Über­wachung im Internet So werden Sie getrackt – 10 Techniken jenseits von Cookies

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Über­wachung im Internet - So werden Sie getrackt – 10 Techniken jenseits von Cookies

Lesen und lesen lassen. Über das Handy lesen Firmen viele Informationen über Nutze­rinnen und Nutzer aus. © Shutterstock

Cookies kennt fast jeder. Doch welche weiteren Methoden setzen Firmen ein, um Menschen on- und offline zu tracken? Und belauschen sie uns per Handy? test.de klärt auf.

Im Anfang war der Cookie. Diese klassische Methode der Über­wachung im Internet ist vielen Menschen ein Begriff: Beim Besuch von Websites werden unbe­merkt kleine Dateien auf dem Rechner abge­legt, die beim nächsten Aufruf der jeweiligen Seite dafür sorgen, dass die Nutzerin oder der Nutzer wieder­erkannt wird. Da Cookies immer stärker politisch reguliert wurden, kamen Alternativen wie das Fingerprinting auf: Hierbei wird der Surfer anhand von Hard- und Software-Merkmalen seines Geräts identifiziert – etwa über die Display­auflösung, den freien Speicher­platz und den Geräte­namen.

Von anderen Techniken wie Audio Beacons, Voice Printing oder Bluetooth-Tracking haben bislang jedoch nur die wenigsten gehört. Wir erklären zehn solcher Methoden, die Firmen einsetzen können, um im Netz oder im realen Leben Daten über Menschen zu sammeln. Und zum Schluss gehen wir noch auf eine immer wieder­kehrende Frage ein: „Hört mich mein Handy ab?���

Tipp: Wie Sie sich vor Tracking im Internet schützen, lesen Sie in unserem Special „Privatsphäre im Netz“ und in unserem Buch „Spurlos im Internet“.

1. Audio Beacons

Über­wachung im Internet - So werden Sie getrackt – 10 Techniken jenseits von Cookies

Unerhört. Handys können Audio­signale vom Fernseher empfangen, die für Menschen nicht hörbar sind. © Getty Images / Leonardo Patrizi

Audio Beacons sind für Menschen meist unhör­bare Schall­signale, mit denen Nutzer über mehrere Geräte hinweg getrackt werden können. Ein Beispiel: Eine Supermarkt­kette schaltet TV-Werbespots, die versteckte Tonsignale enthalten. Der Fernseher strahlt sie während des Spots aus – der Nutzer kann sie nicht wahr­nehmen, sein Handy hingegen schon. Befindet er sich ein paar Tage später in der Nähe einer Filiale derselben Kette, werden ihm auf dem Handy Werbeanzeigen des Supermarkts einge­blendet.

2. Internet der Dinge

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Schlaue Entscheidung? Smartwatches sammeln Daten, die einiges über die Gesundheit der Trägerinnen und Träger aussagen. © IMAGO

Nicht nur Computer und Handys sammeln Daten, sondern auch das „Internet der Dinge“ – also mit dem Internet verbundene Geräte wie Fernseher, WLan-Boxen mit Sprach­assistent, smarte Türklingeln, Staubsauger-Roboter, Smartwatches, vernetztes Spielzeug, Sex Toys oder Herz­schritt­macher. Je nach Gerät kann es sich dabei um Suchanfragen, biome­trische Daten (Sprach­eingaben, Finger­abdrücke, Iris-Scans), Gesund­heits­daten, Fotos und Videos sowie um Informationen zum Film- und Musik­geschmack oder den sexuellen Präferenzen handeln.

3. Maus und Tastatur

Websites und Programme können so gestaltet werden, dass sie alle Mausbewegungen, Klicks und Tastatur­anschläge erfassen. Das ermöglicht den Anbietern, extrem detailliert zu analysieren, wie ihre Platt­form genutzt wird, bei welchen Inhalten Nutzer verweilen und welche sie über­springen. Solche Techniken könnten aber auch von Unternehmen einge­setzt werden, um ihre Angestellten bei der Arbeit zu überwachen – oder von Kriminellen, die Pass­wörter abfischen wollen.

