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Graumarkt. Im Falle des Containerdienstleisters P&R sorgte die Insolvenz bei 54 000 Anlegerinnen und Anlegern für Verluste von rund 2,5 Milliarden Euro. © picture alliance / CFOTO
Eine Studie im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) durchleuchtet den Grauen Kapitalmarkt, kommt zu drastischen Ergebnissen. Gefordert wird ein Verbot.
Der Wilde Westen
Den Grauen Kapitalmarkt dominieren waghalsige Finanzprodukte. Er gilt deswegen auch als eine Art „Wilder Westen der Vermögensanlagen“: kaum reguliert und nur oberflächlich beaufsichtigt. Besonders gut klingende Investments mit überdurchschnittlichen Renditeversprechen locken Bürgerinnen und Bürger – oftmals in eine Falle. Denn in der Regel zeichnen sich diese Produkte eher durch mangelnde Transparenz, enorme Verlustrisiken und eine mitunter kaum vorhandene Möglichkeit aus, sie auch wieder zu verkaufen.
Kaum regulierter Sektor
„Insbesondere besteht für die Emittenten keine Erlaubnispflicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Es gelten lediglich die Regeln des Vermögensanlagengesetzes (VermAnlG)“, so die Kritik des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), der deswegen eine Marktstudie in Auftrag gab.
70 Prozent des Marktes untersucht
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© Stiftung Warentest
Die Studie „Bewertung aktueller Investments auf dem Grauen Kapitalmarkt“ nimmt die zehn größten Anbieter des Segments Grauer Kapitalmarkt im Zeitraum zwischen 2015 bis 2020 unter die Lupe. Zusammen machen sie mit ihren Vermögensanlagen etwa 70 Prozent des Marktes aus. Erstellt hat die Studie der Finanzexperte Stefan Loipfinger.
Verbot gefordert
Die Ergebnisse veranlassten den vzbv zu der Forderung, den aktiven Vertrieb solcher Anlagen durch Banken, Sparkassen und Finanzanlagevermittler an Verbraucher grundsätzlich zu verbieten, sagt Dorothea Mohn, Finanzexpertin des Verbands. Es müsse das Haftungsprinzip auf die tatsächlich verantwortlichen Personen und Gesellschaften anwendbar sein, dürfe nicht auf kapitalarme Zweckgesellschaften abgewälzt werden können. Die Verjährungsfrist für Falschberatung durch Banken, Sparkassen und Anlagevermittler müsse sich auf 20 Jahre verdoppeln.
Frühindikatoren in Bilanz
Die Studie bemängelt unter anderem, dass regelmäßig geltende Regularien ausgehebelt werden. Dabei zeigen sich systematische Mängel, die im Umkehrschluss auch als Frühindikatoren problematischer Vermögensanlagen angesehen werden können. Etwa bei viel zu spät veröffentlichten Bilanzen, worauf auch Recherchen der Stiftung Warentest hinweisen.
Ausgehebelte Regeln
Darüber hinaus identifiziert die Studie intransparente Rechnungslegungen, dürftige Prospektqualität der Anlagen und ein offenbar unwirksames „Blind-Pool-Verbot“. Die Regelung wurde 2021 mit dem „Gesetz zur weiteren Stärkung des Anlegerschutzes“ eingebracht und von der BaFin als Merkblatt formuliert. Das Verbot sollte dafür sorgen, dass Anlegerinnen und Anleger vorher wissen, in welche Produkte sie investieren.
Schlechte Kontrolle
Passenderweise hapert es auch an der Mittelverwendungskontrolle im Grauen Kapitalmarkt, die ebenfalls erst mit neuer Vorschrift im Vermögenanlagegesetz (§ 5c VermAnlG) formuliert wurde. Die Studie nennt ein Beispiel aus der Containergruppe Solvium, bei dem es keine Mittelverwendungskontrolle gibt. Solvium argumentiert, diese sei nicht nötig. Stiftung Warentest hatte zuvor Produkte der Gesellschaft auf die Warnliste Geldanlage gesetzt.
