Analysten, „Finfluencer“ und selbst ernannte Experten preisen die Vorteile ihrer Anlage mit Einzelaktien. Warum es trotzdem besser ist, auf Aktien-ETF zu setzen.
„Wie lege ich mein Geld am besten an?“ – Auf dem Weg zur Antwort auf diese Frage kann man sich leicht verlaufen, die falschen Leute nach dem Weg fragen oder die falschen Schlüsse aus den eigenen Beobachtungen ziehen.
In einer Rubrik zum Thema Missverständnisse bei der Geldanlage wollen wir in loser Folge auf eben solche eingehen. Hier Teil 6: „Warum ETF besser sind als Einzelaktien“.
Zum Nachlesen finden Sie hier die vorangegangenen Teile:
- Teil 5: Verkaufssprüche unter der Lupe
- Teil 4: Wenn aus Nachkommastellen Tausende Euro werden.
- Teil 3: Viel zu wissen hilft nicht unbedingt viel.
- Teil 2: Anlegen auf Sicht kostet Rendite.
- Teil 1: MSCI World ETF – nur was für Einsteiger?
Einzelaktien im Fokus
Finanztest empfiehlt für die Aktienanlage weltweit anlegende, breit streuende Aktien-ETF, die wir mit 1. Wahl auszeichnen. So einen ETF meinen wir, wenn wir im Folgenden von ETF sprechen. In einer großen Frauenzeitschrift erklärte eine Finanzcoachin vor Kurzem, sie sei „kein Fan“ von ETF. Mit ihnen werde man „nicht wirklich reich“. Ihr Tipp: „Ich kaufe lieber (...) Aktien von Unternehmen, deren Produkte ich verstehe oder bestenfalls verwende“. Viele andere Influencer im Finanzbereich, sogenannte Finfluencer, handhaben es ähnlich. Ist Finanztest auf dem Holzweg?
Vorweg: Natürlich gibt es Anleger, die zum richtigen Zeitpunkt viel Geld in eine bestimmte Aktie gesteckt haben und damit reich geworden sind. Man sollte sich zur Beurteilung der optimalen Geldanlage aber nie auf einzelne Erfolgsgeschichten stützen. Diese sogenannte „anekdotische Evidenz“ ist kein Beweis für eine gute Anlagestrategie. Weil oft beobachtete Lobpreisungen auf Einzelaktien in die Irre führen können, fassen wir das Für und Wider der Einzelaktienanlage zusammen.
Wir vergleichen diese beiden Anlagephilosophien miteinander, in dem wir uns anschauen, was die Theorie sagt, was sich empirisch feststellen lässt und was die einzelnen Anlagemethoden in der Praxis bedeuten.
Die Theorie: Streuung ist wichtig
Das bekannteste und seit Jahrzehnten als Maßstab herangezogene „theoretische Kapitalmarktmodell“ aus den 60er Jahren hat erstmals mathematisch erklärt, was bis dahin beobachtet wurde, aber nicht wirklich erklärt werden konnte: dass Streuung sinnvoll ist. Das Modell stellt einen Zusammenhang zwischen Renditechance und Risiko her und zeigt, dass die beste Anlage sich nicht alleine durch die beste Rendite auszeichnet, sondern durch das beste Verhältnis von Rendite zu Risiko – und das kann nur durch breite Streuung erreicht werden.
Das spricht erst einmal nicht gegen ein Portfolio aus Einzelaktien, aber eine breite und effiziente Streuung mit Einzelaktien ist deutlich schwerer zu erreichen als mit Fonds, wie wir weiter unten ausführen werden.
Wie man eine gute Streuung erreicht
Um eine gute Streuung zu erreichen, sollten Anlegerinnen und Anleger Aktien auswählen, deren Auf und Ab möglichst unabhängig voneinander läuft. Das gelingt näherungsweise am einfachsten, wenn man Aktien verschiedener Branchen und aus verschiedenen Ländern mischt.
Aber wie viele Aktien benötigt man für eine gute Streuung? Die Theorie liefert zumindest für eine nahezu perfekte Streuung eine Antwort: „Einfach“ alle Aktien der Welt halten, wobei sie anhand ihres Marktwertes gewichtet werden. In der Praxis ist das natürlich kaum handhabbar.
Für eine gute Streuung reichen schon viel weniger Aktien, es gibt aber nicht die eine, konkrete Mindestanzahl. Ein Blick auf die Konzentration der Top-Titel ist ein Hinweis. Angenommen, jemand stellt sich ein Portfolio mit 30 Aktien zusammen, die alle gleich gewichtet sind. Die Person hat dann automatisch über 30 Prozent ihres Portfolios in ihren zehn Topaktien, denn bei gleich gewichteten 30 Aktien machen die zehn größten Titel mindestens ein Drittel des Portfolios aus. Laufen einige Aktien besser als andere, nehmen die Top-10 schnell 40 oder 50 Prozent ein. Das ist viel und die Marken können schnell erreicht werden. Zum Vergleich: Der MSCI World Index hat im März 2024 auch schon 21,5 Prozent in den Top-10 – bei 1 465 Aktien, die er umfasst. Das zeigt auch: Die kleinen Aktien sind im MSCI World wirklich nur in homöopathischen Dosen vertreten. Alle Informationen zum Welt-Aktienindex in unserem Artikel zum MSCI World.
