Unfall­forschung E-Bikes nicht riskanter als Fahr­räder

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Unfall­forschung - E-Bikes nicht riskanter als Fahr­räder

Sturzgefahr. Pedelecs verhalten sich anders als unmotorisierte Räder. Der Umgang damit bedarf Übung. © Shutterstock / Astrid Gast

Laut einer neuen Studie sind E-Bikes nicht gefähr­licher als Fahr­räder ohne Motor. Lesen Sie, wer dennoch gefährdet ist und was schützt.

Ergeb­nisse der E-Bike-Unfall­studie

Mit einem Pedelec zu fahren, ist nicht per se unfall­trächtiger als mit einem normalen Fahr­rad. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Unfallforschung der Versicherer aus dem Jahr 2022. Bei Pedelecs – umgangs­sprach­lich vor allem als E-Bike bekannt – tritt ein Elektromotor bis zu einem Tempo von 25 Kilo­metern pro Stunde mit in die Pedale. Dadurch fährt ein Mensch mit Elektrorad im Schnitt etwas schneller als mit einem Fahr­rad ohne Motor.

Das Studien­ergebnis über­rascht. Denn E-Radler kamen umge­rechnet mehr als doppelt so häufig zu Schaden: Bei einem Bestand von rund 81 Millionen Fahr­rädern und 8,5 Millionen Pedelecs in Deutsch­land (Quelle: Zweirad-Industrie-Verband) verunglückten 17 045 Menschen mit einem Pedelec im Jahr 2021 und 67 080 Menschen mit einem normalen Fahr­rad.

Studie berück­sichtigt gefahrene Kilo­meter

Die Unter­suchung der Unfall­forscher der Versicherer (UDV) berück­sichtigt noch einen weiteren, entscheidenden Faktor: die Fahr­leistung. Denn mit E-Bikes legen Radelnde im Schnitt deutlich mehr Kilo­meter zurück als auf nicht-motorisierten Fahr­rädern. Das gaben auch Teilnehmende einer Umfrage der Stiftung Warentest zum Fahrverhalten an.

Die UDV-Studie liefert konkrete Zahlen: Menschen legen mit dem Pedelec im Durch­schnitt 1,8-Mal so viel Kilo­meter pro Tag zurück wie Menschen, die ein unmotorisiertes Fahr­rad nutzen. Unter Berück­sichtigung der gefahrenen Kilo­meter ist das Pedelec laut UDV nicht gefähr­licher als ein Fahr­rad ohne Elektromotor. Wer mehr fährt, hat entsprechend ein höheres Risiko, an einem Unfall beteiligt zu sein.

Junge Pedelec-Radelnde sind gefährdet

Zwei Alters­gruppen stachen in der Studie dennoch heraus: Menschen zwischen 18 und 34 Jahren und über 75-Jährige.

Junge Leute haben mit einem Pedelec ein deutlich höheres Unfall- und Verletzungs­risiko als andere E-Radler und auch als Gleich­altrige, die Fahr­rad fahren. Als mögliche Gründe nennen der Unfall­forscher der Versicherer, dass diese Gruppe möglicher­weise eigene Fähig­keiten über­schätze, risiko­bereiter sei und außerdem das Potenzial der Tret­unterstüt­zung stärker ausschöpfe. Hinzu könnte nach unserer Einschät­zung außerdem kommen, dass diese Alters­gruppe häufiger E-Mountain­bikes als Sport­gerät nutzt.

Verletzungs­risiko für Ältere ist groß

Ein höheres Unfall- und Verletzungs­risiko haben außerdem Menschen ab 75 – allerdings sowohl mit Pedelec als auch mit Fahr­rad. Bei ihnen könne es „zu Schwierig­keiten bei der Hand­habung von Zweirädern führen, auch bei nied­rigeren Geschwindig­keiten.“

Der Unfall­forscher Dr. Wolf­ram Hell sagte uns in einem Interview: „Das Verletzungs­risiko ist bei Menschen über 60 vier Mal höher als bei 20-Jährigen, vor allem für schwere Frakturen des Oberschenkelhalses, der Speiche im Bereich des Hand­gelenks oder der Rippen. Die Pedelec-Zielgruppe muss daher besonders an ihre Sicherheit denken.“

8 Sicher­heits-Tipps fürs E-Bike

Insbesondere ältere Menschen haben ein großes Risiko, sich bei einem Unfall zu verletzen. Mit unseren acht Tipps machen Sie sich und Ihr E-Bike so fit, dass es im besten Fall gar nicht zum Unfall kommt.

