Streuung bei der Geld­anlage Sind Einzel­aktien besser als ETF?

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Streuung bei der Geld­anlage - Sind Einzel­aktien besser als ETF?

Tesla. Die Aktie des E-Auto-Herstel­lers ist seit 2020 stark gestiegen und bei Anlegern beliebt. © Alamy Stock Photo / Bob Henry

Analysten, „Finfluencer“ und selbst ernannte Experten preisen die Vorteile ihrer Anlage mit Einzel­aktien. Warum es trotzdem besser ist, auf Aktien-ETF zu setzen.

„Wie lege ich mein Geld am besten an?“ – Auf dem Weg zur Antwort auf diese Frage kann man sich leicht verlaufen, die falschen Leute nach dem Weg fragen oder die falschen Schlüsse aus den eigenen Beob­achtungen ziehen.

In einer Rubrik zum Thema Miss­verständ­nisse bei der Geld­anlage wollen wir in loser Folge auf eben solche eingehen. Hier Teil 6: „Warum ETF besser sind als Einzel­aktien“.

Zum Nach­lesen finden Sie hier die voran­gegangenen Teile:

Einzel­aktien im Fokus

Finanztest empfiehlt für die Aktien­anlage welt­weit anlegende, breit streuende Aktien-ETF, die wir mit 1. Wahl auszeichnen. So einen ETF meinen wir, wenn wir im Folgenden von ETF sprechen. In einer großen Frauen­zeit­schrift erklärte eine Finanzcoachin vor Kurzem, sie sei „kein Fan“ von ETF. Mit ihnen werde man „nicht wirk­lich reich“. Ihr Tipp: „Ich kaufe lieber (...) Aktien von Unternehmen, deren Produkte ich verstehe oder bestenfalls verwende“. Viele andere Influencer im Finanz­bereich, sogenannte Finfluencer, hand­haben es ähnlich. Ist Finanztest auf dem Holzweg?

Vorweg: Natürlich gibt es Anleger, die zum richtigen Zeit­punkt viel Geld in eine bestimmte Aktie gesteckt haben und damit reich geworden sind. Man sollte sich zur Beur­teilung der optimalen Geld­anlage aber nie auf einzelne Erfolgs­geschichten stützen. Diese sogenannte „anekdotische Evidenz“ ist kein Beweis für eine gute Anla­gestrategie. Weil oft beob­achtete Lobpreisungen auf Einzel­aktien in die Irre führen können, fassen wir das Für und Wider der Einzel­aktien­anlage zusammen.

Wir vergleichen diese beiden Anlagephi­losophien miteinander, in dem wir uns anschauen, was die Theorie sagt, was sich empirisch fest­stellen lässt und was die einzelnen Anlage­methoden in der Praxis bedeuten.

Die Theorie: Streuung ist wichtig

Das bekann­teste und seit Jahr­zehnten als Maßstab heran­gezogene „theoretische Kapitalmarkt­modell“ aus den 60er Jahren hat erst­mals mathematisch erklärt, was bis dahin beob­achtet wurde, aber nicht wirk­lich erklärt werden konnte: dass Streuung sinn­voll ist. Das Modell stellt einen Zusammen­hang zwischen Rendite­chance und Risiko her und zeigt, dass die beste Anlage sich nicht alleine durch die beste Rendite auszeichnet, sondern durch das beste Verhältnis von Rendite zu Risiko – und das kann nur durch breite Streuung erreicht werden.

Das spricht erst einmal nicht gegen ein Portfolio aus Einzel­aktien, aber eine breite und effiziente Streuung mit Einzel­aktien ist deutlich schwerer zu erreichen als mit Fonds, wie wir weiter unten ausführen werden.

Wie man eine gute Streuung erreicht

Um eine gute Streuung zu erreichen, sollten Anle­gerinnen und Anleger Aktien auswählen, deren Auf und Ab möglichst unabhängig voneinander läuft. Das gelingt näherungs­weise am einfachsten, wenn man Aktien verschiedener Branchen und aus verschiedenen Ländern mischt.

Aber wie viele Aktien benötigt man für eine gute Streuung? Die Theorie liefert zumindest für eine nahezu perfekte Streuung eine Antwort: „Einfach“ alle Aktien der Welt halten, wobei sie anhand ihres Markt­wertes gewichtet werden. In der Praxis ist das natürlich kaum hand­habbar.

Für eine gute Streuung reichen schon viel weniger Aktien, es gibt aber nicht die eine, konkrete Mindest­anzahl. Ein Blick auf die Konzentration der Top-Titel ist ein Hinweis. Angenommen, jemand stellt sich ein Portfolio mit 30 Aktien zusammen, die alle gleich gewichtet sind. Die Person hat dann auto­matisch über 30 Prozent ihres Portfolios in ihren zehn Topaktien, denn bei gleich gewichteten 30 Aktien machen die zehn größten Titel mindestens ein Drittel des Portfolios aus. Laufen einige Aktien besser als andere, nehmen die Top-10 schnell 40 oder 50 Prozent ein. Das ist viel und die Marken können schnell erreicht werden. Zum Vergleich: Der MSCI World Index hat im März 2024 auch schon 21,5 Prozent in den Top-10 – bei 1 465 Aktien, die er umfasst. Das zeigt auch: Die kleinen Aktien sind im MSCI World wirk­lich nur in homöo­pathischen Dosen vertreten. Alle Informationen zum Welt-Aktien­index in unserem Artikel zum MSCI World.