4. Login-Pflicht

Da der Einsatz von Cookies und anderen Webtracking-Technologien immer weiter reguliert wird, setzen viele Portale inzwischen auf eine denk­bar einfache Art der Nutzer­verfolgung: Sie geben die Informationen ihrer Websites und Apps nur für einge­loggte Nutzer frei. Viele Platt­formen bieten auch sogenannte Single-Sign-on-Lösungen an: Besucher können sich über ihr Google-, Apple- oder Facebook-Konto anmelden. Dadurch erhalten neben dem jeweiligen Website- oder App-Betreiber auch die Internet-Giganten Daten über das Nutzer­verhalten.

5. Bluetooth

Der Stand­ort eines Handys wird oft über GPS ermittelt, also die globale Positions­bestimmung per Satellit. Doch die Nahfunk­technik Bluetooth ist in vielen Fällen präziser – daher auch die Vielzahl an Bluetooth-Trackern zum Finden verloren­gegangener Gegen­stände. Manche Geschäfte setzen Bluetooth-Tracking ein, um die Laufwege und das Einkaufs­verhalten ihrer Kund­schaft zu erforschen und zielge­richtete Werbung einblenden zu können. Damit das klappt, müssen die Kunden oft eine App des jeweiligen Anbieters installieren – die Märkte schaffen dazu Anreize, etwa mit Rabatten oder Sonder­angeboten für App-Nutzer.

6. Google Topics

Google will den Einsatz von Cookies im Browser Chrome deutlich reduzieren und auf andere Tracking-Techniken umsteigen. Der aktuell prominenteste Ansatz heißt Topics: Dabei geht es darum, Nutzern aufgrund ihrer Surf­historie bestimmte Interessen zuzu­ordnen. Anbieter können diese Interes­senprofile dann abrufen und passende Werbung einblenden. Wichtigster Unterschied zur bisherigen Nutzer­verfolgung: Das Sammeln der Daten soll primär lokal, also auf dem Handy oder Computer des jeweiligen Nutzers geschehen – nicht auf Servern von Firmen.

7. Gesichts­erkennung

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Gesichtet. Einige Firmen sammeln Gesichts­bilder, um Daten­banken damit zu füttern. © Alamy / Volodymyr Shtun

Über­wachungs­kameras sind nichts Neues: Neben staatlichen Stellen setzen auch viele Geschäfte sie ein. Immer mehr Kameras verwenden dabei aber Algorithmen zur Gesichts­erkennung. Dadurch – und durch gezieltes, mitunter illegales Downloaden von Gesichts­fotos aus dem Internet – wachsen nach und nach Foto- und Video-Daten­banken an, mit denen sich viele Aktivitäten eines Individuums nach­voll­ziehen lassen. Die mit der Corona-Pandemie auftauchenden Gesichts­masken stellten zunächst eine Heraus­forderung für die Algorithmen dar – inzwischen haben die Masken dazu beigetragen, die Algorithmen noch effektiver zu machen.

8. Stimm­erkennung

Per Finger­abdruck oder Iris-Scan können wir schon lange Handys entsperren oder Accounts öffnen. Bald sollen Geräte und Dienste uns auch an unserer Stimme erkennen können – einem weiteren biome­trischen Merkmal. Für dieses sogenannte „Voice Printing“ sind aber noch einige recht­liche und tech­nische Probleme zu lösen: Wer darf unter welchen Umständen Sprach­aufnahmen anfertigen? Und wie lassen sich Fälschungen und Imitations­versuche heraus­filtern?

9. Geräte-IDs

Jedes Handy und jeder Computer hat diverse Identifikations­nummern, anhand derer es sich wieder­erkennen lässt. Zu den am häufigsten ausgelesenen IDs zählt die sogenannte Werbe-ID: Bei Android-Handys heißt sie „Ad-ID“, bei iPhones IDFA. Zwar können Nutzer sie mit etwas Aufwand zurück­setzen oder löschen (Android) oder vor App-Anbietern verbergen (iOS). Aber gerade deshalb versuchen viele App- und Website-Betreiber, Personen anhand anderer Geräte-IDs oder alternativer Tracking-Techniken wie Fingerprinting zu identifizieren.

