Telefonakquise Wie Verbraucher über­rumpelt werden

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Telefonakquise - Wie Verbraucher über­rumpelt werden

© Getty Images / Westend61

Die Wohnungs­baugenossenschaften Genokap und Protectum bieten telefo­nisch Verträge für vermögens­wirk­same Leistungen (VL) an. Wer nicht aufpasst, hat eine riskante Unter­nehmens­beteiligung am Hals. Finanztest schildert die dubiose Masche und sagt, was betroffene Verbraucher tun können.

Plötzlich ein Vertrag über vermögens­wirk­same Leistungen

Telefonakquise - Wie Verbraucher über­rumpelt werden

Rosemarie Riedl wurde auf dem Handy angerufen. Wenig später war sie Mitglied der Genossenschaft Genokap. © B. Huber

Rosemarie Riedl wundert sich, dass ihr Arbeit­geber seit Mai 2015 jeden Monat 40 Euro für einen Vertrag über vermögens­wirk­same Leistungen (VL) vom Gehalt abzieht. Sie hat sich doch noch gar nicht für ein Spar­angebot entschieden, mit dem sie Zuschüsse von Arbeit­geber und Staat einstreichen kann – denkt sie jedenfalls. Ihr Arbeit­geber legt ihr ein Schreiben der Genokap Wohnungs­baugenossenschaft aus Groß­wall­stadt vor. Darin steht: „Ich, Rosemarie Riedl, beantrage“, die vermögens­wirk­samen Leistungen auf „mein Einlagen­konto“ bei Genokap zu über­weisen. Die VL dienen also dazu, Anteile an der Genossenschaft zu erwerben und sich somit an dem Unternehmen zu beteiligen. „Auftrag und Voll­macht erteilt am 23.04.2015 durch telefo­nische Aufzeichnung“, fügt Genokap hinzu und verweist auf eine Audio-Datei.

Sie hat doch nichts unter­schrieben

Genokap? Nun erinnert sich Riedl an einen Anrufer, der ihr am Handy VL-Verträge dieser Genossenschaft vorgestellt hat. „Ich habe aber wegen der schlechten Verbindung wenig verstanden.“ An Telefon­nummern kommen die Werber zum Beispiel über Gewinn­spiele oder Umfragen im Internet. Teilnehmer stimmen per Klick zu, dass Sponsoren wie Genokap sie telefo­nisch oder per E-Mail über Angebote informieren können. Informieren will sich Riedl ja. Sie wundert sich aber, denn sie hat doch nichts unter­schrieben!

Keine Unter­schrift notwendig

Das hält die Genossenschaft auch nicht für nötig, um Mitglied zu werden. „Unsere Gespräche werden ja mit Ihrem Einverständnis aufgezeichnet und Ihnen wird das Wesen der Mitgliedschaft erläutert“, heißt es dazu auf den Internet­seiten der Genossenschaften Genokap und Protectum Moderne Wohnungs­baugenossenschaft aus Groß­wall­stadt, die beide sehr ähnlich auftreten.

„Freiwil­liges Rück­tritts­recht“

„Zu Ihrer Sicherheit und Ihrem besseren Verständnis erhalten Sie Ihre Mitglieds­unterlagen nochmals per Einschreiben“, so erläutern sie. Damit es sich die Mitglieder noch einmal über­legen können, gewähren sie laut Antwort von Protectum auf eine Finanztest-Anfrage ein „14-tägiges freiwil­liges Rück­tritts­recht“. Genokap antwortete nicht. Die Frist kann ungenutzt verstreichen, wenn Verbraucher verreist, krank oder beschäftigt sind. Viele rechnen nicht damit, ohne Unter­schrift einen VL-Vertrag abzu­schließen oder Genossen zu werden.

Voll­macht am Telefon erteilt

Das Genossen­schafts­gesetz schreibt eine schriftliche Erklärung vor. Beitritts­willige können aber jemanden bevoll­mächtigen, für sie zu unter­schreiben. Das geht auch mündlich. Genokap etwa verwies darauf, Riedl habe die Voll­macht telefo­nisch erteilt. Angerufene erkennen aber am Telefon unter Umständen nicht einfach, dass und wofür genau sie gerade eine Voll­macht erteilen. Sie können in einer Anlageform landen, die zu riskant für sie ist.

Risiken als Mitunternehmer

Auf Youtube stellen die Genossenschaften ihr Angebot zwar als „sicher“ dar und rechnen vor, welchen Auszahlungs­anspruch Mitglieder durch eigene Einzahlung, hohe Förderung und Dividende erreichen. Tatsäch­lich kann ihr Anspruch aber deutlich nied­riger sein, denn er hängt vom Wert ihres Genossen­schafts­anteils ab. Protectum bezeichnet die Darstellung auf Nach­frage als „Rechenbei­spiel“. Beide Genossenschaften legen einen Schwer­punkt auf Bauprojekte. Dieses Geschäft ist riskanter als das Vermieten eigener Immobilien.