1. Motivation und Fitness hinterfragen

Wenn Sie sich ein E-Bike kaufen wollen, sollten Sie sich ehrlich fragen, warum: Haben Sie das Auto­fahren aufgegeben, weil Sie nicht mehr fit genug sind? Dann ist der Umstieg aufs Pedelec der falsche Schritt. Die Dreh­barkeit des Kopfes, ein gutes Hör- und Sehvermögen, die Fähig­keit die Balance zu halten und in kritischen Situationen schnell zu reagieren, sind ein Muss, damit Sie sich und andere nicht gefährden.

2. Passendes Pedelec kaufen

Die Motoren der Pedelecs werden durch höhere Drehmomente tendenziell immer leistungs­fähiger. Solche Motoren waren für E-Mountain­bikes gedacht, sind nun aber auch in Tiefein­steigern zu finden. Insbesondere wenn Sie nicht ganz fit sind oder sich mit einem Pedelec wieder ans Fahr­radfahren heran­wagen, kann das unge­wohnt sein und sogar gefähr­lich werden. Fragen Sie beim Kauf direkt nach einem schwächeren Antrieb. Wenn Sie nicht gerade in den Bergen wohnen, reicht das völlig aus und hat auch den Vorteil, dass Sie mit dem Akku in der Regel weiter kommen.

Ein weiterer Faktor ist das Gewicht: Stürzen Sie mit dem Rad oder müssen Sie es über Stufen wuchten, besteht bei an die 30 Kilogramm Fahr­radgewicht große Verletzungs­gefahr. Achten Sie daher beim Kauf aufs Gewicht und verzichten Sie beispiels­weise auf den XXL-Akku – der ist vor allem schwer und für den Alltag nicht notwendig.

Empfehlens­werte Modelle und eine umfang­reiche Kauf­beratung finden Sie im E-Bike-Test der Stiftung Warentest.

3. Finger weg von Tuning-Sätzen fürs E-Bike!

Tuning ist bei E-Bikes ein weit verbreitetes Problem. Tuning-Sätze für Pedelecs sind einfach zu bekommen. Sie sorgen dafür, dass der Motor nicht bei Tempo 25, sondern später abschaltet oder dafür, dass der Motor auch läuft, wenn der Radelnde nicht mit tritt. Was sich gut anhört, ist gefähr­lich, unter Umständen richtig teuer und strafbar.

Die höhere Geschwindig­keit birgt gleich mehrere Risiken: Auf die permanent hohen Geschwindig­keiten kann das Pedelec tech­nisch mitunter gar nicht ausgerichtet sein. Andere Verkehrs­teilnehmer schätzen Ihre Geschwindig­keit falsch ein. Außerdem sind bei einem Sturz deutlich schwerere Verletzungen möglich.

Da man damit in die Elektronik eingreift, entfällt außerdem die Garantie. Viele Anbieter können das Tuning etwa bei der Wartung durch Auslesen erkennen. Nicht selten entziehen sie die Garantie und sperren das getunte Pedelec für die Reparatur in eigenen Werk­stätten.

Darüber hinaus gilt ein getuntes E-Bike nicht mehr als Fahr­rad, bräuchte also ein Kenn­zeichen und eine Versicherung. Kommt es zu einem Unfall oder fällt ein getuntes Rad zum Beispiel bei einer Verkehrs­kontrolle auf, wird es richtig bitter: Denn man begeht eine Straftat, Frei­heits­strafen von bis zu einem Jahr sind möglich. Außerdem zahlt die private Haft­pflicht­versicherung in der Regel nicht für entstandene Schäden.