10. Zählpixel

Zählpixel sind oft unsicht­bare oder gut versteckte Grafiken – zum Beispiel ein einzelner weißer Pixel auf weißem Hintergrund. Wird die Grafik geladen, weiß der Betreiber, dass jemand seine Seite aufgerufen oder seine Mail gelesen hat. Welcher Nutzer das war, lässt sich häufig anhand von Geräte­daten ermitteln.

Hört mich mein Handy ab?

Eben noch hat man mit der besten Freundin über die geplante Reise auf die Kanaren geplaudert – und schon ploppen beim Surfen Werbeanzeigen für Flüge nach Gran Canaria oder Hotels auf Teneriffa auf. Hat das Handy etwa heimlich mitgehört? Theoretisch wäre das möglich, schließ­lich sind viele Apps in der Lage, das Mikrofon zu akti­vieren und menschliche Sprache zu verstehen. Mit sehr viel Aufwand könnte es sogar funk­tionieren, Menschen ganz ohne Mikro zu „belauschen“ – und zwar allein mit Daten von Bewegungs-Sensoren des Handys.

Nach­forschungen von wissenschaftlichen Institutionen, Verbraucher­schutz-Organisationen und Medien haben bislang jedoch trotz intensiven Bemühens keine Hinweise gefunden, dass Smartphones als Spionagegeräte miss­braucht werden. Für die gespens­tisch gut passenden Werbeein­blendungen gibt es in vielen Fällen ganz banale Erklärungen:

  • Surf- und Such­historie: Falls Sie in den letzten Wochen im Netz nach Reisen auf die Kanaren gesucht oder sich dazu belesen haben, dürfte das der Auslöser für die Werbeanzeigen sein. Durch Ihre Online-Aktivitäten sind Werbenetz­werke auf Ihr Interesse an den Kanaren aufmerk­sam geworden und blenden Ihnen nun deshalb passende Werbung ein.
  • Geteilte Netze oder Geräte: Ihr Kind verwendet Ihren Rechner und hat sich neulich Videos über Wale und Delfine vor Teneriffa angeschaut? Oder Sie haben zuletzt das WLan Ihrer Freunde genutzt, die vor ein paar Wochen auf den Kanaren waren? Dann bekommen Sie vermutlich deshalb die entsprechende Werbung zu sehen.
  • Selektive Aufmerk­samkeit: Die Anzeigen für Flüge auf die Kanaren könnten reiner Zufall sein. Würden sie statt­dessen Flüge nach Island bewerben, wären Ihnen die Einblendungen vermutlich gar nicht aufgefallen. Nur weil Sie sich tatsäch­lich gerade für Flüge auf die Kanaren interes­sieren, sind Sie mental über die Werbung gestolpert.
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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 02.03.2023 um 08:54 Uhr
    Audio-Beacons

    @arthur.t: Vielen Dank für Ihren Hinweis! Sie haben vollkommen recht, dass es noch mehr, noch moderne bzw. noch ausgefeiltere Tracking-Methoden gibt. Der vorliegende Artikel ist keinesfalls als allumfassende Abhandlung zum state of the art gedacht, sondern soll lediglich für Nicht-Experten einen Überblick liefern und aufzeigen, dass es "da draußen" mehr gibt als nur Cookies. Konkrete Zahlen zum Einsatz von Audio Beacons ins Apps gibt es unseres Wissens nicht - dazu wären aufwendige Untersuchungen zu Abertausenden von Apps nötig.

  • arthur.t am 28.02.2023 um 14:58 Uhr
    Audio-Beacons

    Interessant, dass ausgerechnet Audio-Beacons als erstes aufgeführt werden. Einerseits ist es heute überhaupt nicht mehr nötig, solche Beacons im Ultraschall-Bereich zu verstecken (was ohnehin sehr unzuverlässig ist, da viele Geräte diese weder senden noch empfangen können), denn die Signalverarbeitung ist schon längst soweit, dass eine z.B. abgespielte Werbung lokal eindeutig erkannt werden kann (auch bei Störgeräuschen). Andererseits ist die Technologie zumindest auf Smartphone für App-Entwickler schwer zu verwenden, da sowohl bei Android wie auch bei iOS der Zugriff aufs Mikrophon (inzwischen) klar und deutlich angezeigt wird. Haben Sie Zahlen dazu, wie häufig Audio-Beacons in der Praxis tatsächlich eingesetzt werden?