Verbraucherzentrale warnt

Gabriele Schmitz von der Verbraucherzentrale Hamburg warnt: „Es handelt sich um eine Gesell­schafts­beteiligung. Die Mitglieder tragen alle Verluste bis zur Höhe der vertraglich über­nommenen Einlage.“ Protectum teilt mit, es habe sich gezeigt, „dass telefo­nisch geworbene beitritts­willige Mitglieder aufgeklärter sind als Mitglieder, die zum Beispiel über Versicherungs­agenturen geworben wurden“.

Warten auf die Bilanz

Als Rosemarie Riedl bewusst wird, dass sie nun Genossin ist, kündigt sie. Genokap schickt ihr eine Über­sicht: Riedls Einzahlungen decken noch nicht einmal das „Eintritts­geld“ von angeblich 816 Euro ab. Erst wenn diese Aufnahme­gebühr in Höhe von 10 Prozent der Zeichnungs­summe beglichen ist, fließt Geld in Genossen­schafts­anteile. Nun muss Riedl warten. Bis Ende 2021 ist sie Mitglied, die Kündigungs­frist beträgt fünf Jahre. Genokap kündigt an, ihr Guthaben, „soweit ein solches besteht“, werde frühestens im Folge­jahr nach der Fest­stellung und Genehmigung der Bilanz ausgezahlt.

Brief nicht zugegangen?

Bleibt noch ein Punkt: „Ich habe die Mitglieds­unterlagen nie bekommen“, sagt Riedl. Protectum erklärt: Wenn Mitglieder behaupteten, keine Unterlagen bekommen zu haben, hielten sie die Einschreiben „meistens für Werbung“ und entsorgten sie. „Wir konnten jedoch in allen Fällen die Zustellung nach­weisen“, behauptet die Genossenschaft und bietet an, solche Mitglieder mit ihrer Zustimmung zum Jahres­ende auszuschließen. Dann würden „keine weiteren Beiträge fällig“.

Besser zum Anwalt gehen

Bereits bezahltes Geld sei bei einer unternehmerischen Beteiligung wie einer Genossenschaft schwer zurück­zuholen, erklärt Verbraucherschützerin Schmitz und rät, „sofort die Zahlungen zu stoppen und recht­liche Beratung in Anspruch nehmen“. Riedl hat einen Rechts­anwalt einge­schaltet.

Fazit: Riskantes Angebot

Wir setzen Genokap und Protectum auf unsere Warnliste Geldanlage: Ihr Angebot ist nicht sicher. Der Verzicht auf eine Unter­schrift der Verbraucher birgt die Gefahr, dass diese sich unbe­wusst auf Jahre unternehmerisch beteiligen und erhebliche Risiken tragen.

Tipp: Sie wollen einen VL-Vertrag abschließen, wissen aber noch nicht welche Sparform die richtige ist: Bank­sparplan, Bauspar­vertrag, Tilgung eines Baukredits, Aktienfonds­sparplan? Wir haben Angebote für alle Sparformen getestet: Vermögenswirksame Leistungen, Finanztest 9/2016.

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • joe76 am 23.12.2016 um 10:21 Uhr
    nicht jeden Telefonanruf annehmen

    Wenn im Display des Telefons eine unbekannte Telefonnummer oder gar keine Telefonnummer erscheint, wird der Anruf gar nicht erst angenommen. -
    Wer etwas wichtiges mitteilen will, kann dann auf den Anrufbeantworter sprechen. Dann kann man in Ruhe die Nachricht abhören und sich überlegen, ob man reagiert. -
    Hinterlässt der Anrufer nicht seinen Namen und Grund des Anrufs, wird grundsätzlich nicht zurückgerufen. -
    Von Werbenden wird in der Regel keine Nachricht hinterlassen. :-) -
    Wem das Telefon zu oft klingelt, kann die Klingel auf "aus" stellen und zu bestimmten Zeiten nachsehen, ob jemand angerufen hat. -
    Dasselbe Verfahren kann man bei eingehenden Emails machen.

  • Gelöschter Nutzer am 20.12.2016 um 13:47 Uhr
    @Antefix

    Ich kann ihre Empörung verstehen und teile sie teilweise. Dennoch bleibt es für mich dabei: Wer keine telefonischen Geschäfte abschließen möchte, legt einfach auf, wenn er einen entsprechenden Anruf bekommt.

  • Antefix am 14.12.2016 um 11:42 Uhr
    Telefonische Anmache? Grundsätzlich verbieten!

    Die ganze komplizierte StiWa-Ablaufdarstellung des Falls schreit doch danach, telefonisch-gewerbliche, insbesondere mobiltelefonische Akquise gesetzlich nicht nur gem. UWG einzuschränken, sondern grundsätzlich immer auch zu ahnden, wenn sie nicht innerhalb von zwei Wochen nachträglich in allen Einzelheiten schriftlich einwandfrei gegenbestätigt worden ist. So lange kann ein Vertragsbeginn bzw. eine Laufzeit immer warten !
    Hatte gerade einen Anruf mit [echter?] Rufnummeranzeige von FORSA. "Sie kennen uns doch? Wir hätten gern Ihre Meinung bei unserer neuen Telefonumfrage!". -- Nein danke, seitdem aus solchen Antworten z.B. "ja, da stimme ich zu" herausgeschnitten und später anderen Fragen und Angeboten zugeschnitten werden können, wird Telefonwerbung per se kriminell bzw. hier: "Nicht empfehlenswert".