Wer nicht mehr als 20 Prozent seines Portfolios in den Top-10 vereinigt haben will, der muss mindestens 50 Aktien halten und diese gleich gewichten, dann entfallen 2 Prozent des Portfolios auf eine Aktie. Ständig für Gleichgewichtung zu sorgen, ist allerdings aufwendig und teuer. Wer das vermeiden will, ist schnell bei 80 oder gar 100 Aktien, die er als sinnvolles Mindestmaß erachtet. Auch viele Aktienfonds begnügen sich mit 40 bis 100 Aktien. Wer mehr hält, verbessert die Streuung immer weniger.
Die Empirie: Können kann auch Glück sein
Wer in Einzelaktien investiert, geht davon aus, dass man durch gezielte Auswahl von Aktien („Stock Picking“) besser als der Markt abschneiden kann. Wie gut das professionellen Fondsmanagern gelingt, wurde immer wieder untersucht.
Dabei muss man beachten: Glück und Pech haben einen großen Einfluss auf den Anlageerfolg. Wer also einen Manager ausfindig macht, der besser abschneidet als sein Vergleichsmaßstab, etwa der MSCI World Index, hat einen fähigen Manager oder einen Glückspilz gefunden.
Die Studienergebnisse zu der Frage, ob Fondsmanager mit guter Performance nur Glück hatten oder einzelne tatsächlich auch Können gezeigt haben, sind nicht eindeutig: Im besten Fall sprechen Studien den Managern durchaus Können zu, aber die Fondskosten fressen die Mehrrendite durch Können wieder auf. Andere sehen gar keine Könner am Werk oder stellen fest, dass sich bis zum Jahr 2000 durchaus Könner zeigten, danach aber nicht mehr.
Und auch wenn manche Studien einigen Managern durchaus Können zugestehen, bleibt ein praktisches Problem: Man kann die Könner nicht von den Glückspilzen unterscheiden. Sogar der Glückpilz selbst wird sich für einen Könner halten (es sei denn, er hat seinen tollen Anlageerfolg durch bewusst zufällige Aktienauswahl erzielt).
Die Überlegenheit des Stock Pickings lässt sich empirisch bei Fonds also nicht untermauern. Ein wichtiger Faktor sind zudem die Kosten. Es ist schwer, Fondskosten von oft 1,5 Prozent oder mehr durch geschickte Aktien-Auswahl wieder reinzuholen und langfristig besser als der Markt zu sein oder besser als ein entsprechender ETF mit Kosten von 0,2 Prozent. Aber auch ohne den Kostenklotz eines gemanagten Fonds wird es ein Privatanleger in Eigenregie in den allermeisten Fällen nicht schaffen, langfristig den Markt zu schlagen – zumindest nicht bei gleichem Risiko.
Die Praxis: Handelskosten und Quellensteuern beachten
Wer es dennoch als Privatanleger mit einem Portfolio aus Einzelaktien probieren möchte, hat einiges zu beachten. Da sind zu Beginn natürlich die Handelskosten, die je nach Depotmodell bei einem Portfolio mit 40 Aktien oder mehr höher sind als bei einem einzelnen ETF-Kauf. Angebote mancher Neo-Broker machen solche Kosten heutzutage allerdings fast vernachlässigbar. Da aber eine Streuung über viele Länder enorm wichtig ist und nur wenige Auslandsaktien in Deutschland gehandelt werden, ist auch mal eine Auslandsorder nötig – falls der Broker so was überhaupt anbietet. Und dann wird es doch wieder teuer.
Tipp: Wie Sie mit einem Depot-Wechsel Hunderte Euro sparen können, zeigt unser Vergleich Wertpapierdepots.
Privatanleger haben vielfach auch die Möglichkeit, sich Quellensteuer zurückzuholen, wenn sie auf ausländische Aktiendividenden anfällt. Das ist aber sehr mühsam und kann Jahre dauern. Viele machen so was erst gar nicht – das kostet aber Rendite. Ein Fonds hingegen erledigt das für die Anleger. Auch wenn ein Fonds nicht immer die gleiche, manchmal niedrigere Quellensteuer eines Privatanlegers zahlt, so versuchen sie dennoch oft, diese im Sinne der Anleger so weit es geht zu optimieren. Gerade extrem gut vergleichbare ETF können es sich kaum erlauben, dort Renditen liegen zu lassen, auch wenn es nur 0,1 Prozent pro Jahr sein sollten.