4. Helm tragen

Ein Helm ist für alle sinn­voll. Ganz besonders für Menschen ab 45 Jahren, egal, ob sie Rad oder Pedelec fahren. Im Alter sind Gefäße im Gehirn weniger elastisch, hinzu kommen bei vielen blut­verdünnende Medikamente. Beides erhöht beim Sturz das Risiko schwerer Hirn­verletzungen.

Empfehlens­werte Helme finden Sie in unserem Fahrradhelm-Test. Für die schnel­leren S-Pedelecs reicht ein normaler Fahr­radhelm nicht – welche Spezialhelme gut sind, steht im Partnertest der S-Pedelec-Helme.

5. Lang­sam an das Fahr­verhalten gewöhnen

Ein E-Bike ist kein normales Fahr­rad. Um sich ans Fahr­verhalten heran­zutasten sind organisierte Fahr­sicher­heits­trainings optimal. Bei ihnen werden Gefahrensituationen unter Anleitung geübt.

Gibt es bei Ihnen in der Nähe keine organisierten Trainings können Sie aber auch selbst­ständig üben. Probieren Sie doch folgende Übungen auf einem Park­platz aus – sie können den Umgang mit dem Pedelec spielerischer und so oft auch sicherer machen.

  • Fahren Sie eine Strecke so lang­sam wie möglich und schulen Sie so Ihre Balance.
  • Stellen Sie zwei Gegen­stände, zum Beispiel zwei Flaschen, mit einigen Metern Abstand auf und fahren Sie Achten. Klappt das gut, können Sie die Gegen­stände enger zusammen­stellen und engere Achten fahren.
  • Wieder­holen Sie diese Übungen mit schweren Pack­taschen am Gepäck­träger.

6. Bremsen trainieren

Bremsen ist kinder­leicht, oder? Keineswegs, denn der Bewegungs­ablauf einer Voll­bremsung ist hoch­komplex: Vorder- und Hinterradbremse bedienen, Po nach hinten, vorn das Körpergewicht abstützen, sicher stehen – und das blitz­schnell, aber nicht in Panik.

Eine Voll­bremsung bedarf Übung, die aber nur wenige aktiv angehen. Folgende Übung können Sie auf einem Park­platz oder in einem verkehrs­beruhigten Bereich ausprobieren:

Markieren Sie mit Klebeband oder Kreide zwei Linien mit wenigen Metern Abstand. Fahren Sie dann mit zügigem Tempo auf die Linien zu. Beginnen Sie den Brems­vorgang bei der ersten Linie und versuchen Sie, bis zur zweiten zum Stehen zu kommen. Wieder­holen Sie das so lange, bis Sie sicher sind. Dann können Sie die Übung mit näher zusammen liegenden Linien wieder­holen. So tasten Sie sich lang­sam an die Voll­bremsung heran und lernen, wie Ihr Fahr­rad reagiert.

7. Umsichtig fahren und sicht­bar machen

Fahren Sie umsichtig und gehen Sie stets davon aus, dass andere Verkehrs­teilnehmer Sie nicht oder erst zu spät wahr­nehmen. Auffällige Kleidung hilft insbesondere in der dunklen Jahres­zeit, auf sich aufmerk­sam zu machen.

Ganz besonders vorsichtig sollten Sie sein, wenn Sie ein Pedelec haben, auf dem Sie aufrecht und komfortabel sitzen oder wenn Sie ein S-Pedelec fahren: In beiden Fallen ist die Gefahr groß, dass andere Verkehrs­teilnehmer Ihre Geschwindig­keit völlig falsch einschätzen. Das birgt Unfall­gefahr, zum Beispiel wenn diese rechts abbiegen.

8. E-Bike regel­mäßig warten

Bremse, Kette, Reifen – damit Ihr E-Bike sicher bleibt, müssen Sie sich regel­mäßig darum kümmern oder es zur Wartung in die Fahr­radwerk­statt bringen. Was es zu tun gibt, haben wir in unserem Special Fahrradreparatur und -wartung kurz zusammengefasst und ausführ­lich im Buch Fahrradreparaturen aufgeschrieben. Wenn Sie zu den hartgesottenen Winter­radlern gehören, ist es besonders wichtig, dass Sie Ihr Fahrrad oder E-Bike winterfit machen.

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