wurden die Experten fündig. Die nachgewiesenen Gehalte liegen aber ebenfalls durchweg unter denen in der Modell­rechnung des Bundes­institut für Risiko­bewertung, sodass von ihnen keine gesundheitliche Beein­trächtigung ausgehen sollte.

Tipp: Die Stiftung Warentest beschäftigt sich regel­mäßig mit Themen zur Haut­krebs­vorsorge und -behand­lung, etwa beim Test von Hautscreening-Apps und bei der Bewertung von Medikamenten bei aktinischer Keratose, einer Vorstufe von weißem Haut­krebs.

Wie sollte ich mich und mein Kind vor der Sonne schützen?

Sonnen­cremes, -lotionen und -sprays sind wichtige Hilfs­mittel – auch solche mit dem UV-Filter DHHB. Wer vorsorglich auf ihn verzichten möchte, findet in unserer Daten­bank auch Produkte, die kein DHHB enthalten: In unserem Test von 19 Sonnenschutzmitteln für Kinder im Jahr 2023 waren es sieben, die den Filter nicht einsetzten – aber nicht alle hielten den versprochenen Sonnen­schutz ein. Im aktuellen Test von Sonnencreme für Erwachsene kamen zehn ohne aus.

Tipp: In unseren Test-Tabellen geben wir enthaltene UV-Filter an, achten Sie in der Zeile zu den Sonnen­schutz­filtern auf den Buch­staben „j“, der für DHHB steht.

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