Tipp: Wie Anleger sich die Abzüge durch die Quellensteuer zurückholen können, steht in unserem Artikel Quellensteuer auf ausländische Aktien.
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Fazit: Einzelaktien nur als Beimischung
Es gibt viele objektive Gründe, die gegen ein Portfolio aus Einzelaktien sprechen. Wir empfehlen es deshalb nicht. Zusätzlich zu einem Welt-Aktien-ETF können Anlegerinnen und Anleger sie aber beimischen. Andere Anleger, die Einzelaktien als den Königsweg anpreisen, liegen schlicht falsch. Man kann mit Einzelaktien erfolgreich sein, aber eine überlegene Anlage sind sie weder theoretisch noch empirisch, noch in der Praxis.
In unserer Fondsdatenbank finden Anlegerinnen und Anleger Welt-Aktien-ETF, die wir als Basisanlage empfehlen.
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- Finanztest hat Wertpapierdepots von Leserinnen und Lesern analysiert. Aus den Ergebnissen lassen sich Tipps für alle ableiten. Wir zeigen, wie der Depotcheck geht.
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- 2023 war aus Anlegersicht ein gutes Jahr: Der Weltaktienmarkt legte um gut ein Fünftel zu, und auch die anderen Anlageklassen brachten eine positive Wertentwicklung.
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- Der Jahreswechsel ist ein guter Zeitpunkt, die eigenen Geldanlagen zu überprüfen. Absolute Euro- oder Prozentwerte sagen zu wenig. Wir liefern den passenden Maßstab.
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@Rentenberater10: Gerne stellen wir klar: Wir wollen keinem den Spaß an Einzelaktien rauben. Wir hier sind selbst börsenbegeistert genug, um zu verstehen, dass Einzelaktien vielen Anlegern Spaß machen. Aber: Wenn es nicht um den Spaß an der Aktienauswahl geht, raten wir Otto-Normal-Anleger nach Abwägen der Vor- und Nachteile ETF zu nutzen.
@napierde: Streng genommen haben Sie recht. Die Börse Frankfurt weist ca. 13 000 Auslandsaktien aus, LS Exchange bietet ca. 6 700 zum Handel an. Aber liquide handeln kann man nur einen Bruchteil. Viele sind gar nicht handelbar oder nur mit Geld-Brief-Spannen, die als prohibitiv angesehen werden müssen (auch mal 15 %). Ein großer Teil sieht höchstens eine Order pro Woche. Die Market Maker hier an der Börse brauchen für eine gute Preisstellung einen liquiden Markt, was in der Regel die Heimatbörse der Aktie ist. Wenn die geschlossen ist (Zeitverschiebung) oder auch dort kaum gehandelt wird, kann bei der Kursstellung hier auch nicht gezaubert werden. Größere Aktien werden an verschiedenen Börsen 24h gehandelt, das hilft dann auch der Preisbildung hier.
Kurz: Zwischen "Aktie kann ich handeln" und "Aktie kann ich liquide handeln" ist ein großer Unterschied. Deshalb ist es kein Selbstläufer hier sinnvoll in Auslandsaktien aus der 2. Reihe anzulegen.
Alleine diese Aussage:"Da aber eine Streuung über viele Länder enorm wichtig ist und nur wenige Auslandsaktien in Deutschland gehandelt werden, ist auch mal eine Auslandsorder nötig – falls der Broker so was überhaupt anbietet. Und dann wird es doch wieder teuer." In über 30 Jahren an der Börse habe ich noch nie eine Auslandsorder vornehmen müssen. Alle Aktien die ich wollte habe ich an Deutschen Börsen bekommen - und seit neuestem bei Scalable Capital ist ohnehin nahezu alles günstig. Die fast "mantrahafte" Empfehlung von ETF und das "substanzlose" ablehnen von Einzelaktien sind schon bemerkenswert. Man muß keine "gemänetschten Fonds" kaufen. Seit über 30 Jahren habe ich persönlich sehr gute Erfahrungen mit meinen Einzelaktien gemacht - ich benötige keine Fonds ob ETF oder andere. Der Bürger ist nicht so d..... wie manche Medien ihn gerne sehen. Schade dass dieser Artikel nicht wirklich auf das Halten von Einzelaktien eingeht.
"Da aber eine Streuung über viele Länder enorm wichtig ist und nur wenige Auslandsaktien in Deutschland gehandelt werden, ist auch mal eine Auslandsorder nötig – falls der Broker so was überhaupt anbietet. Und dann wird es doch wieder teuer."
Hallo Artikel-Verfasser!
Wie ist das gemeint?
Bei der Mehrzahl meiner Broker sind viele "Auslandsaktien" selbstverständlich (auch an inländischen Börsen handelbar) und oft sogar per Aktiensparplan besparbar. Beispiele: Trade Republic und Scalable Capital.
Ich bitte um Aufklärung.
Freundliche Grüße
nap