Wer nicht mehr als 20 Prozent seines Portfolios in den Top-10 vereinigt haben will, der muss mindestens 50 Aktien halten und diese gleich gewichten, dann entfallen 2 Prozent des Portfolios auf eine Aktie. Ständig für Gleichgewichtung zu sorgen, ist allerdings aufwendig und teuer. Wer das vermeiden will, ist schnell bei 80 oder gar 100 Aktien, die er als sinn­volles Mindest­maß erachtet. Auch viele Aktienfonds begnügen sich mit 40 bis 100 Aktien. Wer mehr hält, verbessert die Streuung immer weniger.

Die Empirie: Können kann auch Glück sein

Wer in Einzel­aktien investiert, geht davon aus, dass man durch gezielte Auswahl von Aktien („Stock Picking“) besser als der Markt abschneiden kann. Wie gut das professionellen Fonds­managern gelingt, wurde immer wieder untersucht.

Dabei muss man beachten: Glück und Pech haben einen großen Einfluss auf den Anlage­erfolg. Wer also einen Manager ausfindig macht, der besser abschneidet als sein Vergleichs­maßstab, etwa der MSCI World Index, hat einen fähigen Manager oder einen Glücks­pilz gefunden.

Die Studien­ergeb­nisse zu der Frage, ob Fonds­manager mit guter Performance nur Glück hatten oder einzelne tatsäch­lich auch Können gezeigt haben, sind nicht eindeutig: Im besten Fall sprechen Studien den Managern durch­aus Können zu, aber die Fonds­kosten fressen die Mehr­rendite durch Können wieder auf. Andere sehen gar keine Könner am Werk oder stellen fest, dass sich bis zum Jahr 2000 durch­aus Könner zeigten, danach aber nicht mehr.

Und auch wenn manche Studien einigen Managern durch­aus Können zugestehen, bleibt ein praktisches Problem: Man kann die Könner nicht von den Glücks­pilzen unterscheiden. Sogar der Glück­pilz selbst wird sich für einen Könner halten (es sei denn, er hat seinen tollen Anlage­erfolg durch bewusst zufäl­lige Aktien­auswahl erzielt).

Die Über­legenheit des Stock Pickings lässt sich empirisch bei Fonds also nicht untermauern. Ein wichtiger Faktor sind zudem die Kosten. Es ist schwer, Fonds­kosten von oft 1,5 Prozent oder mehr durch geschickte Aktien-Auswahl wieder rein­zuholen und lang­fristig besser als der Markt zu sein oder besser als ein entsprechender ETF mit Kosten von 0,2 Prozent. Aber auch ohne den Kostenklotz eines gemanagten Fonds wird es ein Privat­anleger in Eigen­regie in den allermeisten Fällen nicht schaffen, lang­fristig den Markt zu schlagen – zumindest nicht bei gleichem Risiko.

Die Praxis: Handels­kosten und Quellen­steuern beachten

Wer es dennoch als Privat­anleger mit einem Portfolio aus Einzel­aktien probieren möchte, hat einiges zu beachten. Da sind zu Beginn natürlich die Handels­kosten, die je nach Depotmodell bei einem Portfolio mit 40 Aktien oder mehr höher sind als bei einem einzelnen ETF-Kauf. Angebote mancher Neo-Broker machen solche Kosten heut­zutage allerdings fast vernach­lässig­bar. Da aber eine Streuung über viele Länder enorm wichtig ist und nur wenige Auslands­aktien in Deutsch­land gehandelt werden, ist auch mal eine Auslands­order nötig – falls der Broker so was über­haupt anbietet. Und dann wird es doch wieder teuer.

Tipp: Wie Sie mit einem Depot-Wechsel Hunderte Euro sparen können, zeigt unser Vergleich Wertpapierdepots.

Privat­anleger haben vielfach auch die Möglich­keit, sich Quellen­steuer zurück­zuholen, wenn sie auf ausländische Aktiendividenden anfällt. Das ist aber sehr mühsam und kann Jahre dauern. Viele machen so was erst gar nicht – das kostet aber Rendite. Ein Fonds hingegen erledigt das für die Anleger. Auch wenn ein Fonds nicht immer die gleiche, manchmal nied­rigere Quellen­steuer eines Privat­anlegers zahlt, so versuchen sie dennoch oft, diese im Sinne der Anleger so weit es geht zu optimieren. Gerade extrem gut vergleich­bare ETF können es sich kaum erlauben, dort Renditen liegen zu lassen, auch wenn es nur 0,1 Prozent pro Jahr sein sollten.