Unwirksame Gesetze
Die strukturellen Probleme im Grauen Kapitalmarkt sind also eher die Regel als die Ausnahme. Die Einführung des Kapitalanlagengesetzbuches (KAGB) führten dazu, dass mittlerweile vor allem Genussrechte und Namensschuldverschreibungen sowie partiarische Darlehen und Nachrangdarlehen als Instrumente zum Einsatz kommen. Laut Studienautor Loipfinger handele es sich dabei weniger um konkrete Sachanlagen als vielmehr um Finanzkonstrukte.
Weitere Skandale programmiert
Im Zweifel werden Anlegerinnen und Anleger im Falle einer Insolvenz bei vielen Vermögensanlagen nachrangig behandelt. „Das Vermögensanlagengesetz ist leider noch weit von einem ausreichenden Anlegerschutz entfernt. Aufgrund enormer struktureller Defizite sind die nächsten Skandale programmiert“, so Loipfinger zu Finanztest. Im Falle des Containerdienstleisters P&R sorgte die Insolvenz bei 54 000 Anlegerinnen und Anlegern für Verluste von rund 2,5 Milliarden Euro.
Irreführung der Anlegerinnen
Den Markt für Vermögensanlagen dominieren laut vzbv-Studie Finanzkonstrukte, bei denen sich eigens gegründete Zweckgesellschaften über nachrangiges Fremdkapital der Anleger finanzieren. Dieses Kapital werde dann an die eigentlich wirtschaftlich handelnde Projektgesellschaft weitergeleitet, die damit etwa Sachwerte wie Container erwirbt. Die Anlegerinnen finanzieren auf diese Weise meist „nur eine leere Unternehmenshülle und haben kein direktes Eigentum an den Sachwerten, obwohl genau dieses Eigentum bei der Vermarktung regelmäßig im Mittelpunkt steht“.
Kaum Eigenkapital
Die mangelnde Kontrolle korrespondiere mit geringen Eigenkapitalquoten von teilweise unter 0,1 Prozent auf Ebene der Projektgesellschaften. Verbraucherinnen und Verbraucher hafteten im Insolvenzfall vollständig, blieben aber bei der Rendite auf den vereinbarten Darlehenszins beschränkt.
Hinweis zur Warnliste Geldanlage der Stiftung Warentest
Die Warnliste Geldanlage listet alle Unternehmen, Geldanlageangebote und Dienstleistungen der vergangenen zwei Jahre auf, die die Stiftung Warentest negativ bewertet hat. Sie lässt sich kostenlos im Format PDF herunterladen. Sie umfasst mehrere Seiten und wird in der Regel einmal im Monat aktualisiert. Wenn zwei Jahre vergangen sind, werden Einträge gelöscht, wenn in der Zwischenzeit nicht erneut negativ berichtet wurde. Einträge, die älter als zwei Jahre sind und ohne Folgeberichterstattung blieben, sind ab dann nicht mehr auf der aktuellen Warnliste zu finden.
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Die Studie des Journalisten Loipfinger hat schon in der Anlage einen gravierenden Fehler. Sie befasst sich u.a. mit 3 Anbietern, die schon lange vom Markt verschwunden sind, und zwar deshalb, weil die Regulierungen des Vermögensanlagengesetzes von 2015 gewirkt haben. Bei anderen Anbietern wird zwar vor Gefahren gewarnt, es gab aber bisher keine Zahlungsverzögerungen.
Anbieter von Vermögensanlagen müssen ausführliche Prospekte vorlegen. Ein vor kurzem von der BaFin freigegebenes Produkt erläutert seine Anlage sogar auf mehr als 300 Seiten. Loipfinger kritisiert allerhand an der Genehmigungspraxis der BaFin. Ein Anbieter muss sich aber an die Merkblätter der BaFin zur Auslegung des Vermögensanlagengesetzes halten.
Die Kritik von Stefan Loipfinger ist nicht neu, er vertritt sie seit langer Zeit. Die BaFin aber bleibt ihrer Praxis treu, wohl auch, weil kaum jemand Loipfinger zustimmt. Die Anbieter von Vermögensanlagen kann die Kritik daher nicht treffen.