Tipp: Wie Anleger sich die Abzüge durch die Quellen­steuer zurück­holen können, steht in unserem Artikel Quellensteuer auf ausländische Aktien.

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Fazit: Einzel­aktien nur als Beimischung

Es gibt viele objektive Gründe, die gegen ein Portfolio aus Einzel­aktien sprechen. Wir empfehlen es deshalb nicht. Zusätzlich zu einem Welt-Aktien-ETF können Anle­gerinnen und Anleger sie aber beimischen. Andere Anleger, die Einzel­aktien als den Königsweg anpreisen, liegen schlicht falsch. Man kann mit Einzel­aktien erfolg­reich sein, aber eine über­legene Anlage sind sie weder theoretisch noch empirisch, noch in der Praxis.

In unserer Fondsdatenbank finden Anle­gerinnen und Anleger Welt-Aktien-ETF, die wir als Basis­anlage empfehlen.

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Profilbild test_de-Projektleiter_Stoffel am 02.05.2024 um 07:22 Uhr
    Diesem Fazit kann ich ganz und gar nicht beipflich

    @Rentenberater10: Gerne stellen wir klar: Wir wollen keinem den Spaß an Einzelaktien rauben. Wir hier sind selbst börsenbegeistert genug, um zu verstehen, dass Einzelaktien vielen Anlegern Spaß machen. Aber: Wenn es nicht um den Spaß an der Aktienauswahl geht, raten wir Otto-Normal-Anleger nach Abwägen der Vor- und Nachteile ETF zu nutzen.

  • Profilbild test_de-Projektleiter_Stoffel am 02.05.2024 um 07:13 Uhr
    "nur wenige Auslandsaktien in Deutschland gehan.."

    @napierde: Streng genommen haben Sie recht. Die Börse Frankfurt weist ca. 13 000 Auslandsaktien aus, LS Exchange bietet ca. 6 700 zum Handel an. Aber liquide handeln kann man nur einen Bruchteil. Viele sind gar nicht handelbar oder nur mit Geld-Brief-Spannen, die als prohibitiv angesehen werden müssen (auch mal 15 %). Ein großer Teil sieht höchstens eine Order pro Woche. Die Market Maker hier an der Börse brauchen für eine gute Preisstellung einen liquiden Markt, was in der Regel die Heimatbörse der Aktie ist. Wenn die geschlossen ist (Zeitverschiebung) oder auch dort kaum gehandelt wird, kann bei der Kursstellung hier auch nicht gezaubert werden. Größere Aktien werden an verschiedenen Börsen 24h gehandelt, das hilft dann auch der Preisbildung hier.
    Kurz: Zwischen "Aktie kann ich handeln" und "Aktie kann ich liquide handeln" ist ein großer Unterschied. Deshalb ist es kein Selbstläufer hier sinnvoll in Auslandsaktien aus der 2. Reihe anzulegen.

  • Rentenberater10 am 28.04.2024 um 16:49 Uhr
    Diesem Fazit kann ich ganz und gar nicht beipflich

    Alleine diese Aussage:"Da aber eine Streuung über viele Länder enorm wichtig ist und nur wenige Auslands­aktien in Deutsch­land gehandelt werden, ist auch mal eine Auslands­order nötig – falls der Broker so was über­haupt anbietet. Und dann wird es doch wieder teuer." In über 30 Jahren an der Börse habe ich noch nie eine Auslandsorder vornehmen müssen. Alle Aktien die ich wollte habe ich an Deutschen Börsen bekommen - und seit neuestem bei Scalable Capital ist ohnehin nahezu alles günstig. Die fast "mantrahafte" Empfehlung von ETF und das "substanzlose" ablehnen von Einzelaktien sind schon bemerkenswert. Man muß keine "gemänetschten Fonds" kaufen. Seit über 30 Jahren habe ich persönlich sehr gute Erfahrungen mit meinen Einzelaktien gemacht - ich benötige keine Fonds ob ETF oder andere. Der Bürger ist nicht so d..... wie manche Medien ihn gerne sehen. Schade dass dieser Artikel nicht wirklich auf das Halten von Einzelaktien eingeht.

  • napierde am 27.04.2024 um 23:33 Uhr
    "nur wenige Auslandsaktien in Deutschland gehan.."

    "Da aber eine Streuung über viele Länder enorm wichtig ist und nur wenige Auslands­aktien in Deutsch­land gehandelt werden, ist auch mal eine Auslands­order nötig – falls der Broker so was über­haupt anbietet. Und dann wird es doch wieder teuer."
    Hallo Artikel-Verfasser!
    Wie ist das gemeint?
    Bei der Mehrzahl meiner Broker sind viele "Auslandsaktien" selbstverständlich (auch an inländischen Börsen handelbar) und oft sogar per Aktiensparplan besparbar. Beispiele: Trade Republic und Scalable Capital.
    Ich bitte um Aufklärung.
    Freundliche Grüße
    nap